VAS² als Schule des Möglichen

Wieso braucht es Bildung jenseits universitärer Strukturen? Wie lässt sich ein offener Lernraum für Architektur in Wien gestalten? Muss dieser auf bereits etablierten institutionellen oder ökonomischen Hierarchien aufbauen? Zu solchen und ähnlichen Fragestellungen traf sich die Vienna Architecture Summer School (VAS²) ab Februar 2022 fast wöchentlich im Café am Heumarkt.
Text: Jerome Becker, Uwe Brunner, Matthias Moroder, Eleni Boutsika Palles, Dominic Schwab, Marlene Wagner | Fotos: Richard Pobaschnig
Das Surren der Kuchenvitrine begleitete vielspurige Diskussionen und das Soda Zitron ließ öfter auf sich warten. Die Vienna Architecture Summer School (VAS²) ist nicht linear und strukturiert am White Board eines Konferenzzimmers entstanden. Ihre Grundausrichtung ging aus informellen Kaffeehaus-Treffen einer größeren, losen Gruppe Architekt:innen aus Praxis, Forschung und Lehre hervor. Trotz Meinungsverschiedenheiten einte uns die Perspektive, die vorwiegend institutionell geprägte Produktion und Vermittlung von Architekturwissen in Wien mit einer selbstinitiierten und unabhängigen Summer School zu erweitern. Darüber hinaus erweist sich die VAS² als wertvolles zusätzliches Angebot zum bestehenden Panorama europäischer Architektur-Summer-Schools, die großteils an universitären Strukturen angedockt und thematisch wie personell entsprechend ausgerichtet sind. Im Laufe des Organisationsprozesses und der Nachbesprechung der ersten Ausgabe Anfang September 2022 kristallisierte sich das aktuelle sechsköpfige Kernteam heraus, das mit unterschiedlichen gestaltenden, praktizierenden, forschenden, kuratorischen wie unterrichtenden Expertisen eine vielfältige Auffassung von Architektur abbildet. Finanziert wird die VAS² einerseits durch die Beiträge der Teilnehmer:innen – heuer 200 Euro pro Person –, andererseits durch öffentliche Förderungen von Bund, Gemeinde und Bezirk. Die VAS² versteht sich als alternativer Bildungsraum mit dem Anspruch, Lernen anders zu denken: nicht als einseitige Wissensvermittlung, sondern als kollektiver, dynamischer Prozess, der sich aus verschiedenen Stimmen, Perspektiven, Praktiken und Orten speist – ohne Leistungsdruck, ohne Noten, ohne vorgeschriebene Curricula.

„.mov“ untersuchte das Spannungsverhältnis von Film und Raum mithilfe eines 150 Quadratmeter großen Green-Screen-Studios als Bühne für architektonische Fiktionen.
Neun Tage, zwölf Workshops, viele Begegnungen Über neun Tage hinweg werden seit 2022 jährlich jeweils zwölf parallele Workshops mit einem öffentlichen Vortragsprogramm, einer gemeinsamen eintägigen Exkursion und einer abschließenden öffentlichen Ausstellung veranstaltet. So treffen rund 70 internationale Teilnehmer:innen, 20 Workshopleiter:innen mit Wienbezug, etablierte Vortragende aus Architektur, Kunst und Theorie sowie eine interessierte Öffentlichkeit am jeweiligen Austragungsort aufeinander. Mit dem Open Call für Workshop-Teilnehmer:innen zielen wir deutlich über Wien und Österreich hinaus. Den Zugang zur VAS² wollen wir offen und niederschwellig gestalten. Dazu gehört auch eine vergleichsweise niedrige Teilnahmegebühr sowie der Verzicht auf zusätzliche Anmeldeanforderungen wie Altersnachweis, Inskriptionsbestätigung oder Portfolio. Auch wenn ein Großteil der Teilnehmenden aktiv Architektur studiert, können wir mit diesen bewussten Setzungen nach den ersten drei Jahren auf eine große Diversität in Bezug auf Herkunft, Gender, Alter, Klasse und Architekturbezug zurückblicken.

„Here and There – Inhabiting Spatial Documents“ untersuchte die Relevanz sozialer Medien für das Entwerfen und Teilen von Räumen.
Die VAS² als Lern- und Möglichkeitsraum Im Zentrum steht das themenbezogene, transkulturelle und generationenübergreifende Arbeiten in den Workshopgruppen. Voneinander zu lernen wird zum zentralen Prinzip, getragen von der Vielfalt der Teilnehmenden und der bewusst klein gehaltenen Gruppengröße mit jeweils um die fünf Teilnehmer:innen. Diese Struktur fördert den intensiven Austausch und eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den Themenfeldern trotz der relativ kurzen Zeitspanne von neun Tagen. Bei der Kuratierung des Workshop-Programms ist uns wichtig, eine pluralistische Ausrichtung der zur Auswahl stehenden Themen und Methoden zu verfolgen. Statt ein Jahresthema starr vorzugeben, setzen wir auf inhaltliche Offenheit. So entsteht für die eingeladenen Workshopleiter:innen die Gelegenheit, ihr Vorhaben frei zu gestalten, eigene Interessen weiterzuentwickeln oder auch neue Themen, Zugänge und Tools zu testen. Die VAS² bietet damit der jüngeren Architekturszene in und um Wien eine unabhängige, selbstgetragene Plattform zur Stärkung der eigenen Positionierung abseits der umkämpften Felder universitärer Lehre und selbstständiger Praxis...
Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 7-8/2025. Der Volltext ist ab Seite 42 zu finden.