architektur.aktuell 01/02/1999

architektur.aktuell 01/02/1999

architektur.aktuell

International

Annette Gigon & Mike Guyer: Minimalistische Expressivität/Minimalist Expressiveness

Von/by Margit Ulama
Museum Liner in Appenzell, Umbau Sammlung Oskar Reinhart in Winterthur, Schweiz

Annette Gigon und Mike Guyer zählen mittlerweile zu den international renommierten Architekten der deutschschweizerischen Szene. Als gerade Dreißigjährige reüssierten sie Anfang der neunziger Jahre mit dem Kirchner Museum in Davos, es folgte die Erweiterung des Kunstmuseums Winterthur. Nun wurden der Umbau der Sammlung Oskar Reinhart und das Museum Liner fertiggestellt. Im ersten Fall handelt es sich um die Renovierung und Erweiterung eines Baus vom Beginn dieses Jahrhunderts, im zweiten entstand ein monographisches Museum, das den Appenzeller Malern Vater und Sohn Carl Liner gewidmet ist. Mit dem Zubau für die Sammlung Reinhart interpretieren Gigon & Guyer den Hauptbau sowohl hinsichtlich der Figuration des Baukörpers als auch der Materialität auf ganz spezifische Weise. Die drei neu gebauten Ausstellungsräume stellen sich außen als unterschiedlich hohe, ineinander verschachtelte Kuben dar. Auch dem Museum Liner legten die Architekten orthogonale Säle zugrunde, doch der Baukörper präsentiert sich insgesamt als betont skulpturales, expressives Volumen. Mit seiner Zick-Zack-Form wollten die Architekten an die Satteldachlandschaften der Appenzeller Ortschaften beziehungsweise die Sheds von Industriebauten anknüpfen. Die silbrigen Schindeln interpretieren den Ort.(…)

NOX-Architekten Weicher Monolith/A Soft Monolith

Von/by Andreas Ruby
Wasserpavillon im Ausstellungs- und Freizeitpark WaterLand auf Neeltje Jans, Holland

Neeltje Jans ist nicht unbedingt das, was man einen pittoresken Ort nennen würde. Eher wirkt die künstliche Insel auf dem Oosterschelde-Damm an der südwestholländischen Küste wie der Drehort eines Science-Fiction-Films: Eine unwirtliche Mondlandschaft im Niemandsland zwischen Land und Meer, kein Baum weit und breit, dafür weiße High-Tech-Windräder und futuristische Schleusentore, die sich in den wolkengewaltigen Himmel Zeelands recken. Und doch kommen jährlich 400.000 Besucher hierher, um sich in dem Ausstellungs- und Freizeitpark WaterLand, etwa eine Autostunde südwestlich von Rotterdam gelegen, einen Eindruck von Hollands jahrhundertelangem Kampf gegen das Wasser zu machen. Seit einiger Zeit können sie nun eine Attraktion mehr bestaunen – den Wasserpavillon, ein amorphes Ausstellungsgebäude aus zwei Teilen. Der eine ist dem Salzwasser gewidmet und stammt von Kas Osterhuis, der andere behandelt das Süßwasser und wurde durch Lars Spuybroek vom Rotterdamer Architekturbüro NOX gebaut. Ursprünglich hätte der Architekt nur die Hülle bauen sollen, während das Innenleben anderen Ausstellungsdesignern vorbehalten geblieben wäre. Im Verlauf der Projektentwicklung übernahm Spuybroek jedoch auch diesen Teil. Und anstatt das Wasser als “Ausstellungsobjekt” zu behandeln, gestaltete er ein synthetisches Environment, das in seiner ganzen Materialität von der Idee des Flüssigen durchdrungen ist.(…)

Foster and Partners: Der Adler ist gelandet/The Eagle Has Landed

Von/by Roland Kanfer
Wasserpavillon im Ausstellungs- und Freizeitpark WaterLand auf Neeltje Jans, Holland

Neeltje Jans ist nicht unbedingt das, was man einen pittoresken Ort nennen würde. Eher wirkt die künstliche Insel auf dem Oosterschelde-Damm an der südwestholländischen Küste wie der Drehort eines Science-Fiction-Films: Eine unwirtliche Mondlandschaft im Niemandsland zwischen Land und Meer, kein Baum weit und breit, dafür weiße High-Tech-Windräder und futuristische Schleusentore, die sich in den wolkengewaltigen Himmel Zeelands recken. Und doch kommen jährlich 400.000 Besucher hierher, um sich in dem Ausstellungs- und Freizeitpark WaterLand, etwa eine Autostunde südwestlich von Rotterdam gelegen, einen Eindruck von Hollands jahrhundertelangem Kampf gegen das Wasser zu machen. Seit einiger Zeit können sie nun eine Attraktion mehr bestaunen – den Wasserpavillon, ein amorphes Ausstellungsgebäude aus zwei Teilen. Der eine ist dem Salzwasser gewidmet und stammt von Kas Osterhuis, der andere behandelt das Süßwasser und wurde durch Lars Spuybroek vom Rotterdamer Architekturbüro NOX gebaut. Ursprünglich hätte der Architekt nur die Hülle bauen sollen, während das Innenleben anderen Ausstellungsdesignern vorbehalten geblieben wäre. Im Verlauf der Projektentwicklung übernahm Spuybroek jedoch auch diesen Teil. Und anstatt das Wasser als “Ausstellungsobjekt” zu behandeln, gestaltete er ein synthetisches Environment, das in seiner ganzen Materialität von der Idee des Flüssigen durchdrungen ist.(…)

Georg Augustin und Ute Frank: Ein janusköpfiger Solitär am Rand der Stadt/A Janus-Faced Solitaire on the Urban Periphery

Von/by Claus Käpplinger
Kindertagesstätte in Berlin-Staaken, Deutschland

Der Bau wurde auf einem schmalen, langen Restgrundstück unmittelbar im Anschluss an den “Wohnpark Staaken” errichtet. Seine klar lesbare Architektur entwickelt sich aus den Binnenräumen heraus, private und öffentliche Räume durchdringen sich wechselseitig. Das Haus ist Ergebnis eines Wettbewerbs, den der Investor des Wohnparks ausgelobt hatte, weil es bei der Planung dieser Kindertagesstätte diffizile Aufgaben zu lösen galt: die Frage der direkten Nachbarschaft zu den angrenzenden Gärten der Wohnbebauung; das Problem des extrem hohen Grundwasserspiegels; das Thema der Durchbildung eines Baukörpers, der für Kinder erfahrbar, überschaubar sein sollte, aber doch nur ein dreigeschoßiger, langer Riegel sein konnte. Besonders auf diese letzte Fragestellung geben Augustin und Frank eine interessante Antwort. Denn die Rigidität der Baukörperform wird in ihrem Entwurf demonstrativ vorgezeigt und durch die Materialisierung – orange lasierte Sperrholzelemente und graue, großformatige, unbehandelte Faserzementtafeln – sogar noch verstärkt. Andererseits: Dadurch, dass sich die unterschiedliche Nutzung des Bauwerks – ein Teil ist ganztägiger Hort, ein Teil halbtägiger Kindergarten – nach außen deutlich sichtbar ausdrückt und die Orientierung der verschiedenen Raumgruppen mit ihrer auch zeitlich unterschiedlichen Nutzung einer zwingenden Logik folgt, ist aus dem an sich kompakten Gebäudevolumen doch ein gegliederter Baukörper geworden. (…)

Essay

Moskau im 851. Jahr: Eine Zwischenbilanz/Moscow in Its 851st Year: An Interim Account

Von/by Werner Huber

Die Medienpräsenz Russlands hat im vergangenen Jahr wieder einmal einen Höhepunkt erlebt. Die Krise in Wirtschaft und Politik hat den schönen Traum vieler Russen von einem Leben in ruhigeren Bahnen abrupt beendet. Besonders schmerzlich ist dies in Moskau zu spüren, das von den Segnungen der neuen Zeit zuerst und am meisten profitiert hat. Kaum ein Jahr vor dem Kollaps des Rubels wurden in der Hauptstadt die Feierlichkeiten zum 850-jährigen Stadtjubiläum ausgerichtet. Der Bürgermeister Juri Lushkow hat es verstanden, das Antlitz der Stadt innerhalb weniger Jahre grundlegend zu verändern. Dass viele seiner Vorhaben nur dank der engen Verflechtung von Staatsmacht und Wirtschaftsmacht möglich waren, haben zwar auch kritische Moskauer Zeitgenossen registriert. Doch man darf es niemandem übelnehmen, der sich von der neuen Pracht hat blenden lassen: Das Leben in der russischen Hauptstadt ist tatsächlich unvergleichlich angenehmer geworden, als es dies auch nur vor fünf Jahren war. Und profitiert hat davon in zunehmendem Maß auch die neue Mittelschicht. Nun ist der Aufstieg der Boomtown Moskau – vorerst zumindest – ins Stocken geraten. Dies gibt uns Gelegenheit für einen Blick zurück auf die letzten Jahre, in denen sich “das Herz Russlands” vom grauen Zentrum der Sowjetmacht zur pulsierenden Metropole entwickelt hat.(…)

Österreich

Günther Domenig: Ein Pfahl bohrt sich in die Substanz/A Beam Boring its Way Into the Substance

Von/by Liesbeth Waechter-Böhm
Um- und Zubau des Stadttheaters Klagenfurt, Kärnten

Der historische Bestand – ein Entwurf der renommierten Theaterbauer Fellner & Helmer – stammt von 1908-1910 und wurde anlässlich des 60jährigen Kaiser-Jubiläums errichtet. Sein “etwas trockener Verschnitt von Historismus und Jugendstil ist”, nach Friedrich Achleitner, “typisch für das Spätwerk der Architekten.” Aber: Das Haus hat tiefgreifende Veränderungen erfahren, die schlimmsten in den fünfziger und sechziger Jahren. Günther Domenig schlug im geladenen Wettbewerb von 1995 daher vor, den Bau weitestgehend wieder auf seinen ursprünglichen Zustand zurückzuführen, Anbauten jüngeren Datums zu entfernen und einen Erweiterungsbau hinzuzufügen, der Künstlergarderoben, Proberäume, Werkstätten, Verwaltung, Technikräume und andere Nebenfunktionen aufnimmt. Dieser Bau setzt die Achsialität des historischen Bestandes fort, gleichzeitig ist er aber weit mehr als eine bloß additive Hinzufügung. Denn wie bei Günther Domenig nicht anders zu erwarten, wurde er als markante architektonische Skulptur formuliert, als ein plastisch geformter “Pfahl” (Domenig) in der Hauptachse des Stadttheaters, der leicht abhebt, sich verjüngt und Richtung Achterjägerpark weit auskragt. Als Gelenke um den Pfahl fungieren die schrägverglasten Stiegenhäuser und mit horizontalen Glaselementen geschichtete beziehungsweise auf die bestehenden Fassaden reagierende Elemente mit Fensterlisenen.(…)

Eichinger oder Knechtl: Ein starker Raum/A Powerful Space

Von/by Liesbeth Waechter-Böhm
Café, Restaurant, Bar im Palmenhaus im Burggarten, Wien-Innenstadt

Der Schauplatz liegt sozusagen an einem Touristen-Trampelpfad. Auf dem Weg von der Wiener Staatsoper und dem Hotel Sacher hinüber zur Hofburg und dem Michaelertor kommen sie alle am – denkmalgeschützten – Palmenhaus des Friedrich Ohmann im Burggarten vorbei. Daher war es eigentlich hoch an der Zeit, dass mit diesem äußerst attraktiven Gebäude etwas gemacht wurde, das auch öffentliche Wirksamkeit entfaltet. Das ist mit der Einrichtung eines Lokals durch Gregor Eichinger und Christian Knechtl endlich geschehen. Die Bedingungen waren dabei nicht ideal, denn die Instandsetzung der historischen Bausubstanz und die bauseitig notwendigen Maßnahmen – vom Windfang über den Fußboden bis hin zu den WC-Anlagen -, die hat ein anderer Architekt, Herbert Prehsler, realisiert. Eichinger oder Knechtl konnte unter diesen Voraussetzungen vom Betreiber des Lokals weitgehend nur jener Bereich überantwortet werden, der die Benutzeroberflächen für den Gast betrifft. Obendrein durfte die Bausubstanz nicht substantiell angetastet werden. Man konnte zwar Dinge implantieren, hineinstellen, aber der Blick auf den historischen Bestand durfte dadurch nicht verstellt werden. Eichinger oder Knechtl sind mit diesen Vorgaben souverän umgegangen. Das Resultat ist ein gastronomischer Betrieb internationalen Formats, wie man ihn sich für die Wiener Innenstadt längst gewünscht hat.(…)

Fellerer & Vendl, CESKA & PRIESNER Ein schwebendes Baumhaus/A Hovering Tree-House

Von/by Margit Ulama
Zu- und Umbau Haus Eichenauer-Knoll in Rohrbach, Niederösterreich

Bei dem Zubau in Rohrbach handelt es sich einmal mehr um eine schwebende Box. Sie dient der Erweiterung eines romantischen Holzhauses, das aus den vierziger Jahren stammt und bereits in den sechziger Jahren in einer betonierten und holzverkleideten Version vergrößert wurde. Es ist also sukzessive gewachsen, und der jüngste Zubau besteht nun aus Holzfertigteilen. Der romantische Charakter der ursprünglichen Architektur fehlt hier jedoch völlig. Im Gegenteil: Der Zubau wirkt etwas rauh, er wächst aus dem Altbau heraus oder durchdringt ihn in dekonstruktiver Manier. Es scheint, als müsste er auf der anderen Hausseite weiterlaufen. Doch dies ist nicht der Fall, der Gebäudeflügel wurde einfach an das Haus gesetzt. Der Zubau, der die Schlafräume aufnimmt, verbindet sich mit der Neuorganisation und dem teilweisen Umbau des bestehenden Erdgeschoßes sowie einem Innenausbau mit farbkräftigen Möbeln. Als schwebende Box folgt die Architektur dem Geist der Zeit und birgt dennoch einen eigenen Gestus. Die betonte Schwere der Konstruktion bindet den abgehobenen Baukörper an den Boden. Das Sichtbetonelement deutet einen eigenen kleinen Kubus an. In diesem Bereich unter dem eigentlichen Baukörper drückt sich auch die rauhe Sprache aus, die man insbesondere von den Bauten von Ceska & Priesner kennt.(…)

Gustav Peichl und Rudolf Weber: Unter der Haut: eine dichte Packung Technik/Under The Skin: a Compact Package of Technology

Von/by Liesbeth Waechter-Böhm
ORF-Landesstudio in St. Pölten, Niederösterreich

Das neue “Funkhaus St. Pölten” wurde im Kontext der niederösterreichischen Hauptstadtplanung errichtet. Derzeit sieht man vom Haupteingang noch hinüber auf die Shedhalle von Hans Hollein und das Festspielhaus von Klaus Kada, aber schon ist auch die Baugrube für den Museumsbau (ebenfalls Hollein) ausgehoben, der in Zukunft zumindest teilweise diese Aussicht verstellen – oder bereichern? – wird. Gustav Peichls Entwurf bricht mit der bisherigen “CI” der ORF-Landesbauten, die auf einer einheitlichen Gebäudetypologie und einer einheitlich “technoiden” Architekturästhetik beruhte. Er tritt nach außen beinahe schlicht, dabei durchaus zeitgemäß auf, innenräumlich bietet er reizvolle Situationen. Das neue Funkhaus ist wesentlich kleiner als alle anderen Landesstudios, präsentiert sich in technischer Hinsicht aber auf dem letzten Stand. Diese optimierte Relation zwischen Raumbedarf und kompakter Technik steht auch im internationalen Vergleich beispielhaft da. Der ORF galt immer als einer der potentesten Bauherren des Landes, als eine der wenigen österreichischen Institutionen, die ihrem öffentlichen Auftrag in Sachen Architektur nachgekommen sind. Insofern könnte man es als Alarmsignal auffassen, dass beim Neubau in St. Pölten der Sparstift eine entscheidende Rolle gespielt hat. Tatsächlich hat das gebaute Resultat nicht mehr die formale Signifikanz der alten ORF-Landesbauten. In funktioneller Hinsicht bleiben dennoch keine Wünsche offen.(…)

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