Rethinking Metabolism

Im Jahr 1960 revolutionierte eine kleine Gruppe japanischer ArchitektInnen, StadtplanerInnen und DesignerInnen auf der World Design Conference in Tokio die damalige Baukultur. Geprägt von der Zerstörung des Zweiten Weltkrieges, ebenso wie von zahlreichen Naturkatastrophen, hatten sie es sich zum Ziel gesetzt, Architektur neu zu denken und konzipieren. Die Inspiration der „Metabolisten“ waren der Kreislauf der Natur und der Stoffwechsel lebender Organismen, die als Vorbild für organisch wachsende und sich selbst erneuernde Strukturen herangezogen wurden.
Die meisten der futuristischen Projekte blieben jedoch im Planungsstadium. Darunter das Tokyo Bay Project von Kenzo Tange, das eine schwimmende Megastruktur in der Bucht von Tokio vorsah. Eines der wenigen gebauten Beispiele war der Nagakin Capsule Tower, der 1972 in Tokio errichtet wurde. Seine 140 Kapseln sollten in Analogie zu sich erneuernden Zellen eines Organismus austauschbar sein und damit den drohenden Verfall und die Zerstörung durch Naturkatastrophen bereits im Vorfeld antizipieren. Die Realität sah jedoch anders aus: Technische und rechtliche Rahmenbedingungen verhinderten den vorgesehenen Kreislauf, bis der Turm nach 50 Jahren am Ende seiner Lebensdauer stand und dem Abbruch preisgegeben wurde.
Sein Abriss im Jahr 2022 glich in den Augen vieler einer Katastrophe. Die emotionslose Beseitigung dieser baulichen Ikone infolge von Verfall und Überalterung war nicht nur eine denkmalpflegerische Enttäuschung, sondern vielmehr ein Scheitern der Grundprinzipien des Metabolismus. Kann dieser jedoch trotz des Misserfolges auch heute noch als Inspiration für Architekturschaffende dienen? Weltweit steigt die Zahl an Naturkatastrophen, hinzu kommen anthropogene Krisen wie Fluchtbewegungen, Blackouts, die Pandemie und der Klimawandel. Viele Bauwerke sind diesen Herausforderungen nicht gewachsen und müssen adaptiert, ergänzt oder sogar ersetzt werden. Die Szenarien, die als Ausgangspunkt des Metabolismus dienten, sind aktuell wie nie zuvor.
Die Technische Universität Wien (TU Wien) beschäftigt sich schon lange mit dieser Thematik und kooperiert dabei mit japanischen Partnerinstitutionen...
Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 10/2024. Der Volltext ist ab Seite 40 zu finden.