Architektur im Ringturm

Albanien - Bauen im politischen Kontext der Jahrzehnte

Historisches Nationalmuseum, Tirana 1981 von den Architekten Sokrat Mosko, Enver Faja, Nina Shehu, Petraq Kolevica Photo A. Q. T. N - Arkiva

Als Kurator der Reihe „Architektur im Ringturm“ holt Adolph Stiller bei freiem Eintritt regelmäßig die Architektur eines anderen Landes der Ränder Europas vor den Vorhang. Zum zweiten Mal wird nun ein Überblick über die vielfältige Baukultur Albaniens geboten, die stark von politischen Strömungen geprägt ist. Derzeit spiegelt sich in der Architektur im „unbekannten Land der Skipetaren“ die seit dem Niedergang des Kommunismus herrschende Transition.

Das Jahr 1913 markiert für Albanien einen wesentlichen Schritt: Damals wurde Albanien vom Osmanischen Reich unabhängig. Anfang 1920 wurde Tirana zur Hauptstadt erklärt, die Verbindungen zur Habsburger Monarchie waren intensiv, einige Architekturschaffende studierten in Wien, andere gingen von Österreich nach Albanien. So unterstützte der österreichische Architekt Wolfgang Köhler die Standortsuche und den Entwurf des ersten albanischen Parlamentsgebäudes, das zwischen 1925 und 1939 das albanische Parlament beherbergte. Am 7. April 1939 landeten italienische Truppen in Albanien und besetzten rasch die südlichen Landesteile: König Zog, der seit 1928 an der Macht war, floh nach Griechenland.

Das Parlamentsgebäude in Tirana, das von 1910 - 1920 errichtet wurde, stammt vom österreichischen Architekten Wolfgang Köhler Photo A.Q.T.N - Arkiva Qendrore Teknike e Ndertimit

Das Parlamentsgebäude in Tirana, das von 1910 - 1920 errichtet wurde, stammt vom österreichischen Architekten Wolfgang Köhler   Photo A.Q.T.N - Arkiva Qendrore Teknike e Ndertimit

Damit begann die faschistische Ära im Land, die sich architektonisch im „Stile Littorio“ niederschlug. Diesen charakterisieren die Verwendung einer vereinfachten, klassizistischen Formensprache, Marmor- und Travertinverkleidungen, sowie das Verwenden von Flach-Reliefs an den Fassaden und die Gestaltung von Plätzen mit Statuen. Architekt Armando Brasini sollte einen Generalplan für die neue Hauptstadt Tirana entwickeln, er verfolgte die Idee eines großen, von Norden nach Süden verlaufenden Boulevards. Nach 1939 übernahm Architekt Gherardo Bosio den Entwurf eines Generalregulierungsplans von Tirana, der die Achse von Brasini übernimmt und auch den monumentalen Skanderbeg-Platz, der bis heute das Zentrum von Tirana prägt. Bosio richtete außerdem in Tirana 1939 ein „Zentralbüro für Bauwesen und Stadtplanung“ ein. Auf dieses geht der Plan für Tirana zurück, dessen wichtigste Teile die Herrscherpromenade, die Viktor-Emanuel-Promenade, die Mussolini-Promenade und die Principe di Piemonte-Promenade bilden. Diese Promenaden wurden von öffentlichen Gebäuden flankiert und von Plätzen unterbrochen. Einige davon – wie beispielsweise die „Casa del Fascio“, heute die Technische Universiät und die Kunstakademie – sind auch von Gherardo Bosio geplant. Gemeinsam mit Ferndinando Poggi plante Bosio auch den Amtssitz des Premierministers und das Stadion.

Die Ausstellung „Albanien – Bauen im politischen Kontext der Jahrzehnte“ wurde von Adolph Stiller in wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe der Polis der University in Tirana kuratiert, bei der Pressekonferenz waren auch Sotir Dhamo, Besnik Aliaj und Saimir Kristo aus Albanien vor Ort. Sie erzählten, dass viele Bauten aus der kommunistischen Zeit nun gegen den Verfall anzukämpfen haben und auch die Zukunft von Enver Hoxhas „Pyramide“ höchst ungewiss ist. Bewusst habe man auch neueste Entwicklungen wie die Gestaltung des Skanderbeg-Platzes durch das Studio 51n4e, die bereits in der letzten Ausstellung über Albanien präsentiert worden war und auch die Haus-Bemalungen des früheren Pop-Star-Bürgermeisters Edi Rama ausgeklammert. Der Fokus lag diesmal darauf, eine kontinuierliche Entwicklungslinie aus der Vergangenheit auf zu zeigen.

Ikone des internationalen Stils in Albanien: Parteischule W. I. Lenin, Tirana, 1969-1971, geplant von ARchitekt Koco Comi Photo: A.Q.T.N. - Arkiva Qendore Teknike e Ndertimit POLIS University, Saimir Krist

Ikone des internationalen Stils in Albanien: Parteischule W. I. Lenin, Tirana, 1969-1971, geplant von ARchitekt Koco Comi    Photo: A.Q.T.N. - Arkiva Qendore Teknike e Ndertimit POLIS University, Saimir Krist

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Albanien kommunistisch: Viele junge Architekten studierten in Moskau, viele Stadtplaner und andere Fachleute kamen aus der Sowjetunion, wie in anderen Teilen des ehemaligen Ostblocks entstanden auch in Albanien viele Infrastrukturbauten, Fabriksanlagen, soziale Wohnblöcke und Kulturhäuser. Bevor Enver Hodscha, Vorsitzender der kommunistischen Partei Albaniens, das Land eng an die stalinistische Sowjetunion heranführte und zum Diktator aufstieg, paktierte Albanien bis 1948 mit dem kommunistischen Jugoslawien. In der Zeit danach wurden vor allem sowjetische Vorbilder übernommen. Auch die Stadt Tirana wurde einem neuen Generalregulierungsplan unterworfen, der vom Staatlichen Stadtplanungsamt des Bauministeriums erarbeitet und in Teamwork vom albanischen Architekten Misto Mele und seinem bulgarischen Kollegen Dimo Angjellov verfasst wurde. Dem Stadtbild hinterließ diese Epoche den Kulturpalast in Tirana, der von Eqerem Dobi, Anton Lufi, Sokrat Mosko und Besim Daja entworfen worden war. Eine prägende Architektenpersönlichkeit dieser Jahre war auch Skender Kristo Luarasi: aus seiner Feder stammte beispielsweise der riesige Wohnblock „Agimi“ aus dem Baujahr 1954, der mit einer eklektizistischen Fassade voller unterschiedlicher Zitate wie Tempelfriese, Kolossalsäulen, Rundbögen und Erkern sehr russisch und volksnah anmutet. Derselbe Architekt plante auch das Krankenhaus in Gjirokastra und ein dortiges Hotel. Skender Kristo Luarasi plante auch das Stalin-Textilkombinat, das sich auf einem 25 ha großen Gelände im Yzberisht-Tal befand. Fünf Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, war es das größte Industrieunternehmen Albaniens, in dem Anfang 1953 bereits 2200 Menschen arbeiteten.

Der Kulturpalast in Tirana aus dem Baujahr 1960 wurde von den Architekten Eqerem Dobi, Anton Lufi und Sokrat Mosko geplant Photo: A.Q.T.N - Arhiva Qendrore teknike e Ndertimit POLIS University - Sonia Jojic, Imelda Nasja

Der Kulturpalast in Tirana aus dem Baujahr 1960 wurde von den Architekten Eqerem Dobi, Anton Lufi und Sokrat Mosko geplant   Photo: A.Q.T.N - Arhiva Qendrore teknike e Ndertimit POLIS University - Sonia Jojic, Imelda Nasja

Ein für albanische Verhältnisse elaboriertes Meisterwerk der Nachkriegsmoderne ist das Hotel Turizmi aus dem Baujahr 1970 von Architektin Valentina Pistoli, die trotz einer darnieder liegenden Wirtschaft um funktionale Perfektion kämpfte. Das Hotel besticht mit einer wunderschön aus vertikalen und horizontalen Modulen komponierten, mäandrierenden Fassadenornamentik und einer sehr eleganten städtebaulichen Setzung: über einem fast quadratischen, zweigeschossigen Sockelbauwerk mit Geschäften, Lobby und Innenhof, am dem Café und Restaurant angelagert sind, ragt die elegante Hotelscheibe mit den Zimmern auf. Eine monumentale Wendeltreppe in den zweiten Stock betont den öffentlichen Charakter dieses Hotels, in dessen Sockel sich einheimische mit internationalen Gästen ganz selbstverständlich mischten. Sehr schön und eigenständig modern ist bezeichnenderweise auch die Parteischule Wladimir Iljitsch Lenin vom albanischen Architekten Koco Comi, die zwischen 1969-71 errichtet wurde. Ihm gelang es, ausgerechnet diese Bauaufgabe in der Formensprache des Internationalen Stils zu lösen. Die Parteischule ist aus modularen Elementen entwickelt und besticht mit einer wohl proportionierten, intelligent geplanten Fassade, deren tiefen, modularen, die Fenster rahmenden, beschattenden Elemente auch in den Klassen ein angenehmes Klima garantieren. Sie ist längst eine Ikone des internationalen Stils in Albanien.

Die Pyramide - Enver Hodscha Museum in Tirana, 1987. Geplant von den Architekten Klement Kolaneci, Pirro vaso, Pranvera Hoxha und Vladimir Bregu Photo: Haller & Haller

Die Pyramide - Enver Hodscha Museum in Tirana, 1987. Geplant von den Architekten Klement Kolaneci, Pirro vaso, Pranvera Hoxha und Vladimir Bregu   Photo: Haller & Haller

Ein weiteres albanisches Phänomen sind die etwa 170.000 Bunker, die in Stadt und Land überall auf dem Staatsgebiet errichtet wurden, um gegen künftige Invasionen gewappnet zu sein. Im Jahr 1967 rief Enver Hodscha, der als treuer Anhänger Stalins mit der unter Chrustschow reformierten Sowjetunion gebrochen hatte, den „ersten atheistischen Staat“ aus. In seinem Versuch, Albanien zur Nation zu formen, löschte er auch möglichst viele Zeugnisse der Geschichte aus und zerstörte viele Viertel der Altstädte von Tirana und Skhodra aus. Dafür wurde 1987 von Klement Kolaneci, Pirro Vaso, Pranvera Hoxha, der Tochter des Diktators und Vladimir Bregu die Pyramide geplant – ein riesiges Gebäude, das als künftiges Museum für Enver Hoxha gedacht war. Nach dessen Tod im Jahr 1985 hielt sich auch die Diktatur nicht mehr lang. 1990 wurde das kommunistische Regime gestürzt, seither befinden sich Albaniens Städte in einem ständigen Prozess der Transformation.

Die Ausstellung „Albanien – Bauen im politischen Kontext der Jahrzehnte“ ist noch von Montag bis Freitag zwischen 09:00 und 18:00 bei freiem Eintritt bis 22. November 2019 im Ausstellungszentrum im Ringturm am Schottenring 30, 1010 Wien zu sehen.

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