Nachnutzung von Kirchen

Gestern Kirche, heute Disko, Galerie und Kindergarten. Doch die Umnutzung von Kirchen ist alles andere als einfach. Denn nach der Entweihung kommt die Entzauberung in Form von Auflagen und Investitionsrechnungen. Ein Überblick über die spannendsten Projekte in Europa.
Text: Wojciech Czaja | Foto: Adrià Goula, Sven Paustian
Lautes House, flimmernde Stroboskope, nackte Männeroberkörper überall. Und während das Publikum tanzte, knutschte und schwitzte, kaum Platz zum Sich-Bewegen, ging jede halbe Stunde ein spärlich bekleideter Gogo-Boy mit auf den Händen balancierendem Silbertablett über den Dancefloor, darauf ein Füllhorn frisch aufgeschnittener Früchte, Bananen, Melonen und Ananas, um der ausgepowerten Meute wieder zu Kräften und Vitaminen zu verhelfen. Im Leben des Verfassers dieser Zeilen zählte diese eine Nacht in einer ehemaligen, längst entweihten Barockkirche in Cais do Sodré, Lissabon, halb im Verfall begriffen, provisorisch mit Blechdach und Gittertraversen eingedeckt, an die 25 Jahre ist das her, zu den wohl eindrucksreichsten Momenten seiner Adoleszenz. Der Club ist Geschichte, die Kirche zu einem schicken Wohnhaus umfunktioniert, auf den Stadtplänen sind alle schwulen Zeugnisse vergangener Tage längst ausradiert. Was jedoch geblieben ist und in den nächsten ein, zwei Jahrzehnten in ganz Europa Schule machte, ist die allmähliche Auflösung des kirchlichen Gebets und das damit verbundene, transfunktionale Refurbishment nicht mehr benötigter Gotteshäuser hin zu Wohnnutzungen wie Hotel, Studierendenheim oder Einfamilienhaus, aber auch zu öffentlichen Begegnungsorten wie etwa Bars, Büros, Museen, Galerien, Restaurants, Bibliotheken, Kindergärten, Kletterhallen und erinnerungswürdigen Diskotheken...

© Adrià Goula
Das jüngste Projekt in dieser Reihe, ganz unschuldig im Vergleich zum eingangs geschilderten Sodom und Gomorrha, ist der Umbau der Nostra Signora della Costa, einer 1334 eingeweihten Kirche an der ligurischen Küste in Levanto. Die Sitzbänke und liturgischen Möbel im Altarraum wurden entfernt, die alten Fresken in der Apsis und im Presbyterium wurden sorgfältig restauriert, die zum Teil bereits zerstörten Farbflächen im Hauptraum, Spuren von technischen Eingriffen aus dem 20. Jahrhundert, eine Summe aus Flecken, Pastelltönen und fehlenden Putzen, wurden fixiert, mit Kalkmasse ergänzt und erzählen nun eine ganz eigene, informelle Geschichte des denkmalgeschützten Gebäudes....
Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 1-2/2025. Der Volltext ist ab Seite 24 zu finden.

© Sven Paustian