architektur.aktuell 03/2001

architektur.aktuell 03/2001

dignity

Geld, hohes Pro-Kopf-Einkommen als Maß des steigenden Glücks?|Money, a High per Capita Income as a Measure of Increasing Happiness?

Von|by Christian Hlade

Arm ist in unserer Gesellschaft gleichgestellt mit “Unglück” und “Not”, Reich-Sein bedeutet hingegen automatisch auch Glücklich-Sein.
Das Maß der Glücks lässt sich ja gut in Zahlen ausdrücken: Steigendes Bruttosozialprodukt = steigendes Wohlbefinden…
Dieses Bild wird noch weiter durch die Werbung und durch die Medien angefeuert und in der ganzen Welt verbreitet.
“Kauf Dir noch mehr, dann geht’s Dir besser!”
Wie ist das anderswo ?
Bei langen Aufenthalten in Ladakh/Nordindien, wo die tibetische Lebensweise erst am Beginn der Geldwirtschaft steht, musste ich feststellen, dass “Armut” und “Reichtum” sehr relative Begriffe sind.


Heinz Tesar: Kirche in der Donaucity, Wien|Church in the Donau-City, Vienna, Austria

Von|by Matthias Boeckl
Spirituelle Behauptung

Die Maßstäbe und Proportionen in einem neuen Hochhausquartier sind meist von drastischen Sprüngen und extremen Kontrasten geprägt. Zwischen den Türmen öffnen sich dramatische Schluchten, niedrigere Gebäude und Freiräume kontrastieren damit auf eine extreme Weise. Ganz zu schweigen von den verschiedenen Formensprachen, die auch in der neuen Wiener Donau-City aufeinanderprallen: Hier die kurios geschwungenen Betontürme der UNO-City aus den 1970-er Jahren, da die technoiden und bauchigen Elemente von Wilhelm Holzbauer und Paolo Piva, etwas abgerückt die markanten Riegel von Meissl-Delugan. Der Masterplan der Donau-City wollte diese Volumina in gefälligen Proportionen organisieren, scheint jedoch beim heutigen Ausbaustand – zumindest in der Anschlusszone an U-Bahn und Hauptverkehrsachse – die extreme Heterogenität kaum in den Griff zu bekommen. An einem Achsenscharnier hatte die Stadtplanung allerdings die Möglichkeit eines funktional-inhaltlichen Dimensionssprungs vorgesehen: Einen Sakralbau. Heinz Tesar nutzte diese Chance und antwortet mit einem vergleichsweise kleinen, stahlbekleideten Quader auf die allseitige Dominanz der umgebenden Architektur-Schaustellungen.


>Reitermann/Sassenroth: Kapelle der Versöhnung in Berlin, Deutschland|Chapel of Reconciliation in Berlin, Germany

Von|by Rudolf Stegers
Eine Geschichte hinter Lamellen
Sonntags läuten die Glocken so laut, dass man in der Nähe eine große Kirche meint finden zu können. Doch an den Rändern der Straße wollen sich weder Lang- und Querschiff noch ein Turmschaft zeigen. Nein, im raschen Vorbeigehen sieht man nur einen grünlichen Metallzaun und zwei bräunliche Baukörper. Allein das Zeichen des Kreuzes auf dem hinteren der hölzernen Verschläge gibt Antwort auf die Frage, was dort steht. Versöhnen soll die Kapelle ein Stück deutschester Geschichte, das heißt den Umschlag von Utopie in Barbarei beim Mauerbau im Jahr 1961. Die jungen Berliner Architekten Reitermann und Sassenroth haben hier ein würdiges und eindringliches Zeichen gesetzt – der Tiroler Martin Rauch konnte dabei ein weiteres Meisterwerk seiner Lehmbaukunst realisieren.


Penezic & Rogina: Kirche und Gemeindezentrum St. Michael in Dubrovnik, Kroatien|St. Michael’s Church and Community Centre in Dubrovnik, Croatia

Von|by Radovan Ivancevic
Raum-Verschränkungen

Auf der Halbinsel Lapad, wo früher eine ruhige Vorstadtpfarre von Dubrovnik lag, nahm die private Bautätigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg rapide zu. Dementsprechend wuchs auch die Zahl der Mitglieder der Kirchengemeinde. 1987, noch vor dem Krieg, der sogar zum Artilleriebeschuss Dubrovniks führte, wurde ein offener Wettbewerb zur Erweiterung der Pfarre ausgeschrieben. Gefordert war eine mindestens dreimal so große neue Kirche und ein zeitgenössisches religiöses Zentrum für vielfältige Zwecke (Religionsunterricht, Vorträge für Gemeindemitglieder, Räume für das Gesellschaftsleben, die Unterhaltung junger Leute etc.), das auf dem alten Gartengrundstück zu situieren war. Die bestehende St. Michaels-Kirche nimmt das höhere südliche Ende des Gartens ein, während das bescheiden-eingeschoßige, barocke Pfarrhaus auf dem in Terrassen abgesenkten Nordteil des Grundstücks liegt. Beim Wettbewerb gewann das Projekt von Penezic & Rogina den ersten Preis, womit auch das Baurecht verbunden war. Der Entwurf verbindet geschickt die verschiedenen Ebenen und Bauten des Terrains, organisiert offene und geschlossene Sakralräume in lokalen Materialien und doch entschiedener Gegenwärtigkeit.


STUDIO FOR: Rituelle Küche und Speisesaal, Bratislava, Slowakei|Ritual Kitchen and Cafeteria, Bratislava, Slovakia

Von|by Henrieta H. Moravcikova
Obdach für gewöhnliche und festliche Tage

Die Altstadt von Bratislava mit ihren letzten Resten an unbebauten Flächen bildet für zeitgenössische Architektur eine interessante Herausforderung. Dennoch treten nur wenige der neuen Entwürfe ihrer Umgebung mit Selbstbewusstsein und ohne geschichtliche Nostalgie entgegen. Die kürzlich fertiggestellte Küche und der neue Speisesaal der jüdischen Gemeinde Bratislavas ist solch ein Projekt, das sich nostalgischen Klischees widersetzte. Als vitaler Hybrid entstand es aus der Auseinandersetzung mit komplexen räumlichen und sozialen Komponenten sowie der Verschmelzung mit seiner Umgebung. Das Quartier rund um die Burg, in dem die neue Küche und der Speisesaal liegen, wurde vor dem Holocaust vor allem von der jüdischen Minderheit Bratislavas bewohnt. So war auch das alte Haus in der Kozia-Straße einst im Besitz der jüdischen Gemeinde, der es 1989 restituiert wurde. In diesem Gebäude ist heute die Verwaltung der jüdischen Kultusgemeinde untergebracht. Im Hinterhof dieses Verwaltungsbaus befand sich ein heruntergekommenes eingeschoßiges Haus, das die alte Küche und den Speisesaal beherbergte, bis sich die Gemeinde entschloss, die alten Räume durch neue zu ersetzen. Die topologische wie topographische Konzeption der neuen Küche wurde maßgeblich von der Tatsache bestimmt, dass die alten Räumlichkeiten erst dann aufgelassen werden konnten, als die neuen in Betrieb gingen.


Meili Peter: Swiss Re Center for Global Dialogue in Rüschlikon, Schweiz|Swiss Re Center for Global Dialogue in Rüschlikon, Switzerland

Von|by Konstanze Domhardt & Laurent Stalder
Assoziation, Evokation, Remake

In einer klassischen Villa am Zürichsee richtete eine Rückversicherungsgruppe ihr neues Seminarzentrum ein. Die Konfrontation der neuen Funktionen und Zubauten mit der alten Anlage brachte eine Reihe von Gelegenheiten, eine Atmosphäre von Gediegenheit und Würde, aber auch Innovation in einem spannenden Wechsel zeitgenössischer und neuformulierter vorgefundener Elemente zu entwerfen. Neben den eigenen Interventionen ließen die Architekten für spezielle Aufgaben den Künstler Günther Förg und die Wiener Kollegen Hermann Czech und Adolf Krischanitz zu Wort kommen. Eine Gelegenheit, diese komplexe Gestaltungstechnik zeitgemäßer Würdeformeln einer genaueren Lektüre zu unterziehen.


ARK-house: Informationszentrum des “Science Park” in Helsinki, Finnland|Science Park Information Centre in Helsinki, Finland

Von|by Wolfgang Jean Stock
Strahlender Rundbau

Finnland befindet sich in einer Bildungsoffensive. Ein Zeichen dafür sind die vielen neuen Hochschulbauten, die bereits errichtet wurden oder in Ausführung und Planung sind. Die Universität der Hauptstadt Helsinki gilt derzeit sogar als der wichtigste finnische Bauherr. Ein Schwerpunkt ihrer Bautätigkeit liegt im nordöstlichen Stadtteil Viikki, wo seit Mitte der 1990er Jahre ein “Science Park” für die Biowissenschaften entsteht. Funktionales und gleichermaßen architektonisches Herzstück des noch unvollendeten Campus ist das neue Informationszentrum “Korona” der Architekten ARK-house: ein markanter Rundbau, der durch seine verglaste Außenschale abends und in den langen Wintermonaten weit in die Umgebung hinein strahlt. Hervorgegangen aus einem eingeladenen Wettbewerb, ist das ökologisch optimierte Gebäude auch ein Treffpunkt für die örtliche Bevölkerung, weil es neben einer wissenschaftlichen Bibliothek und universitären Einrichtung zugleich eine Gemeindebücherei sowie weitere öffentliche Bereiche enthält.


Barkow Leibinger: Gewerbegebäude in Schramberg-Sulgen, Deutschland|Company Building in Schramberg-Sulgen, Germany

Von|by Christoph Gunßer
Fabrik mit Falten

Die gestalterischen Spielräume im Industriebau sind heute denkbar eng. Produktionsabläufe und Profite diktieren zumeist Kubatur wie Materialisierung. Wer es dennoch schafft, Bauten von Anspruch zu verwirklichen, spielt in der Regel die konstruktive Karte: Straffe Haut und dürre Knochen werden gern spektakulär zur Schau gestellt – die Meister des Fachs sind denn auch eher Ingenieure als Architekten. Anders das Berliner Team von Frank Barkow und Regine Leibinger: Ihre Laserfabrik in Ditzingen bei Stuttgart überraschte vor zwei Jahren mit einer Struktur, die – bei aller technischen Präzision – plastisch und vielschichtig auftrat und auf diese Weise innig mit der Landschaft verwoben schien (siehe Architektur aktuell 229). Im Folgeprojekt für den selben Konzern, einer Betriebserweiterung am Rande des Schwarzwaldes, haben die Architekten ihr Verständnis des Genres noch einmal erweitert.


Pichler & Traupmann: Landmaschinenhandel Jandrisevits, Strem bei Güssing, Burgenland|Jandrisevits Agricultural Machinery Dealership, Strem near Güssing, Austria

Von|by Matthias Boeckl
Die normative Kraft des Faktischen

Handels- und Gewerbebetriebe können in Sachen Architekturbewusstsein eine Zugpferdfunktion für eine ländliche Region ausüben, deren sonst dominierender Einfamilienhausbau einiges zu wünschen übrig lässt. Die kompakte Organisation und die kühle Repräsentativität der einschlägigen Betriebsbauten von Pichler & Traupmann hat im südlichen Burgenland bereits Standards gesetzt. Die Qualität dieser Entwürfe liegt in der Konsequenz der Architekten, anfängliche Einschränkungen zu thematisieren und zu formbildenden Kräften werden zu lassen. Ein mittelgroßer, aber sehr effizienter Handelsbetrieb für Landmaschinen, der vor allem mit der Ware wirbt und auch einschlägige Serviceangebote bereithält, wird so zu einer Demonstration der Dinge, “wie sie sind”. Die unsentimentale Darstellung der Tatsachen wendet sich in wohltuende Klarheit, den einfachen Materialien wird eine unerwartete Würde entlockt.


Dominique Perrault: Lebensmittelmarkt in Wattens, Tirol|Supermarket in Wattens, Austria

Von|by Andrea Nussbaum
Eliminieren, Distanzieren, Abstrahieren

“Am liebsten würde ich unsichtbar bauen”, hat Dominique Perrault anlässlich der Eröffnung seines bislang größten Baus, der Bibliothèque Nationale in Paris gesagt. Diesem Anliegen der geübten Diskretion ist er mit dem – in Relation zum französischen Prestigebau – “kleinen” Supermarkt in der Tiroler Gemeinde Wattens etwas näher gerückt. Seine Architektur wirkt distanziert, fast könnte man meinen abstrakt. Keine noch so kleine Referenz findet sich auf die alpine Umgebung, kein noch so kleines Detail schreit nach Aufmerksamkeit oder durchbricht die gleichmäßige Kühle der sechs Meter hohen Glasfronten, die den eingeschoßigen Körper auf drei Seiten homogen umschließen. Aber genau darin liegt die Geste des Unausgesprochenen, des Unsichtbaren. Man spürt die Ausstrahlung des Baus, zurückhaltender als man das vielleicht in der Mentalität der schroffen Bergwelt erwartet hätte. Ein minimalistischer Entwurf mit sublimem Charakter: Mönchische Bescheidenheit würde die Markthalle ausstrahlen, wäre da nicht die bunte Warenwelt, die den Konsumtempel zurück ins Alltägliche holt. 

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