UNIFOKUS | Studio Jacob

Studio Jacob versteht Architektur als eine Form der Repräsentation – ein Zugang, der technische, kulturelle und politische Dimensionen gleichermaßen berührt. Im Zentrum steht die Frage danach, wer repräsentiert wird (Öffentlichkeit, Gemeinschaft, Zivilgesellschaft), was dargestellt wird (Erzählungen, Symbolik, Geschichte, Inhalte) und wie diese Repräsentation erfolgt – etwa durch Zeichentechniken, Materialien oder Bauweisen.
Das Studio interessiert sich für das Medium der Architektur selbst. Der Entwurfsprozess wird als Werkzeug des Denkens genutzt, das über das reine Gestalten hinausgeht. Zeichnen gilt hier nicht nur als Mittel zur Darstellung, sondern als ein System, das die Welt ordnet – ein struktureller Zugriff auf Raum und Realität. Die Arbeit von Studio Jacob ist geprägt von Freude am Zeichnen und Modellieren, an Materialien und an vielfältigen Herstellungsprozessen. Es geht um die Organisation von Raum ebenso wie um das bewusste Kombinieren von Gegensätzen: Geschichte und Spekulation, Alltägliches und Fantastisches, Figürliches und Abstraktes.
Im Mittelpunkt steht die Frage, welche architektonischen Bedeutungen aus diesen Verknüpfungen entstehen können. Welche sozialen Vorschläge dadurch formuliert werden, welche ökologischen Bezüge sichtbar werden und welche kulturellen Räume adressiert sind. Studio Jacob begreift Architektur als Möglichkeit, relevant und gleichzeitig imaginativ zu sein – sensibel für kulturelle Kontexte, eingebettet in das Jetzt und immer auch als Verbindung von Idee und gebautem Objekt, von Vorstellung und Realität. Ein zentrales Thema ist das Verhältnis zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Projekte des Studios untersuchen, wie unterschiedliche Perspektiven auf historische und zukünftige Zeiträume helfen, die Gegenwart zu verorten – und wie aus dem Jetzt neue Deutungen der Vergangenheit entstehen können, die wiederum andere Zukünfte ermöglichen. Das Werk von Studio Jacob bewegt sich zwischen diesen Zeitschichten: von neolithischen Steinkreisen bis hin zu den komplexen Realitäten suburbaner Alltagswelten. Dieser breite historische Bogen dient als Grundlage für Entwürfe, die aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen mit architektonischen Mitteln verhandeln.

Ein aufblasbarer Dolmen trifft auf Otto Wagners Postsparkasse – eine radikale Begegnung von Urzeit und Moderne.
Fables of the Reconstruction ist ein Entwurfsprojekt, das sich auf ein bekanntes Bild von Joseph Gandy bezieht: seine Darstellung der Bank of England von John Soane als romantische Ruine. Diese fiktionale Ruine diente nicht nur als Kulisse, sondern als konzeptioneller Ausgangspunkt. Die Aufgabenstellung forderte architektonische Vorschläge für eine „Wiederherstellung“ dieser Ruine – jedoch nicht im Sinne einer simplen Rekonstruktion, sondern als Anlass, über zeitgenössische Strategien des Weiterbauens nachzudenken.
Im Zentrum stand die Frage, wie sich mit einer historischen Bausubstanz umgehen lässt, die nie real existierte – und was dies über unseren heutigen Umgang mit Erinnerung, Erbe und kultureller Identität aussagt. Dabei ging es nicht nur um konservatorische oder ästhetische Aspekte, sondern um ein erweitertes Verständnis von Wert: Wie könnte ein Stadtblock im Herzen der Londoner Finanzwelt so transformiert werden, dass er auch soziale, kulturelle und gemeinschaftliche Qualitäten mitdenkt? Welche Formen des Wiederverwendens und Umdeutens könnten hier neue urbane Narrative erzeugen?
Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 4-5/2025. Der Volltext ist ab Seite 26 zu finden.

1:75-Modell der Bank of England nach dem Gemälde von Joseph Michael Gandy – gebaut von den Studierenden des Studio Jacob.