architektur.aktuell 09/2006

architektur.aktuell 09/2006

sculptures

Jean Nouvel: Musée du Quai Branly in Paris, Frankreich | France

Photos: Roland Halbe; Text: Dominique Boudet
Architektur und Ritual

Es ist mehr als ein Gewohnheitsrecht, es ist fast schon ein Kult: Jeder französische Präsident lässt sich “sein” Museum errichten. Das Ergebnis: In einem Vierteljahrhundert wurde Paris um vier erstklassige Kulturinstitutionen reicher. In den 1970er Jahren schenkte Georges Pompidou den Parisern das Kulturzentrum, das immer noch seinen Namen trägt; einige Jahre später weihte Valérie Giscard d’Estaing das “Musée d’Orsay” ein, das der Kunst des 19. Jahrhunderts gewidmet ist; François Mitterrand baute den Louvre um und verschönerte ihn mit einer Pyramide. Im Juni dieses Jahres ging auch der Wunsch von Jacques Chirac in Erfüllung, als er, begleitet von großem Medienrummel, schließlich “sein” Museum eröffnen konnte.


Feichtinger Architectes: Passerelle Simone de Beauvoir in Paris, Frankreich | France

Photos: David Boureau, Jo Pesendorfer; Text: Matthias Boeckl
Schwebender Stadtraum

Die neueste Brücke über die Seine in Paris ist nicht nur ein konstruktives Erlebnis: Sie vermittelt auch unerwartete Stadt-Wahrnehmungen auf mehreren, rhythmisch verflochtenen Ebenen. Zwei neue Stadtquartiere werden so auf poetische Weise miteinander verbunden.


querkraft: Adi Dassler Brand Center in Herzogenaurach, Deutschland | Germany

Photos: Gerhard Hagen; Text: Isabella Marboe
Form follows brand values

In souveräner Eleganz gleitet das neue Adi Dassler Brand Center der querkraft architekten über die Hügelkuppe auf der “Herzo-Base”. Messerscharf trifft der gläserne Baukörper die corporate identity. Außen kristallinklar, zelebriert eine spitz zulaufende Arena das Eintauchen zum Hallen-Kern mit Forum. Stadionartige Tribünen über den Konferenzräumen säumen unter raffiniert um 45° verschränkten Fachwerksträgern den Weg zum Schrein der Produktwelt, die hier in vier Sektoren präsentiert wird.


Essay

Sieben Bilder zur Ökonomie der Aufmerksamkeit oder wie sich Ort und Welt gegenseitig nähren – Zum Haus Liliane und Valentin Luzi von Peter Zumthor | Seven Images on the Economy of Attention or how Place and World Sustain One Another – On the Liliane and V

Photos: Walter Mair ; Text: Robert Fabach
Kenneth Frampton strebte 1983 mit dem Begriff des Kritischen Regionalismus in seinem Essay “Towards a Critical Regionalism: Six Points for an Architectural Resistance” nach einem reicheren Kontext für die moderne Architektur. Er beschreibt ihn in einem Interview in “Rassegna” nach wie vor als wichtige Haltung in der gestalterischen Praxis, warnt aber davor, ihn als Stilbegriff misszuverstehen. Der folgende Essay umkreist das Verhältnis von Welt und Ort anhand eines Gebäudes, einer Familie und eines Architekten aus Graubünden. 

Studio NL-D: ‘Huisjeshuis’ in Breda, Niederlande | Netherlands

Photos: Hans Werlemann/Hectic Pictures; Text: Dominique Boudet
Industrielles Nomadenzelt

Am Stadtrand von Breda, einer wohlhabenden Stadt im Süden Hollands, sieht man fast nur Häuser aus dem Katalog, die ohne Phantasie traditionelle Stereotypen wiederholen. Dies ist nichts Außergewöhnliches und lässt sich wohl mit dem guten Preis-/Leistungsverhältnis für die Erzeugnisse der niederländischen Fertighausindustrie erklären. Ein Paar mit zwei Kindern, Käufer einer Parzelle in einer neuen Siedlung, wollte jedoch keineswegs den üblichen Weg einschlagen. 

Hans Peter Petri: Wohnhausanlage Nussberggasse in Wien | Nussberggasse Housing Development in Vienna, Austria

Photos: Gerald Zugmann; Text: Matthias Boeckl
Schwieriges Erbe

Eine Luxuswohnanlage in Wiens teuerster Lage stellt erneut die Frage nach dem Umgang mit dem Erbe der Moderne. Immer öfter werden wir uns fragen müssen, wie alternde Schlüsselwerke des 20. Jahrhunderts heute neu genutzt werden können. Und wie man dabei weder wirtschaftliche noch denkmalpflegerische Forderungen vernachlässigt. Der Königsweg führt dabei immer noch über die Architektur – nämlich eine zeitgemäße Neuinterpretation des originalen Baugedankens. 

the next ENTERprise: Seebad Kaltern in Südtirol, Italien | Kaltern Lakeside Baths, Caldaro in South Tyrol, Italy

Photos: Lukas Schaller; Text: Robert Fabach
Landschaft und Körper

Marie Therese Harnoncourt und Ernst J. Fuchs sehen ihre Architektur selbst am liebsten als Landschaften, als offene Systeme von Möglichkeiten, die sich über Multifunktionalität hinaus auf Vorstellungsvarianten und emotionale Exkursionen ausdehnen lassen. Ein Anspruch, der auch daraus deutlich wird, dass sie ihre Projekte stets mit einer medialen Hülle versehen, die wie ein weiteres Fassadenkleid die Wahrnehmung lenken, fassen, färben, manchmal verschleiern will. Das Seebad in Kaltern ist eine solche Landschaft. 

feld72: Winecenter Kaltern in Südtirol, Italien | Kaltern Wine Centre in South Tyrol, Italy

Photos: Hertha Hurnaus; Text: Robert Fabach
Urbane Strategen

Anne Catherine Fleith, Michael Obrist, Mario Paintner, Richard Scheich und Peter Zoderer pflegen ein Arbeitsfeld jenseits von Bauprojekten, in dem sie seit der Gründung ihres Büros 2002 in Form von künstlerisch räumlichen Interventionen und urbanistischen Studien experimentieren und nachdenken: “Toronto-Barbecue” oder “Million Donkey Hotel” titeln die Projekte. Ihr erstes größeres Bauwerk zeigt den Ertrag dieser idealistischen Übungen. Auf subtile und indirekte Weise, denn der kristalline Baukörper an der belebten Durchfahrtsstraße im Weinort Kaltern erreicht über seine Balance von freier Außenform und gestalterischer Disziplin im Detail ein hohes Maß an räumlicher und ortsbaulicher Effektivität. 


Small&Smart

noncon:form, MAGK, synn: Veranstaltungs- und Besucherzentrum Schloss Orth an der Donau, Niederösterreich | Event and Visitors Centre, Schloss Orth an der Donau, Austria

Photos: Rupert Steiner; Text: Matthias Boeckl
Wege durch Natur und Geschichte

Der aktuellen friedvollen Nutzung des naturbelassenen Auwald-Gebiets entlang der Donau zwischen Wien und Bratislava sind recht kriegerische Zeiten vorangegangen. Zur Römerzeit bildete die Donau hier die Grenze zu den unruhigen Germanenstämmen im Norden. Im Mittelalter wurde in Orth an der Donau eine massiv befestigte Wasserburg errichtet, um neue Gefahren aus dem Osten und Norden abzuwehren. Und 1984 fand nicht weit von hier die legendäre Besetzung der Stopfenreuther Au durch Naturschützer statt, die eine geplante Rodung des Urwalds für ein neues Donaukraftwerk verhinderten. Ihr erfolgreicher Widerstand gegen beginnende Polizeigewalt setzte die Umwidmung des ausgedehnten Gebiets in einen Nationalpark in Gang. Doch auch den wollte nicht jeder: Das ursprünglich in Hainburg in einem Projekt von Coop Himmelb(l)au vorgesehene Besucherzentrum des Nationalparks wurde von einer aggressiven Medienkampagne verhindert. Da schlug die Stunde des alten Wasserschlosses Orth, das die Gemeinde nun der Nationalparkgesellschaft als neuen Standort anbot und sich so ihren Anteil am Natur-Tourismus (den Hainburg anscheinend nicht nötig hat) sicherte. Aus einem geladenen Wettbewerb für die Adaptierung des alten Gemäuers gingen noncon:form mit ihren Partnern als Sieger hervor. 

Lindner Architektur: Palais Mollard in Wien

Photos: Pez Hejduk; Text: Matthias Boeckl
Ein Haus für die Globen

Die Österreichische Nationalbibliothek birgt einen schier unendlichen Kontinent an Wissen, das sich beileibe nicht nur in Büchern findet. Jedes andere Medium, das irgendwie geeignet ist, Informationen zu transportieren, wird von der ÖNB (in Millionenstückzahlen) ebenso gesammelt wie das, was man normalerweise in Bibliotheken erwartet. So finden sich in dieser schönsten österreichischen Bildungsinstitution auch so exotische Abteilungen wie jene für Plansprachen (die bekannteste ist Esperanto, eine weniger bekannte Klingonisch), für Globen und (in Wien selbstverständlich) auch eine Musiksammlung. Beim chronischen Geldmangel des öffentlichen Bildungssektors überrascht es nicht, dass gerade solche Abteilungen oft jahrelang auf adäquate Unterbringung warten müssen. Doch der Auszug der niederösterreichischen Landesregierung samt Landesmuseum aus mehreren Palästen neben der Wiener Hofburg, in der die größten Einrichtungen der Nationalbibliothek untergebracht sind, machte es möglich. Einige Gebäude werden nun von der Bundesregierung genutzt. Und jenes Palais, in dem bis 1999 das niederösterreichische Landesmuseum untergebracht war (heute verfügt es in St. Pölten über ein neues Haus von Hans Hollein), wurde nun von Gerhard Lindner und Stephan Seehof für die drei genannten Abteilungen der Nationalbibliothek umgebaut. Schwerpunkte der Adaptierung waren ein neues Doppeltreppenhaus mit färbig durchleuchteten Wänden und natürlich eine komplette Inneneinrichtung für das seltene und wunderbare Material, das hier gezeigt wird: Alleine die mitunter kuriosen Globen aus mehreren Jahrhunderten sind schon eine Reise wert! Neue Lesesäle und repräsentative Veranstaltungsräume haben nun das Barockpalais – auch durch unmittelbare U-Bahnnähe – mit einer zurückhaltenden, intelligenten und praktischen Neugestaltung endgültig an die globale Welt des Wissens angeschlossen.

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