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Robert E. Lee und Graffiti

By Martin Falbisoner - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=28399077

„Es gibt nichts auf der Welt, was so unsichtbar wäre wie Denkmäler.“ schrieb Robert Musil 1927 – doch das stimmt nicht immer, manchmal werden sie sichtbar und erlangen plötzlich gesellschaftliche und politische Bedeutung, und das ist nicht immer zu ihrem Besten. Ein Beispiel ist das Denkmal des wichtigsten Südstaaten-Generals Robert E. Lee in Richmond, Virginia, um das sich aktuell Thema eine politische Kontroverse dreht.


Das Monument wurde 1890 enthüllt, lange nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs, als die Rassentrennungsgesetze der Südstaaten, die so genannten „Jim Crow Laws“, längst wirksam waren. Bereits seit langer Zeit wird von Bürgerrechtsaktivisten in den USA gefordert, die Denkmäler für „Helden“ der Konföderierten und ihre Ideologie zu entfernen. Diese Initiativen erhielten neue Nahrung rund um die Black-Lives-Matter-Bewegung nach der Tötung von George Floyd in Minneapolis, Minnesota. Das Lee-Monument wurde zum Treffpunkt und Demonstrationsort in Richmond, zunächst um White-Supremacy-Aufmärsche an diesem symbolischen Ort zu verhindern, und das konnte nicht spurlos an ihm vorübergehen.

Das Denkmal soll verschwinden, aber wohl nicht so bald, weil sofort nach der Ankündigung rechtliche Schritte von DenkmalsbefürworterInnen eingeleitet wurden.

Der Steinsockel des 18 Meter hohen Denkmals ist mittlerweile über und über mit Graffiti bedeckt, ein Schild sagt „tear it down“, und genau das ist es, was der demokratische Gouverneur von Virginia Anfang Juni bekannt gegeben hat – das Denkmal soll verschwinden, aber wohl nicht so bald, weil sofort nach der Ankündigung rechtliche Schritte von DenkmalsbefürworterInnen eingeleitet wurden, um das Monument zu retten. Der Ausgang des Gerichtsverfahrens ist bisher offen. Der Fotograf Terry Kilby wurde von seiner Freundin, der Kuratorin Amy Moorefield, die in Richmond aufgewachsen war, auf das Monument und die Kontroverse aufmerksam gemacht und reiste deshalb nach Virginia, um das Denkmal in seiner von DemonstrantInnen veränderten, angeeigneten Form in einem 3-D-Scan zu dokumentieren. Er verwendete eine Fotodrohne und eine digitale Spiegelreflexkamera, schoss auf diese Weise mehr als 800 überlappende Fotos aus allen Blickwinkeln und setzte sie schließlich zu einem maßstabsgetreuen, hochaufgelösten, dreidimensionalen Modell zusammen, das nun online zugänglich ist. Somit ist das Monument für alle Zeiten digital bewahrt, und zwar in seinem Zustand vom 15. Juni 2020, so, wie es die Black-Lives-Matter-AktivistInnen durch ihre Graffitis und Tafeln in seiner Bedeutung verändert haben – selbst dann noch, wenn das reale, materielle Monument längst nicht mehr existiert.

 

terrykilby.com/blog

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