⁠Ein Museum als Diskursraum

Wettbewerb zum Haus der Geschichte Österreich⁠

Im Herbst letzten Jahres wurde der Wettbewerb für den Neubau des Haus der Geschichte Österreichs (hdgö) entschieden. Das Museum, das sich als Verhandlungsort und Diskussionsforum für die teilweise noch nicht gesetzte Zeitgeschichte Österreichs sieht, ist seit 2018 in einem Teil der Neuen Hofburg untergebracht – in unmittelbarer Nähe des Balkons, bzw. Altans, von dem Adolf Hitler 1938 Österreichs „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutsche Reich verkündete. So liegt das Museum am Puls der umkämpften Demokratiegeschichte Österreichs. Ein idealer Ort, um die jüngere Geschichte unseres Landes kritisch und unter Teilhabe der Öffentlichkeit zu thematisieren. Nur – der Raum reicht nicht aus. Deshalb wurde für das Bundesmuseum seitens der Politik 2023 ein Ersatzbau beschlossen, der die durch eine Expert:innenkommission definierten Anforderungen an ein Museum für Zeitgeschichte erfüllen soll. Ein neues Zuhause für das hdgö wurde im Wiener Museumsquartier (MQ) gefunden. Das Bewerbungsverfahren identifizierte ein Dutzend geeignete Büros, von denen elf anonymisiert ihre Vorschläge einbrachten.

Text: Sophie Höller


Transparenter Neubau im alten Kontext Museen mit ähnlichem Kontext im deutschen Sprachraum weisen meist eine Ausstellungsfläche von rund 3.000 Quadratmetern auf, die auch hier als Ausgangslage verwendet wurde. Diese Fläche soll im südöstlichen Flügel des Museumsquartiers, den ehemaligen Hofstallungen, und dessen Klosterhof unterkommen, angrenzend an die geschäftige Mariahilfer Straße und den gesellschaftspolitisch bedeutenden Platz der Menschenrechte. Offenheit, Transparenz, flexible Ausstellungsflächen und das Öffnen von Verhandlungsräumen sind von Bedeutung. Eine rigide Deutung des Denkmalschutzes erlaubt jedoch keine Veränderung an der von Fischer von Erlach entworfenen Fassade sowie kein Überragen des Firsts. Wie man in dieser Ausgangslage einem gesellschaftlich bedeutsamen Museum Sichtbarkeit verschafft, ist Teil der Entwurfsaufgabe. Ein kleiner Neubau soll im Klosterhof das Bestandsgebäude ergänzen, das entsprechend der Nutzung und dem Stand der Technik saniert werden soll. Prämiert wurden folgende drei Projekte, die auf die Fragestellung ganz unterschiedliche reagierten und damit aufzeigen, wie vielfältige Antworten die Architektur liefern kann.

1. EIN LUFTIGER, ZEITGENÖSSISCHER HOLZBAU


O&O Baukunst, Berlin
capattistaubach urbane landschaften, Berlin
Tragwerk:
ghp gmeiner haferl & partner, Wien
Nachhaltigkeit: Larix Engineering, Wien
Visualisierung: Filippo Bolognese Images


Freundlich und warm mutet der klar gegliederte Holzbau an. Die verglaste Fassade des Zubaus wird mit öffenbaren Holzlamellen halbdurchsichtig verkleidet, was die Transparenz des Museumsprogramms betonen soll. Man betritt das Gebäude durch ein Foyer, das sich zum Klosterhof hin einladend öffnet. Durch die Freiraumgestaltung, die mittels Bepflanzung die Ränder des Hofs betont und die Mitte freispielt, wird eine starke Verbindung von innen und außen hergestellt, der Raum fließt. In dieser Variante des hdgö wird die Vielfalt, die ein Gründerzeitbau in der Sanierung zulässt, sichtbar. Das Stiegenhaus wird im südlichen Teil des Bestandsflügels situiert und liegt damit im Drehpunkt von Neubau und Bestand. Gemeinsam mit Sanitärflächen und weiteren untergeordneten Funktionen bildet der Bereich die Brücke zwischen den Bereichen im Neubau – die mit Veranstaltungs-, Verwaltungsund Vermittlungsräumen belegt sind – und jenen im Bestandstrakt, der hauptsächlich die Ausstellungsflächen beherbergt. Zusätzlich zu den nachhaltigen Aspekten in der Konstruktion und dem Freiraum wird bei diesem Projekt auch die Kreislauffähigkeit betont: Elemente sind zerlegbar und nach dem Cradle-tocradle- Prinzip aufgebaut.

© Filippo Bolognese

2. LOKALER STEIN ALS BINDEGLIED ZWISCHEN VERGANGENHEIT UND GEGENWART


Chartier+Corbasson Architectes, Paris mit
inFABric – arcitecture design urbanism, Paris
YEWO Landscapes, Wien
Vasko+Partner Ingenieure, Wien


Dieser Entwurfsvorschlag zeichnet sich vor allem durch den bedachten Umgang mit dem Bestand aus. Die vertikale Erschließung, die andernfalls umfassende Deckendurchbrüche in der historischen Substanz verursachen würde, liegt im Neubau, wo sie als Fuge, oder Lichtschlitz, den Klosterhof über alle Ebenen erlebbar macht. Als vertikales Foyer generiert sie ein sich über Bestand, Neubau und Außenraum spannendes Raumerlebnis. Die Nutzung des Neubaus für alle den Museumsbetrieb unterstützenden Funktionen – von Büros über Sanitärflächen bis hin zum Veranstaltungsraum – ermöglicht die Ausdehnung der Ausstellungsflächen auf den gesamten verfügbaren historischen Bestand. Das sorgt für sehr klare Orientierbarkeit und gleichwertige, nutzungsoffene Ausstellungsflächen. Im Klosterhof, gegenüber dem Kindertheater Dschungel, wird man von einem großzügigen Eingangsbereich willkommen geheißen. Als Material dominiert lokaler Stein, der für den Geschichtsbezug steht. Die Materialität zieht sich weiter in den Außenraum, der damit zu einem erweiterten Empfangsbereich wird. Plattformen, die sich aus den Niveausprüngen entwickeln, bieten Raum zum Aufenthalt sowie für Ausstellungen im öffentlichen Raum. Auch in der Fassade wird Stein genutzt, der hier als manchmal transluzente Schicht dem Gebäude die Anmutung einer Laterne verschaffen soll.

3. BAROCKE FORMEN IN FUTURISTISCHER GESTALT


Kuehn Malvezzi, Berlin, mit Hermann Czech, Wien, mit baukuh, Mailand
Auböck + Kárász, Wien / Werkraum Ingenieure, Wien / Käferhaus GmbH, Wien / DBI – Düh Beratende Ingenieure KG, Wien


Der signifikanteste Unterschied zu den beiden anderen hier besprochenen Beiträgen ist die Situierung des Eingangsbereichs, der in diesem Projekt im Durchgang zur Mariahilfer Straße liegt. Der Vorschlag, das Foyer im Neubau und in Anknüpfung an den Klosterhof zu sehen, wurde bereits in der Vorstudie so angedacht und dementsprechend von vielen Wettbewerbsbeiträgen aufgenommen. Ein Eingang im Durchgang ist ein spannender Twist, der auf interessante Weise den Bestand miteinbezieht. Der Durchgang zwischen Museumsquartier und Einkaufsstraße würde zu einer überdachten, witterungsgeschützten Vorzone und gleichzeitig rückt der Eingang viel näher an die vorbeiflanierende Öffentlichkeit und den Platz der Menschenrechte mit seiner Symbolkraft. Die vertikale Erschließung des Museums liegt auf Seiten des Bestandstrakts an der Fuge zwischen Alt und Neu und lässt als sogenannter Ausstellungsparcours immer wieder Einblicke zum teilweise versetzten Niveau des Neubaus zu. Die Ausstellungsflächen verteilen sich kompakt auf den Neubau und die angrenzenden Bestandsflächen, während die dienenden Funktionen, Büros und Konferenzräume in eher peripheren Flächen des Bestands untergebracht sind. Die äußere Ästhetik erinnert grob an die anderen Museums-Körper, die im Haupthof als zeitgenössische Ergänzungen verteilt stehen, während die Form der Kubatur womöglich die barocken Bögen der Durchgänge referenziert. Ganz hermetisch, wie die kubischen Geschwisterbauten im Haupthof, würde sich das hdgö jedoch nicht darstellen, Einblicke in die Ausstellungsräume im Erdgeschoss sind vom Klosterhof aus möglich und gewollt.


Sie möchten den ganzen Artikel lesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 4-5/2025. Der Volltext ist ab Seite 136 zu finden.

© KUEHN MALVEZZI

Das könnte Sie auch interessieren

Newsletter Anmeldung

Wir informieren Sie regelmäßig über Neuigkeiten zu Architektur- und Bauthemen, spannende Projekte sowie aktuelle Veranstaltungen in unserem Newsletter.

Als kleines Dankeschön für Ihre Newsletter-Anmeldung erhalten Sie kostenlos ein architektur.aktuell Special, das Sie nach Bestätigung der Anmeldung als PDF-Dokument herunterladen können.