Roof KIT
Seit einigen Jahren wächst eine Generation von ArchitektInnen heran, aus deren Arbeitsalltag die politischen und gesellschaftlichen Forderungen nach einer möglichst starken Reduktion klimaschädlicher Treibhausgasemissionen und einer umfassenden Verringerung des Ressourcenverbrauchs im Bauwesen nicht mehr wegzudenken sind. In diesem Zusammenhang ist beim architektonischen Umgang mit Gebäuden die Entwicklung positiver Visionen durch Kreativität, Einfallsreichtum und Mut so gefragt wie selten zuvor. RoofKIT, das Gewinnerprojekt des Solar Decathlon Europe 21/22, ist ein Leuchtturm-Projekt, das als Reallabor eine Vielzahl von Aspekten zukunftsweisender und nachhaltiger Architektur und Technik in ganzheitlicher Form zusammenführt.
Der Solar Decathlon ist der größte und bedeutendste weltweit ausgetragene Hochschulwettbewerb im Bereich Architektur und Bauwesen. Allen Ausgaben des Solar Decathlon ist gemein, dass studentische Teams nach einer Planungsphase jeweils ein reales und voll funktionstüchtiges Gebäude als Ausschnitt aus einem größeren Gesamtentwurf errichten. Mit dieser Demonstratoreinheit und den Überlegungen und Vorschlägen zur Gesamtplanung treten die unterschiedlichen Hochschulteams in zehn verschiedenen Disziplinen im Wettstreit gegeneinander an. Im Sommer 2022 präsentierten die Studierenden der Hochschulteams nach einer fast zweijährigen Planungs- und Bauzeit sowohl ihr Gesamtplanungskonzept für Gebäude im gegebenen städtischen Kontext als auch ihre Demonstratoreinheiten auf dem sogenannten „Solar Campus“, einem Gelände an einem stillgelegten Gleisfeld des ehemaligen Mirker Bahnhofs im Norden der Stadt Wuppertal.
Im Jahr 2019 entschied sich die Fakultät für Architektur des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), sich um eine Teilnahme zu bewerben. In den folgenden Jahren arbeiteten weit über 100 Studierende gemeinsam an dem Projekt. Das Team entschied sich bei der Projektwahl für die Aufstockung eines zweigeschossigen bestehenden Gründerzeitgebäudes, das heute ein Café und einen Tanzsaal beherbergt und im Quartier eine wichtige öffentliche und soziale Funktion erfüllt.
Der Gesamtentwurf von RoofKIT sieht vor, das Café im Erdgeschoss zu erhalten, im ersten Obergeschoss ein Hotel zu planen und das Gebäude um drei Geschosse mit verschiedenen Quartiersfunktionen zu erweitern. In den beiden obersten Stockwerken, die in modularer Holzbauweise errichtet werden, entstehen neue, sozial verträgliche und bezahlbare Wohnformen. Das Stockwerk zwischen der bestehenden Struktur und den neuen Wohnungen wird als sogenannte „urbane Fuge“ gestaltet, die als städtischer Möglichkeitsraum dient. Er kann beispielsweise als Tanzsaal, Veranstaltungsort oder Versammlungsstätte für Vereine und Gruppen genutzt werden und bietet zudem einen Treffpunkt für Familienfeiern sowie Spielund Freizeitmöglichkeiten, die eine sozial gerechte, vielfältige und demokratische Gesellschaft fördern. Bestehende Gebäude aufzustocken, bietet die Möglichkeit, Nachverdichtung von Wohnraum innerhalb der Stadt ohne die Versiegelung neuer Flächen zu realisieren. Dabei ist es wichtig, zu bedenken, dass in innerstädtischen Bereichen die Flächen für solare Gewinne sehr begrenzt sind und zudem mehrgeschossige Bauten wie im vorliegenden Fall eher kleine Dachflächen im Vergleich zur Gesamtnutzfläche aufweisen. Die Energieversorgung des Gebäudes im Gesamtentwurf von RoofKIT basiert deshalb einerseits auf der Idee eines maximal minimierten Energiebedarfs durch hohe Anforderungen an die Außenhülle und andererseits auf dachintegrierten Fotovoltaikkollektoren, die aus Sonnenenergie gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen können. Es ist unabdingbar, die zukünftige innerstädtische Energieversorgung als Quartierslösung zu denken und nicht mehr als individuelle Insellösung einzelner Bauten. Auch hierzu liefert das Projekt Ansätze und Lösungsvorschläge.
Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 12/2024. Der Volltext ist ab Seite 98 zu finden.