Bereicherung für die Stadt
Das Eckhaus an der Einmündung der Krotenthallergasse in die Skodagasse wurde von Architekt Leopold Fuchs geplant und 1905 erbaut. Seine Fassade war von einem Bombentreffer im zweiten Weltkrieg stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Architektin Monika Zacherl hat sie nun saniert und neu gestaltet.
Die Fenster sind die Augen eines Hauses, die Fassade sein Gesicht, sagt man. Das Eckhaus an der Einmündung der Krotenthallergasse in die Skodagasse hatte schon bessere Zeiten gesehen: Der Straßenstaub und die Jahrzehnte hatten seine Fassade in ein langweiliges, dumpfes Braungrau eingefärbt, sein ursprüngliches Ornament hatte es schon viel früher verloren. Es war bei einem Bombentreffer im zweiten Weltkrieg schräg gegenüber fast komplett zerstört worden, als einzige Gliederung verblieb eine horizontal verlaufende Fuge in der Höhe der Geschossdecken.
Immerhin aber hatte das Haus noch seine schönen, originalen Holzfenster aus dem frühen Jugendstil in ihren eleganten Proportionen. Seine Augen waren zwar etwas staubgetrübt, hatten aber ihr Potential zu strahlen, noch gewahrt. Seine Gesichtshaut aber – die Fassade – wirkte fahl und schlaff. Die Besitzer des Gebäudes, dessen Wohnungen allesamt vermietet werden, sind höchst kultivierte, stilbewusste Menschen: Ihnen war das Erscheinungsbild ihres Hauses alles andere als gleichgültig. Immerhin befindet es sich ja an einem prominenten Eck in der Wiener Josefstadt. Architektin Monika Zacherl wurde mit der Sanierung der Fassade beauftragt:
Sie betrieb als erstes Urkundenforschung. Eine einzige Zeichnung der ursprünglichen Straßenfassade von Architekt Leopold Fuchs, der in Wien mehrere Zinshäuser errichtet hatte, ließ sich finden: Diese zeigte eine Dachlösung in bester Gründerzeitmanier, die Fassadengliederung aber wies schon deutliche Ornamente und Motive des Jugendstils auf: Stilisierte Kränze, Bienen und Blumen zierten in Reihen jeweils ein Fensterpaar, der Übergang zum Eck war mit einer Fensterreihe in weißen Putzflächen etwas luftiger gestaltet.
„Es war die einzige Zeichnung, die wir von dem Haus haben“, sagt Architektin Monika Zacherl. „Es war klar, dass wir alle Fenster sanieren, neu dichten und mit Fensterfaschen einrahmen werden. Ich hatte etwas Angst vor einer ganz glatten Fassade, wollte aber auch die historische Fassade nicht kopieren.“ Dazu war die einzig erhaltene Zeichnung zu ungenau, außerdem wollte Zacherl nicht einfach eine alte Lösung wiederholen, sondern eine angemessene, zeitgemäße Gestaltungsmöglichkeit finden, die dem Charakter des Hauses entsprach. Sie begann also, die Ornamente aus der historischen Zeichnung heraus zu zoomen, etwas zu vereinfachen und in reduzierter Form auf der Fassade anzuordnen. „Wir haben zig Varianten für unterschiedliche Hintergründe und Reliefwirkungen untersucht und ausprobiert.“
Gemeinsam mit der Firma Sto entwickelten zacherl-architetken eine Methode, um die Platten unter dem 3,5 cm starken Dickputz so vorfräsen konnte, dass sich feine, reliefartige Ornamentstrukturen darin abzeichnen. „Wir haben uns eine Struktur überlegt, die das Erdgeschoss zoniert“, so Architektin Monika Zacherl. Sie abstrahierte und vereinfachte verschiedene Motive aus der originalen Zeichnung der Straßenfassade und verteilte diese Elemente dann ausgewogen auf der Fassade. „Uns war wichtig, die Geschichte mit dem zu überlagern, was heute ist“, erklärt Zacherl. „Außerdem wollten wir eine gewisse verspielte Leichtigkeit erzielen. Es war ein permanentes Probieren.“
Sehr elegant wirkt beispielsweise das abgerundete Eck des Hauses, das durch die Fuge über dem Erdgeschoss noch betont wird. Dem Erker hingegen verleihen Scheinkonsolen aus Putz einen symbolischen Mehrwert. Seiner Kante verleiht ein Ornament neben dem Fenster im ersten Stock mehr Bedeutung, das sich aber daneben an der Hausmauer fort setzt und so die beiden Elemente verbindet. Das Erdgeschoss weist kein gründerzeitliches Rustika-Gestein auf, sondern ist durch wesentlich leichtere, horizontale Linien, die aber doch die Struktur einer Ziegelschar andeuten, vom Rest des Hauses unterschieden und gegliedert. „Wir wollten eine Ornamentik entwickeln, die ein fast textile Struktur entwickelt und so wirkt, als ob man sie auch weglassen könnte“, so Monika Zacherl.
Die abstrahierten Jugendstilornamente, die sich zwischen und über Fenstern im zweiten und dritten Stock finden, wirken sehr fein und zart. Die horizontalen Linien, die auch sie in die Fassade einbetten, laufen an den Rändern kaum merkbar in den weißen Putz aus. Je nach Tageslichteinfall wirft diese reliefartige Struktur unterschiedlich starke Schatten. Von der prallen Mittagssonne beschienen, werden ihre dunklen Konturen deutlich sichtbar, in der Dämmerung hingegen scheint sie beinahe zu verschwinden. In jedem Fall aber harmonieren sie wunderbar mit den historischen Fassaden ihrer Nachbarn aus Gründerzeit und Jugendstil.
Der sensibel-dezenten Gestaltung dieser Fassade sieht man deutlich an, wie viel Sorgfalt in sie geflossen ist. Sie changiert behutsam zwischen Kunst und Denkmalpflege, spielt mit der Formensprache des Jugendstil, ist aber in ihrer Machart und dem Umgang mit dem Ornament eindeutig der Gegenwart zuzuordnen. Sie drängt sich nicht auf, bereichert aber das Haus geschmackssicher um eine weitere facettenreiche Schicht, nämlich eine heutige Interpretation von ornamentalem Dekor. Die sparsam eingesetzten abstrahierten Muster von Monika Zacherl sind natürlich ständig da, aber nicht immer sofort zu sehen und auch bei schlechten Lichtverhältnissen nicht gleich und auch nicht vollständig zu erkennen. Sie geben dem Stadtflaneur etwas zu entdecken und schulen den Blick. Eine Art von Wahrnehmung, die in unserer hektischen Gegenwart fast wie ein anachronistischer Luxus erscheint und doch so notwendig und essentiell ist. Denn gerade Entdeckungen wie diese machen eine Stadt erst lebenswert. Ein Haus, dessen Fassade solche Erkundungen ermöglicht, ist ganz sicher eine Bereicherung für sein Quartier.
zacherl-architekten
Castellezgasse 36-38
1020 Wien
Österreich