Oasen, Morphosen, Stadtverstörungen
Die nachträgliche Begrünung des Wiener MuseumsQuartiers durch D\D Landschaftsplanung ist nicht nur ein lokales Klimaprojekt, sondern auch ein ortsübergreifendes Symbol für urbane, ökologische Transformation. Damit ergeben sich Parallelen zu den surrealen Kunstinstallationen von TAKK, Barcelona. Eine Gegenüberstellung.
Bambuserlen, Judasbäume und japanische Zelkoven. Texasgras, Blumenlauch und roter Buschklee. Dazwischen immer wieder Nachtkerzen, Wolfsmilch und rosarotes Schleierkraut. Zweimal am Tag, kurz nach dem Gießen, wenn sich das Substrat und der Rindenmulch mit Wasser aus den GärtnerInnen- Schläuchen vollgesogen haben, macht sich in den gepflasterten Innenhöfen ein erdig feuchter Duft breit, ein Geruch, der an diesem Ort bislang ein Fremdkörper war. Mittendrin steht Anna Detzlhofer, Gründerin und Partnerin von D\D Landschaftsplanung, und macht einen tiefen Atemzug durch die Nase. „Riecht großartig, oder? Daran wird man sich jetzt gewöhnen müssen. Das ist der neue Duft des MuseumsQuartiers.“
Mehr als ein Viertel der Gesamtfläche des siebten Wiener Gemeindebezirks entfällt auf Verkehrsflächen. Mit einem Grünflächenanteil von nur 2,9 Prozent ist er einer der ungrünsten und am stärksten versiegelten Bezirke in Österreichs Bundeshauptstadt. Und damit auch eine der größten Urban Heat Islands in ganz Wien. Die Nachteile dieses Beton- und asphaltgrauen Superlativs sind evident und wissenschaftlich längst durchdekliniert: sommerliche Überhitzung, hohe Feinstaubbelastung, fehlende Frischluftschneisen, geringe adiabate Kühlung, kaum Retention bei Regenfällen und Überbelastung des öffentlichen Kanalisationsnetzes. Abgesehen davon, dass die Aufenthaltsqualität auf den öffentlichen Straßen und Plätzen an heißen Sommertagen auf null sinkt.
„Als das MuseumsQuartier in den 1990er-Jahren geplant und gebaut wurde, war die Klimakrise in der Bevölkerung noch nicht sehr präsent und daher auch noch nicht Teil von Architektur und Stadtplanung“, sagt Detzlhofer. „Vor diesem Hintergrund war das MQ mit seinen großen, gepflasterten Innenhöfen und seinen Enzi-Sitzmöbeln lange Zeit ein gut funktionierender öffentlicher Freiraum im Herzen von Wien. Doch die Zeiten haben sich geändert, und was 2001 zur Eröffnung des MQ gut genug war, ist nun – mitten in der Klimakrise – im Hochsommer ein klimatisches und auch soziourbanes Problem.“
In den letzten Sommern, meint Detzlhofer, habe sie das MQ zunehmend gemieden und lediglich als Passage auf dem Weg von A nach B genutzt. Damit war sie nicht allein. Steigende Luft- und Oberflächentemperaturen und zugleich sinkende BesucherInnenzahlen führten dazu, dass das MQ unter der neuen Geschäftsführung von Bettina Leidl entschieden hat, sich eine Frischekur zu verpassen – als grüne Stadtoase einerseits, andererseits aber auch als Live-Experiment und öffentlich zelebrierter, fachplanerisch monitorter Transformationsprozess. Und so kam es, dass im Frühjahr 2023 ein Wettbewerb für einen ökologisch nachhaltigen, klimaadaptiven Umbau des MQ ausgeschrieben wurde. Aus den vier Projekteinreichungen entschied sich die fünfköpfige Jury (Vorsitz Bettina Leidl) für den Entwurf „MQ in morphosis“ von D\D .
„Europäische, historisch gewachsene Städte haben aufgrund von Kultur, Handel, Gewerbe und der großen Menschenmassen, die hier zusammenkommen, oft ein stark versiegeltes Zentrum. Ob das nun Wien, Paris, Madrid, Valencia oder Barcelona ist“, sagt Mireia Luzárraga, die mit ihrem Partner Alejandro Muiño das katalanische Landschaftsarchitekturbüro TAKK betreibt. „Wir sind vor die Aufgabe gestellt, die öffentlichen Räume auf ihre heutige Tauglichkeit zu überprüfen und entsprechende klimaadaptive Maßnahmen zu erarbeiten. In Verbindung mit dem Denkmalschutz und dem historischen Erbe ist das aber leider nicht immer möglich. Dann ist es unsere Aufgabe als ArchitektInnen und LandschaftsarchitektInnen, auf diese Problematik hinzuweisen und zumindest einen öffentlichen Diskussionsprozess zu starten.“
Genau diese Debatte hat in Barcelona, ähnlich wie in Wien, vor zwei Jahren begonnen...
Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 9/2024. Der Volltext ist ab Seite 72 zu finden.
MQ goes Green und ARCA - eine Gegenüberstellung: