Media Review 01-02/2020

Deutsche Architekten

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Auch in Deutschland nimmt unter ArchitektInnen eine Tendenz zu: Die junge Generation entdeckt die Leistungen ihrer VorgängerInnen auf neue Weise, ganz nach dem Diktum von Friedrich Achleitner: „Von uns verachtet, von unseren Kindern gelobt“. Ein typisches Beispiel ist die anhaltende Faszination für brutalistische Bauten der Nachkriegsmoderne. Neue Publikationen behandeln das Bauhaus und die Architektur des Wirtschaftswunders, andere widmen sich dem aktuellen wie historischen Diskurs.


 

 

Im abgelaufenen Jubiläumsjahr des Bauhauses wurde viel publiziert, darunter auch mancher Unsinn. Grotesk etwa, dass sogar expressionistische Architektur mit dem Bauhaus-Label versehen wurde – also genau die Gegenposition zu der Lehre, wie sie vor allem in Dessau gepflegt wurde. Geradezu ein Schurkenstück ist die Gropius-Biographie eines fachfremden Autors, der den Erfinder des Bauhauses mit Mutmaßungen als bloßen „Hochstapler“ entlarven will. Doch es gibt einen Lichtblick: das Buch Walter Gropius – Architekt der Moderne  von Winfried Nerdinger. Der Münchner Architekturhistoriker schöpft nämlich aus den Quellen, das Gütesiegel seiner Forschung ist das Kürzel GA für das Gropius Archiv, das er konsequent ausgewertet hat. Nerdinger schildert das teilweise skurrile Leben eines Mannes, der mehr Manager und Propagandist der Moderne war als entwerfender Architekt. Besonders spannend ist das Kapitel, wie es Gropius gelang, das Bild der Moderne in der Öffentlichkeit auf seine Position zu verengen. Nerdinger spart nicht mit berechtigter Kritik, sein Resümee aber lautet: „Dass Walter Gropius die Weltarchitektur mit dem Faguswerk und dem Bauhausgebäude bereicherte und dass er mit dem Bauhaus eine Schule begründete, die zum Stilbegriff für eine ganze Epoche wurde, dieser Ruhm kann ihm nicht genommen werden.“

Winfried Nerdinger
Walter Gropius, Architekt der Moderne
423 Seiten, Text deutsch, C.H.Beck, € 28,00

Walter Gropius Buch

 

Egon Eiermann hat die Architektur des deutschen Wirtschaftswunders geprägt wie kein anderer. Von ihm stammen Verwaltungsbauten und Fabriken, aber auch das Bonner Abgeordnetenhochhaus, die Gedächtniskirche in Berlin und – zusammen mit Sep Ruf – der Deutsche Pavillon auf der Weltausstellung 1958 in Brüssel. Eiermann war im damaligen Deutschland der Protagonist des neuen Bauens mit Stahl und Glas. Einem seiner Hauptwerke gilt der großzügig gestaltete Bildband Egon Eiermann – Deutsche Olivetti Frankfurt am Main in der Buchreihe des Architekturfotografen Klaus Kinold. Den Text, der die meisterhaften Aufnahmen begleitet, hat Wolfgang Pehnt geschrieben: Zum einen erläutert er die strengen Entwurfsprinzipien von Eiermann und zum anderen ordnet er das Frankfurter Gebäude in den Kulturkosmos der weltweit tätigen Firma Olivetti ein, die schon seit den späten 1930er Jahren die jeweils besten Architekten in den einzelnen Ländern beauftragt hatte.

Wolfgang Pehnt (Hrg.), Klaus Kinold (Fotograf)
Egon Eiermann, Deutsche Olivetti. Frankfurt am Main
72 Seiten, Text deutsch/englisch, Hirmer Verlag, € 35,00

Egon Eiermann Buch

 

Zu den profilierten Architekten der jüngeren Generation gehören die Brüder Christian und Peter Brückner. Ihr Büro arbeitet vor allem in Nordbayern, wo sie ausgehend von ihrer Heimatregion Oberpfalz immer wieder für eine im Wortsinn innovative Baukultur sorgen. Nach zahlreichen Projekten, die europaweit publiziert wurden (auch in architektur.aktuell), und prominenten Auszeichnungen haben sich die beiden Brüder mit dem Band Wurzeln und Flügel selbst beschenkt. Auch weil es auf Pläne absichtlich verzichtet, ist es ein außergewöhnliches Architekturbuch. Vorbildlich sind nicht nur die ideenreiche Gestaltung und die Qualität der Abbildungen. Enrico Santifaller und weiteren Autoren gelingt es, die heimischen Wurzeln der Architekten wie auch ihre beflügelten Entwürfe auf poetische Weise lebendig werden zu lassen. Es ist ein Genuss, diesen wichtigen Vertretern der dritten Moderne in Bild und Wort zu begegnen.

Brückner & Brückner Architekten (Hrg.)
Wurzeln und Flügel
424 Seiten, Text deutsch, Birkhäuser, € 69,95

Wurzeln und Flügel Buch

 

Die Architekten Ansgar und Benedikt Schulz sind durch die Kirche St. Trinitatis in Leipzig bekannt geworden, den größten und baukulturell bedeutendsten sakralen Neubau auf dem Gebiet der früheren DDR. Ihre intensive Auseinandersetzung mit dem modernen Kirchenbau war der Anlass für die kollegiale Gesprächsreihe Religion und Stadt. Positionen zum zeitgenössischen Sakralbau in Deutschland. Mit Wilfried Kühn diskutierten sie über den Entwurf des „House of One“ in Berlin, bei dem die drei monotheistischen Religionen in einem Gebäude zusammengeführt werden sollen. Mit Josef Haberland sprachen sie über die Neue Synagoge in Potsdam sowie mit dem kürzlich früh verstorbenen Architekten Andreas Meck über den katholischen Kirchenbau. Am Ende des so schmalen wie schönen Bandes steht das Gespräch mit Paul Böhm über die monumentale Zentralmoschee in Köln.

Ansgar und Benedikt Schulz (Hrg.)
Religion und Stadt. Positionen zum zeitgenössischen Sakralbau in Deutschland
96 Seiten, Text deutsch, jovis, € 28,00

Religion und Stadt Buch

 

Deutsche Architekten beteiligen sich auch heutzutage am internationalen Austausch. Ein Zeugnis dafür ist die Dokumentation der Veranstaltungsreihe Architects on Architects an der TU München. BaumeisterInnen unserer Zeit unterhielten sich über den Einfluss früherer Generationen auf ihre Haltung zur Architektur. Nicht jede Äußerung war ein tiefer Gedanke, manche Gespräche verliefen streckenweise im Plauderton. Anzuerkennen ist aber, dass die Diskussionen von der Redaktion nicht glatt gebügelt wurden. So wirkt es authentisch, wenn etwa Arno Lederer mit Philip Ursprung über die Baukunst von Sigurd Lewerentz spricht. Interessant ist das Statement von Donatella Fioretti, die das Meisterhaus von Walter Gropius in Dessau in puristischer Gestalt rekonstruiert hat: „Ich sehe die Bedeutsamkeit seines Wirkens viel mehr als Promoter, als Vermittler, denn als Architekt – auch wenn er einige komplexe und zweifelsohne wichtige Bauten geschaffen hat.“ Einen besseren Bogen zur Gropius-Biographie von Winfried Nerdinger könnte es nicht geben.

Dietrich Fink, Uta Graff, Nils Rostek, Julian Wagner (Hrg.)
Architects on Architects
160 Seiten, Text englisch, Hirmer Verlag, € 24,90

architects on architects Buch

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