architektur.aktuell 11/2003
henke und schreieck: Parkhotel Hall in Tirol | Parkhotel in Hall in Tirol, Austria
Photos: Bruno Klomfar, Nikolaus Schletterer, Margherita Spiluttini; Text: Bettina Schlorhaufer
Pas de deux
Hall in Tirol feiert die Wiedereröffnung seines traditionsreichen Parkhotels. Der 1930/31 von Lois Welzenbacher realisierte Turmbau wurde zwar schon bald nach seiner Entstehung in den Rang einer Ikone der Moderne gehoben, seiner ursprünglichen architektonischen Raffinesse aber zusehends beraubt. Das heruntergekommene Hotel wurde schließlich 1997 an ein Unternehmen der Gemeinde Hall verkauft. Damals glaubte niemand mehr an eine Revitalisierung als Tourismuseinrichtung. Doch eine Architekten-Initiative zur Rettung des Monuments bewirkte einen Umdenkprozess. Das Denkmal wurde nun von henke und schreieck saniert und mit einem zweiten turmartigen Baukörper verbunden.
eichinger oder knechtl: Neugestaltung Kloster Und, Krems | Redesign of the former Und Monastery, Krems, Austria
Photos: Michael Stelzhammer; Text: Matthias Boeckl
Zweckallianzen des Schönen
Was der Raiffeisenkonzern anpackt, das macht er ganz. Diese Maxime galt schon immer als Markenzeichen des grünen Riesen im Bereich der Landwirtschaft, des Bankings und der Immobilienwirtschaft. Die unschlagbare Verwurzelung der Politik dieses genossenschaftlich organisierten und regional strukturierten Wirtschaftsimperiums führte dabei oft zur direkten Umsetzung lokaler Bauwünsche ohne langes Federlesen oder übertriebene kulturelle Sensibilität. Mit der Neugestaltung des Klosters Und in Krems, das 2002 von der Raiffeisen-Holding Wien-Niederösterreich erworben wurde, scheint nun dieser Bauherr, der nicht zuletzt auch Eigentümer des Loos-Hauses am Wiener Michaelerplatz ist, neue Wege zu gehen.
Steven Holl: Loisium in Langenlois, Niederösterreich | Loisium in Langenlois, Austria
Photos: Margherita Spiluttini; Text: Matthias Boeckl
Der Weinwürfel
“Globalisierung” umschreibt nur unscharf, worum es bei diesem Tourismusprojekt geht: Es ist das Ergebnis einer Reihe strategischer Planungen, innerhalb derer der “Star-Architekt” nur eine eng umrissene Funktion zugewiesen erhält. Dennoch: Das Besucherzentrum “Loisium” funktioniert nicht nur als Eingangsportal einer unterirdischen “Erlebniswelt” zum Thema Wein, sondern auch als Bau mit hohen künstlerischen und technischen Ansprüchen.
Essay
Effizienz und Inszenierung, Kultur und Ökonomie – Weinbau-Architektur in Österreich – eine kleine Anthologie | Efficiency and Staging, Culture and Economy – Wineries in Austria – A Short Anthology
Text: Ursula Graf
“Von nun an wird das Gespräch über Architektur für die Menschen so interessant sein wie das über den Geschmack von Wein”, verkündete Daniel Liebeskind anlässlich der Präsentation des Entwurfes für das neue World Trade Center am 27. Februar 2003. Seit 1998 Herzog & de Meuron das Napa Valley mit dem Dominus Weingut um eine architektonische Sensation europäischen Zuschnitts bereicherten, ist die Bauaufgabe Weingut zum Rang von Museumsbauten aufgestiegen und alles um den Wein herum ins Vokabular der Stararchitekten mit Begeisterung aufgenommen worden. So verglich jüngst Farshid Moussavi von FOA (foreign office architects) bei einem Vortrag ihre Arbeitsweise mit “Winemaking”, adressiert an die “Großen” und “Eigenwilligen” aus dem Napa Valley. Österreich verfügt über eine jahrhundertealte Weintradition, die sich bis in die Römerzeit und weiter zurück verfolgen lässt. Das vorwiegend intakte bauliche Erbe in Form von bescheidenen, beschaulichen Kellergassen mit ihren unterschiedlichen Presshäusern und Kellern prägen die Kulturlandschaften der österreichischen Weinbaugebiete. 32.000 Weinbaubetriebe (viele davon im Nebenerwerb) produzieren auf ca. 48.000 Hektar durchschnittlich 2,5 Mio. Hektoliter Wein (Frankreich durchschnittlich 60 Mio Hektoliter auf 914.000 Hektar). Nur 2.500 Betriebe besitzen eine Weingartenfläche von 5 Hektar oder mehr. Diese kleinbetriebliche Strukturierung spiegelt sich auch in der Dimension der Bauvorhaben, die mit Neubauten anderenorts nicht konkurrieren können und wollen. Man denke nur an die von Santiago Calatrava für Ysios oder Rafael Moneo für Seniorio de Arinzano im Rioja errichteten Kellereibauten. Qualität vor Quantität lautet das Credo der Österreichischen Weinwirtschaft und diese Anforderung gilt auch für die Architektur, die von jungen Bauherren und jungen Architekten in gleicher Weise geprägt ist. Von einigen Ausrutschern abgesehen, hat sich in letzter Zeit hier eine sehr spezifische Architektursprache entwickelt, die ohne Anbiederung an traditionelle Typen anschließt. Frei von historisierenden Reminiszenzen wurde die ursprünglich intime Kellerarchitektur vielerorts zur imposanten Produktionsstätte.
Amplatz & Biadene: Freiraumgestaltung zum Kulturzentrum Grand Hotel Toblach und KunstRaum Café Mitterhofer in Innichen, Südtirol | Design of Outdoor Space for the Grand Hotel Cultural Centre in Toblach and Café Mitterhofer, KunstRaum in Innichen, Italy
Photos: Paolo Biadene; Text: Roland Gruber/noncon:form
Grüne Wellenberge
Die Wiener Südbahngesellschaft errichtete nicht nur Schienenanlagen, sondern neben den bekannten Hotels am Semmering auch weitere markante Objekte entlang der Bahnstrecke. Eines davon ist das Grand Hotel mit einem großzügigen Park in Toblach in Südtirol, erbaut 1877/78. Nach mehreren Erweiterungen ging der Gebäudekomplex 1974 in den Besitz der Autonomen Provinz Bozen über, die ab 1992 verschiedene Architekten mit der Sanierung für eine durchmischte Zweckbestimmung beauftragte. Heute sind dort eine Musikschule mit Konzertsaal – zu Ehren Gustav Mahlers, der seinerzeit im Ort dreimal seine Sommerfrische verbrachte und dort “Das Lied von der Erde” komponierte – ein Naturparkhaus, eine Jugendherberge und das bereits seit der Zwischenkriegszeit ansässige Hilfswerk untergebracht.
Georg W. Reinberg: Firmengebäude B!OTOP in Klosterneuburg, Niederösterreich | B!OTOP Company Building in Klosterneuburg, Austria
Photos: Rupert Steiner; Text: Matthias Boeckl
Der Name verpflichtet
Schon oft hat Georg W. Reinberg bewiesen, dass zeitgenössische “ökologische” Architektur heute ein High-Tech-Projekt ist. Mit dem Unternehmenszweck von “B!OTOP” hat sich ein idealer Bauherr eingefunden, dessen Philosophie fast deckungsgleich mit Reinbergs Ehrgeiz ist, technische, ästhetische und ökologische Forderungen auf der Höhe der Zeit zu realisieren.
Christian Matt: Einfamilienhaus in Bregenz, Vorarlberg | Single-family House in Bregenz, Austria
Photos: Bruno Klomfar; Text: Robert Fabach
Angry Young Man
Ursprünglich als Dachausbau eines gepflegten Bürgerhauses konzipiert, hat sich der Entwurf einer Wohnung schließlich aus seiner “honorigen” Hülle befreit und auf die verbliebene, schmale Gartenfläche gestülpt. Diese Umkehrung spiegelt sich auch vermeintlich in den nach innen geschuppten und unbehandelten Fassadenplatten. Eine gläserne Verbindungsbrücke im obersten Geschoß zeugt noch als verbliebene Nabelschnur von diesem Prozess.
Small&Smart
Franz Berzl, Gustav Deutsch: Camera Obscura auf Ägina, Griechenland | Camera Obscura Building, Aegina, Greece
Photos: Franz Berzl, Gustav Deutsch; Text: Matthias Boeckl
Das Panorama und die Camera Obscura – diese zwei historischen Bildmedien sind heute fast in Vergessenheit geraten. Dabei eignen sie sich vorzüglich, neue Sichtweisen auf unsere Lebenswelt zu gewinnen. Im digitalen, hektischen Reisezeitalter sind sowieso Kontemplation und Entschleunigung angesagt. Die “Aegina Akademie” für Kunst und Wissenschaft auf der gleichnamigen griechischen Insel widmet sich derlei Themen und hat zu ihrer Illustration bei Franz Berzl und Gustav Deutsch einen interessanten technischen Hybrid bestellt: Durch zwölf winzige Öffnungen in der Außenwand wird Licht von außen in den Zylinder geholt und auf eine von der Decke abgehängte, parallel zur Außenwand gespannte Leinwand (am Kopf stehend) projiziert. Nicht nur die kopfstehende Welt, auch das Zugangsritual durch eine Schleuse zur Außenwelt (im 19. Jahrhundert waren das noch regelrechte Tunnels, aus denen man auf eine Aussichtsplattform inmitten des Bildes emporstieg) vermitteln das Gefühl einer anderen Welt, die aber doch noch die unsere ist.