Black Box Zukunft

Der Wiener Stadtentwicklungsplan STEP 2035 war lange erwartet worden. Kurz vor der Wahl wurde er beschlossen und trägt den Titel „Wien-Plan“. Inhaltlich weist einiges in die richtige Richtung, doch die Entstehungsgeschichte dieses wichtigen Strategieplans für die Zweimillionenstadt war von Intransparenz geprägt. Bürger:innen und die Fachleute blieben weitgehend außen vor. Diese für Wiens Stadtplanungsressort leider typische panische Angst vor Öffentlichkeit sorgte zu Recht für Unmut. Andere Städte wie München zeigen, wie es besser geht.
Text: Maik Novotny
Alle zehn Jahre beschließt die Stadt Wien ihren Stadtentwicklungsplan, der die Ziele für die kommenden Jahre festlegt. Der letzte, der STEP 2025, wurde im Juni 2014 von der damals rot-grünen Stadtregierung beschlossen. Damals standen noch Digitalisierung und Smart-City-Strategien ganz weit oben auf der Wunschliste, heute zählen andere Prioritäten. Wien hat die Zwei-Millionen-Einwohner-Grenze überschritten, die erforderliche Bauwende hin zur Sanierung und Reparatur, die Energiewende und die Dringlichkeit der Klimakatastrophe mit zunehmenden Hitzesommern haben für neue Rahmenbedingungen gesorgt. Die Stadt Wien hat darauf bereits mit der Dekarbonisierungs- Strategie „Raus aus Gas“ und dem Klimafahrplan reagiert. „Im Fokus des STEP 2035 stehen der Klimawandel, dessen längst auch in Wien spürbare Auswirkungen, die Strategien zur Bekämpfung der Klimakrise und Anpassungs-Mechanismen in allen Bereichen. Wir müssen die Stadtplanung ganz neu denken“, so Planungsstadträtin Ulli Sima beim Start für den STEP 2035 im Juni 2021.
Verschlankt und geheim Auf das Ergebnis wartete die Fachöffentlichkeit also mit steigender Neugier. Viel erfuhr man im Vorfeld allerdings nicht. Im Grunde erfuhr man sogar gar nichts. Weder den Inhalt, noch den Zeitpunkt des Beschlusses. „Verschlankt“ werde er wohl sicher im Vergleich zu seinem Vorgänger hieß es aus dem Rathaus, gleichzeitig würden die bislang separaten sieben Fachkonzepte (wie Produktive Stadt oder Grün- und Freiraum) nun in den STEP integriert. Mehr erfuhr man nicht. Der STEP war Wiens bestgehütetes Geheimnis, die Zukunft eine Black Box.
Am 6. März dieses Jahres war es schließlich so weit. Bei einer Pressekonferenz wurde der STEP 2035 zwar immer noch nicht präsentiert, aber immerhin mehr oder weniger mit wohlklingenden Worten umschrieben. Er solle nun „WienPlan“ heißen, es würde neue „Gartenstraßen“ und „Beserlparks XL“ geben, das Klima stehe an erster Stelle, die Stadtentwicklung werde auf die bereits geplanten Gebiete wie Rothneusiedl und Nordwestbahnhof begrenzt, weiterer Grünraum werde nicht beansprucht. Dazu hielten der Bürgermeister und die Planungsstadträtin eine Tafel mit acht hübschen bunten Fotos in die Höhe. Die Black Box blieb jedoch weiterhin verschlossen. Erst in der letzten Gemeinderatssitzung unmittelbar vor der Wien-Wahl wurde der STEP von der „alten“ Stadtregierung endlich – und planungsgemäß übertönt vom Wahlkampfrauschen – beschlossen. Verschlankt wurde der STEP, wie angekündigt, in der Tat. Umfasste der bisherige inklusive Fachkonzepte noch stolze 883 Seiten, sind es nun weniger als 200. Die Wiener Grünen kritisierten dies bereits als Verwässerung und Unverbindlichkeit. Für eine Stadt, die einen eigenen Masterplan Partizipation beschlossen hat, ist dieser Mangel an Transparenz bedauerlich. Für ein Stadtplanungsressort, das sich immer wieder durch eine Furcht vor Öffentlichkeit auszeichnet und mit Steuergeld finanzierte Studien wie jene zum „Supergrätzl“ Volkertviertel erst nach Gerichtsurteil herausrückt, ist es leider nicht überraschend.
Lobau-Autobahn oder Klimaschutz? Ähnlich wie bei jener Studie fragt man sich auch beim neuen „Wien-Plan“, welchen Grund es für diese Ängste gegeben haben mag, denn der Inhalt ist nur bedingt kontrovers. Am ehesten dürfte noch der mehr oder weniger explizit formulierte Wunsch nach der Lobau- Autobahn und S1-Spange („infrastrukturelle Maßnahmen des Bundes“) in diese Kategorie fallen, zumal dies den ambitioniert formulierten Klima-Zielen widerspricht. Dass hier die Dringlichkeit erkannt wurde, ist zweifellos der positivste Aspekt des „Wien-Plans“, vom Problem der sommerlichen Überhitzung in dicht bebauten Gebieten bis zur wichtigen Differenzierung zwischen Klimaschutz und Klimawandelanpassung. Auch bei der Stadtentwicklung lohnt sich der Blick ins Kleingedruckte. Hatte Planungsdirektor Thomas Madreiter in der Pressekonferenz im März noch bildhaft angekündigt, man werde künftig „keine neuen Grünräume mehr anpatzen“ und sich auf bereits beschlossene Entwicklungsgebiete beschränken (was weniger ambitioniert ist, als es klingt, da man mit den Gebieten Rothneusiedl und Nordwestbahnhof ohnehin bis 2035 beschäftigt sein wird), verweist eine Ausnahmeklausel im STEP darauf, dass diese Regel nicht mehr gilt, sollte Wien die 2,2-Millionen-Einwohner-Grenze überschreiten, was den Prognosen von Statistik Austria zufolge auch ziemlich sicher passieren wird...
Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 4-5/2025. Der Volltext ist ab Seite 76 zu finden.