Interview von Selina Wach

Im Gespräch mit TOMAS: Feministische Stadtreparatur und das radikale Umdenken in der Baubranche

Nach ihrem gemeinsamen Architekturstudium an der RWTH Aachen und der TU Berlin entwickelten sich die Schwerpunkte von Sofia Ceylan, Katharina Neubauer und Annabelle von Reutern in unterschiedliche Richtungen: nachhaltiges Bauen, Datenspeicherarchitektur und zirkuläres Bauen. TOMAS – Transformation of Material and Space – steht für einen radikalen Wandel in der Baubranche und setzt sich für nachhaltige, gerechte Lösungen ein. Mit ihren Projekten bündeln sie ihre Expertise und zeigen, wie der Bestand kreativ weitergedacht werden kann.


Wir wollen die Hürde senken, sich für gute Gebäude einzusetzen und davon zu profitieren, wenn Bestand erhalten bleibt und eine sozialverträgliche Nutzung findet. Wir nennen das den neuen TOMAS-Kreislauf: Investieren, Aktivieren und Transformieren.

Annabelle von Reutern

2024 habt ihr TOMAS gegründet. Ein Name, der für radikales Umdenken in der Baubranche steht. Was bedeutet TOMAS konkret für euch und wie spiegelt sich das in eurer Arbeit  wider?

[AR]: Der sogenannte Thomas-Kreislauf kommt von der Albright Stiftung, die sich für Gendergerechtigkeit und Frauen in Führungspositionen einsetzt. Der Kreislauf zeigt auf, dass in den Vorständen von DAX-Konzernen mehr Männer namens Thomas sitzen, als es Frauen insgesamt in dieser Ebene gibt. Der Kreislauf entsteht, weil Thomas dazu neigt, andere Menschen einzustellen, die ihm ähnlich sind – ein Muster, das die Frauenquote durchbrechen soll. Wir haben uns daher gedacht: Wenn der Name Thomas offenbar so erfolgversprechend ist, holen wir uns einfach unseren eigenen ins Boot. Das „H“ haben wir gestrichen und gesagt: Jetzt wird gehandelt! Wir praktizieren feministische Stadtreparatur unter dem Motto TOMAS kümmert sich – denn genau das hat Thomas mit H leider nicht getan.

[KN]: Radikales Umdenken in unserem Berufsalltag hat auch damit zu tun, dass wir ein frauengeführtes Büro sind und Dinge vom Grundsatz her hinterfragen und anders machen, als wir sie selbst in den letzten zehn Jahren erlebt haben. Gesamtgesellschaftlich befinden wir uns an einem Punkt der radikalen Veränderung und Transformation.

Photo © TOMAS

Die roten Zahlen auf eurer Homepage beschreiben recht deutlich: 80 Prozent des weltweiten Grund und Bodens sind in Männerhand und Frauen verdienen im Schnitt 39 Prozent weniger als Männer. TOMAS will das nicht akzeptieren. Wie begegnet ihr diesen Problemen konkret – sei es durch Projekte, Netzwerke oder Strategien?

[KN]: Mit dem Besitz des Grund und Bodens bzw. der Räume scheint auch ein Bestimmungsrecht über diesen Raum einherzugehen. Wir sind der Meinung, dass wir Frauen dazu befähigen müssen, selbst überhaupt Immobilien zu besitzen, bzw. in Immobilien wertebasiert zu investieren. Das Ganze versuchen wir mit den schon genannten Themen zu verbinden: nachhaltiges, zirkuläres oder biobasiertes Bauen. Wir stellen uns die Frage, wie kann anders gebaut werden, wenn die natürlichen Ressourcen enden? Außerdem sind wir sehr aktiv in Netzwerken, in denen wir uns konkret für unsere Punkte einsetzen. Annabelle ist im Verband für Bauen im Bestand, Sofia im Verband für Nachhaltigkeitsmanagement und ich bei der Architektinnen Initiative Nordrhein-Westfalen. All diese Themen hatten bisher eine zu kleine Lobby, weil sich nicht genügend vernetzt wurde.

[AR]: Als Multiplikatorinnen nutzen wir unser Netzwerk und unsere Reichweite, um genau diese Themen in die breite Masse zu tragen. In unseren eigenen Projekten steht der Bestandserhalt an oberster Stelle, ebenso wie die Wahl der Materialien und nach hinten raus auch die Frage der Nutzung der Immobilie, die möglichst inklusiv sein soll. Unser Ziel ist es, einen Immobilienbestand aufzubauen, bei dem sich Menschen mit kleinen Investments, ähnlich wie Genossenschaftsanteile, an der Bauwende beteiligen können. Wir wollen die Hürde senken, sich für gute Gebäude einzusetzen und davon zu profitieren, wenn Bestand erhalten bleibt und eine sozialverträgliche Nutzung findet. Wir nennen das den neuen TOMAS-Kreislauf: Investieren, Aktivieren und Transformieren.

Welche Widerstände begegnen euch bei euren Projekten, und wie geht ihr damit um? Gibt es bestimmte strukturelle Barrieren in der Baubranche, die euch besonders herausfordern?

[AR]: Selbstwirksamkeit treibt uns an, weil wir sie in früheren Strukturen nicht in dem Maße erleben konnten, wie wir es uns gewünscht haben. Und Widerstand ist nichts anderes als Angst. In der Regel Angst vor dem Unbekannten. Bauen im Bestand ist die gebaute Unbekannte. Verständlich, dass viele davor zurückschrecken. Wir spüren diese Angst natürlich auch in uns. Gerade was die Projektentwicklung angeht. Wir müssen in erster Linie also den Widerstand in uns selbst überwinden. Das ist herausfordernd, aber am Ende lohnt es sich immer...

Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 1-2/2025. Der Volltext ist ab Seite 14 zu finden.


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