architektur.aktuell 07/08/2001

architektur.aktuell 07/08/2001

technology

Toyo Ito: Neue Mediathek in Sendai, Japan|New Mediatheque in Sendai, Japan

Von|by Christiana Hageneder
Medien-Technik

Was ist eine Mediathek? Kann man Medien überhaupt in eine Hülle stecken, und wie erlebt der menschliche Körper den medialen oder digitalen Raum? Fangfragen, im wahrsten Sinne des Wortes, die Toyo Ito seit dem Wettbewerb vor mehr als sechs Jahren um die Mediathek im japanischen Sendai nicht mehr loslassen. Er wollte sich nicht damit begnügen, das Programm in Architektur umzusetzen, sondern suchte nach etwas Neuem, das dem Wesen der neuen Medien eher gerecht werden könnte. Den Entstehungsprozess der Mediathek konnte man öffentlich mitverfolgen. Ito dachte laut, wurde viel gefragt und weihte in seiner Ausstellung “Blurring Architecture” (die auch in Europa gezeigt wurde) die ganze Welt mit ein. Die Mediathek selbst war schon ein “Medium”, bevor sie real existierte. Anfang dieses Jahres wurde sie eröffnet.


Mathias Klotz: Altamira School, Penalolen, Santiago de Chile

Von|by Francisca Insulza
Flächen-Technik

Die Altamira Schule von Mathias Klotz an den Hängen der Andenausläufer östlich von Santiago zeigt jene Prinzipien, die allen Projekten der noch jungen, aber florierenden Karriere dieses Architekten zugrunde liegen. Klotz, der Abstraktion und Natur stets aneinander misst, arbeitet mit einfachen Körpern, durchdachtem Materialeinsatz und starkem Bezug zur Landschaft: Elemente, die die südamerikanische Moderne seit den 1950er Jahren vielfach geprägt haben. Schlichte, platonische Körper werden der schroffen Geografie Chiles spielerisch gegenübergestellt; unablässige Materialrecherchen zeugen vom erfrischenden Bestreben, vor Ort vorhandene Technologien zu verwenden; der systematisch evozierte Landschaftsbezug schließlich soll enge Bindungen zum Umfeld schaffen und der Einbindung des Projekts ins Terrain – kontrastierend oder harmonisierend – zum Vorteil gereichen.


Barkow Leibinger Architekten: Biosphäre & BUGA in Potsdam, Deutschland|Biosphere & BUGA Flower Hall in Potsdam, Germany

Von|by Claus Käpplinger
Die Dynamik des Topographischen

Eine Architektur des Gebrauchs, haptisch, funktional und flexibel, verfolgen Regine Leibinger und Frank Barkow. Von der Landschaft nimmt ihre Arbeit ihren Ausgang, die den Anspruch erhebt, das Projekt der Moderne mit den Mitteln der Gegenwart fortzusetzen. Für die Bundesgartenschau 2001 in Potsdam schufen sie nun eine Ausstellungshalle, die aus der Landschaft selbst geformt wurde, die radikal aus dem Vorgefundenen, aus dem natürlichen wie ebenso militärischen Vorgebrauch des Ortes entstand. Jenseits der übermächtigen Vorläufer Crystal Palace, Kew Garden oder Biosphere One, jenen Geschöpfen des Industriezeitalters, die Naturnähe allein technisch-konstruktiv über Transparenz herzustellen versuchten, gelang damit Barkow Leibinger und ihrer Landschaftsarchitektin Gabriele Kiefer ein Gebäude, das sich der bedrohten Ressource “Landschaft” selbst intelligent zu bedienen verstand und sie zugleich auf beeindruckende Weise auch neu erfahrbar machte.


UN studio: Müll-Verladestation in Delft, Niederlande|Waste-Transfer Station in Delft, Netherlands

Von|by Robert Uhde
Form Follows Disposal

Wer an Delft denkt, dem kommen zunächst die historische Innenstadt, das weltberühmte Delfter Porzellan oder die renommierte Technische Universität in den Sinn. Ganz anders das Ambiente im Delfter Süden: Direkt am Fluss Schie, am Übergang zwischen einem nur wenig attraktiven Industriegebiet und dem Landschaftsschutzgebiet Abtswoude, wurde nach Entwürfen des Amsterdamer UN studio um Ben van Berkel und Caroline Bos vor wenigen Monaten eine neue Müll-Verladestation fertig gestellt. Die sensibel in den schwierigen städtebaulichen Kontext eingefügte Anlage nimmt den Hausmüll der Stadt Delft und der umliegenden Gemeinden auf und transportiert ihn von hier aus auf dem Wasserweg in die Müll-Verbrennungsanlage nach Rijnmond. Neben der dazu nötigen Verladehalle verfügt die Anlage über eine zusätzliche “Wertstoff-Insel” – eine Plattform, von der aus Besucher Holz, Glas und andere Wertstoffe in eigens dafür vorgesehene Container abladen können. Dabei zeigt sich, wie sehr sich inzwischen die Haltung gegenüber dem stetig anwachsenden Müll verändert hat: Aus dreckigem Abfall, der möglichst unauffällig vernichtet werden muss, ist zunehmend ein wertvoller Grundstoff für eine neue Produkt-Generation geworden.


Camenzind Gräfensteiner: Reifenshop und Art Exchange in Zürich, Schweiz|Tyre Shop and Art Exchange in Zurich, Switzerland

Von|by Robert Fabach
Wunderblock und Reifentempel

Der Reifenhändler Christian Schaller hat ein Grundstück an einer Ausfallstraße von Zürich gepachtet und eine weitere Filiale eröffnet. Die Architekten Stefan Camenzind und Michael Gräfensteiner haben ein Gebäude dafür geschaffen, ihn vom Sinn einer Präsentationsfläche für Kunst überzeugt und einige Dinge einfach zueinander gebracht. Und die Künstlerin Martina Issler hat als erste Ausstellerin einfach eine Fotoinstallation produziert. Dabei ist ein überaus komplexes Objekt entstanden, ein Stück Urbanität, das im Übergang von Stadt und Land zu weitverzweigten Betrachtungen über Kunst, Architektur und Geschäft einlädt oder zum Vorüberfahren oder zum Reifen kaufen. Ganz einfach.


Hanno Schlögl: Raiffeisen Regionalbank Hall in Tirol|Raiffeisen Regional Bank in Hall/Tyrol, Austria

Von|by Otto Kapfinger
Ausgeglichener Saldo

Silbrig schimmernd, durchsichtig schwebend und doch präzise Kanten setzend lagert der Neubau vor dem steinernen Oval der Altstadt. Hall in Tirol ist berühmt für seinen mittelalterlichen, immer noch vitalen Kern, hat aber auch an neueren und neuesten Bauten einiges vorzuweisen. In der Reihe der in den letzten Jahren in Westösterreich entstandenen Bankgebäude markiert jenes in Hall ein Qualitätsniveau, das die in diesem Genre besonders widersprüchlichen Anforderungen exemplarisch verbindet. Die Architektur dieser Branche oszillierte schon im vergangenen Jahrhundert zwischen gegensätzlichen Images. Um erfolgreich zu sein, müssen die Geldinstitute konservativ und zugleich progressiv auftreten. Die Kundschaft erwartet einerseits Diskretion und Sicherheit. Andererseits müssen Banken mehr und mehr auch Offenheit demonstrieren, müssen offensive Transparenz mit absoluter Gediegenheit verbinden. In diesem Spannungsfeld changierte die bauliche Interpretation zuletzt mit unterschiedlicher Gewichtung zwischen Schatzhaus und Pavillon, zwischen dem Solitär mit autonomer, vom Standort unabhängiger corporate identity – und der primär auf den Standort bezogenen, individuellen Ausprägung.


Werner Sobek: Experimentalhaus in Stuttgart, Deutschland|Experimental House in Stuttgart, Germany

Von|by Klaus-Dieter Weiß
Gläserne Arche

Werner Sobek will so tiefgreifend ökologisch, am liebsten materielos bauen, wie es bisher (mit Blick auf den populären Anachronismus des ofenbeheizten, mit Lehm ausgefachten Holzhauses unter Apfelbäumen) kaum durchsetzbar schien. Mit dem emissionsfreien, rezyklierbaren, auf den ersten Blick architektonisch wenig leidenschaftlichen Nullenergiehaus in Stuttgart haben die Kategorien High Technology und Ökologisches Bauen zur Jahrtausendwende einen Quantensprung erfahren, den man vielleicht einmal mit Joseph Paxtons technologischem Urschrei des Kristallpalastes vergleichen wird. Jenseits der Architektur des von ästhetischem Kalkül und poetischer Materialität wenig beeindruckten Ingenieurs, einer gerasterten gläsernen Hülle um ein viergeschoßiges Raumkontinuum ohne Innenwände, bahnt sich eine neue Leidenschaft zwischen Architektur und High Tech an, die nicht Bilder und Fetische sucht, sondern neue, ökologisch und technisch hocheffiziente Wege des Wohnens und Arbeitens: mehr High als Tech.


Christine & Horst Lechner: Dreifamilienhaus in Rif bei Salzburg|Three-Family House in Rif/Salzburg, Austria

Von|by Norbert Mayr
Geschichtete Holzkuben

Viele Menschen wollen ihr eigenes Haus umschreiten können. Vielen ist es auch wichtig, dass der Sonnenlauf sie möglichst über den ganzen Tag begleitet. Dabei kann und muss nicht das “landschaftsfressende” Einfamilienhaus alleine die Lösung sein. Das demonstrierten die Architekten Christine und Horst Lechner mit ihrem Dreifamilienhaus in Rif bei Salzburg. Sie planten nicht nur einen perfekt detaillierten Baukörper von skulpturaler Eleganz. Die Durchdringung von Kuben und offenen Holz-Rasterelementen ist durchwanderbar. Der Niedrigenergie-Wohnbau mit seinen raumgreifenden Veranden bietet gemeinsames und gleichzeitig individuelles Wohnen bei geringem Flächenverbrauch. Räumliche und technische Leistungen verbinden sich zu einem perfekten Ganzen.


Markus Pernthaler: Glockenturm auf der Seetaleralpe, Steiermark|Bell Tower on the Seetaleralpe/Styria, Austria

Von|by Nikolaus Hellmayr
Organische Entgrenzung

Sonderbauten kleineren Maßstabs werden gerne auch zu besonderen planerischen Etüden genutzt. Eine kleine Bauaufgabe abseits der alltäglichen funktionellen Anforderungen kann so zur Improvisation und ohne großen Aufwand zur Auffrischung des eigenen Gestaltungsrepertoires dienen. Mit einer Fingerübung dieser Art, dem Glockenturm Seetaleralpe auf der Schmelz bei Judenburg, reüssierte Markus Pernthaler, der in jüngster Zeit eher mit großen und komplexen Projekten wie der Chirurgie West der Landeskrankenanstalten Salzburg oder dem Tower des Grazer Flughafens auf sich aufmerksam machte, beim diesjährigen Preis des Landes Steiermark für Architektur. Und in der Tat steht dieses kleine Bauwerk in seiner vielschichtigen Symbolik und der ungewöhnlichen konstruktiven Umsetzung der Entwurfsidee den Großprojekten an Komplexität kaum nach. 

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