Reclaiming Blue Space

Die Agency Apéro versteht sich als Gestalter:in von Strategien und Kommunikationsräumen für urbane Transformationsprozesse. Wesentlich ist dabei die themen- und disziplinenübergreifende Betrachtung von Raum, aus der neue, experimentelle Ansätze planerischen Handelns entstehen. Ihre Interventionen an urbanen Gewässern spielen mit dem kollektiven Traum vom Baden.
Text: Agency Apéro | Foto: © Neckarinsel e.V.
Unerfüllte Wasserträume? In Gesprächsrunden, Workshops und Beteiligungsformaten stellen wir oft die Fragen: Wie wichtig ist Wasser für dich? Gehst du gerne baden? Was ist das schönste Gefühl dabei? So unterschiedlich die Akteurskonstellationen sind, so sehr ähneln sich die Antworten. Sobald das Wasser thematisiert wird, springen die Gedanken zum Baden und es beginnt meist ein kollektives Träumen von mehr Blau in der Stadt. Eine urbane Inventur schmälert jedoch den Raum für die Imagination: Immer mehr Frei- und Hallenbäder schließen, öffentliche Badestellen an natürlichen Gewässern verschwinden, der freie Zugang zum Schwimmen wird fast unmöglich. Trotz großer Bemühungen, öffentliche Räume mit einem angenehmen Mikroklima auszustatten, stehen die entstehenden Grünflächen in keiner Relation zu der Masse an Versiegelung, die das Wasser aus dem Stadtbild verschwinden lässt. Die zunehmende Hitze in den Städten ist für uns alle deutlich spürbar, ebenso wie die Wassermassen, die bei Starkregenereignissen unsere Infrastrukturbauten an ihre Grenzen bringen. Findet sich doch das eine oder andere offene Gewässer (Kanal, Brunnen, Bach) in der Stadt, wird es, wenn überhaupt, nur von Kindern genutzt. Nur wenige Erwachsene wagen es, sich urbane Gewässer anzueignen. Bleibt das Wasser ein unerfüllter Traum?
Aneignung bestehender blauer Räume Um den Traum vom Baden flächendeckend zu verwirklichen, sind jedoch große und langwierige Transformationen notwendig. Wie im Hochbau gibt es auch im öffentlichen Raum Potenziale im Bestand, die es zu nutzen gilt. Mit einem Wasserguide haben wir diesen kleinen Räumen ein ganzes Buch gewidmet, das dazu einlädt, das Wasser an Orten in der Region Stuttgart aus neuen Perspektiven zu betrachten, zu testen und zu entdecken. Auch der Schwimmverein Donaukanal in Wien arbeitet im Bestand und leistet mit dem Kanal- Baden Pionierarbeit für eine Nutzung urbaner Gewässer, wie sie beispielsweise in Basel bereits üblich ist. Während in der Region Stuttgart das Baden im Neckar nicht weit verbreitet und ortsabhängig sogar verboten ist, verbreiteten wir 2021 mit der Installation „Freibad Fritten Kiosk“ Badeatmosphäre an verschiedenen Orten entlang des Flusses. Mit einem Abstecher an die Mur in Graz bot der Kiosk im Club Hybrid Raum für Gespräche über die Dichte an Pools in den privaten Gärten der Nachbarschaft oder die ökologischen Folgen des neuen Wasserkraftwerks. All diesen Projekten gemein ist die Aneignung als störende, aber integrative Intervention, die Bilder zum Nachahmen schafft, Räume für den Dialog öffnet und Wissen vermittelt – und damit ein improvisiertes Baden für alle ohne großen Umbau möglich macht.
Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 4-5/2025. Der Volltext ist ab Seite 46 zu finden.