Wie bleibt Architektur in Zukunft relevant?

Architektur ist das, was gebaut wird, aber auch das, was diesbezüglich diskutiert wird. In Museen, an Unis, in Büros, auf Festivals. Gerade in Zeiten globaler Krisen braucht es Orte, an denen neue Gedanken eine Bühne bekommen. LINA, ein europäisches Netzwerk, stellt sich genau dieser Aufgabe, mit Museen, Biennalen, Universitäten und Verlagen als Partner:innen. Und mit dem Anspruch, das Neue nicht nur zu zeigen, sondern mitzugestalten.
Text: Arian Lehner | Fotos: Urban Cerjak, TU Wien, HDA
Kuratorische Verantwortung Museen sind mehr als Schatzkammern. Sie bewahren Vergangenes und sollen gleichzeitig zukunftsweisende Diskurse mitprägen. In der Architektur heißt das: neben Plänen und Modellen auch Haltung zeigen. Gerade junge Architekturschaffende, die heute an den entscheidenden Fragen wie Ressourcen, Klima oder sozialen Räumen arbeiten, brauchen Sichtbarkeit. Doch genau diese Sichtbarkeit fehlt, oft schlicht aus mangelnder kuratorischer Anbindung an das Zeitgeschehen.
Architektur als europäische Bühne Hier kommt LINA (Learn, Interact and Network in Architecture) ins Spiel. Das Netzwerk wurde gegründet, um junge Stimmen in der Architektur strukturell zu stärken. Über 30 Institutionen aus ganz Europa sind beteiligt, von Biennalen in Oslo bis zu Universitäten in Madrid, von Magazinen bis zu Museen. In Österreich gehören das Haus der Architektur Graz (HDA) und das Institut für Gebäudelehre der Technischen Universität Wien zu den zentralen Partner:innen. Die Verbindung aus kultureller Öffentlichkeit und akademischer Forschung wird so zur produktiven Schnittstelle. „Unsere Idee mit LINA war von Anfang an, all jene zusammenzubringen, die architektonische Praxis beeinflussen“, sagt Matevž Čelik, Gründer und Leiter des Netzwerks. „Also zusätzlich zu Universitäten auch Museen, Festivals, Verlage oder Preisvergaben. So entsteht ein Netzwerk, das den gesamten Architekturkosmos abbildet, von der Lehre über das Experiment bis zur öffentlichen Debatte.“

Die LINA-Community besucht das Olympiagelände von 1980 in Sarajevo und thematisiert den Einfluss von Krieg und die Bedeutung widerstandsfähiger Gemeinschaften.
Der Anfang zählt Besonders im Fokus steht dabei der Karrierebeginn. „Das Paradoxe ist: Genau in dieser frühen Phase passiert oft die meiste Innovation, aber es gibt die wenigste Unterstützung“, so Čelik. „Junge Architekturschaffende warten heute nicht mehr auf Aufträge. Sie entwickeln eigene Projekte, starten neue Formate, experimentieren mit Materialien oder kollektiven Arbeitsweisen. Diese Energie möchten wir aufnehmen und verstärken.“
Österreichische Beiträge In Graz lädt das HDA junge Positionen ein, sich in Ausstellungen, Diskussionen oder Stadtspaziergängen im Programm des Hauses einzubringen. Die Themen sind lokal verankert, aber europäisch anschlussfähig. An der TU Wien entwickelt der Forschungsbereich Gebäudelehre neue Materialien für die Zukunft. Gemeinsam mit LINA-Partner:innen entstehen Projekte zur Wiederverwendung von Baustoffen oder zur Entwicklung von Holzbaukonstruktionen. Die Verbindung von Forschung und Öffentlichkeit ist Teil der Strategie.
Wissen verknüpfen LINA will zeigen, was Architektur kann und vor allem auch, wie sie wirkt. Die Mitglieder decken ein breites Spektrum ab: von der Design Academy Eindhoven, die Biodiversität in urbane Visionen übersetzt, über die ETSAM in Madrid, die Klima und Architektur als strategische Allianz denkt, bis zur Architekturfakultät in Ljubljana, die mit ihrer Online-Publikation Wissen zu Renovierungspraxen zugänglich macht. Alle LINA-Mitglieder stehen in einem lebhaften Dialog miteinander. Das Netzwerk funktioniert wie eine Übersetzungsmaschine: Forschung wird zu Ausstellung, Theorie wird zu Gespräch, Entwurf wird zur kuratierten Praxis. Da Architektur an vielen Stellen gleichzeitig verhandelt wird, ist diese Form des Austauschs essenziell.

Ein Symposium an der TU Wien thematisiert zirkuläres Bauen mit lokalen Ressourcen und Nebenprodukten.
Europäische Relevanz LINA ist auch ein politisches Statement. In Zeiten zunehmender Renationalisierung steht das Netzwerk für eine offene europäische Architekturszene. Institutionen aus Ländern mit eingeschränkter kultureller Landschaft wie etwa aktuell in Ungarn erhalten über LINA Zugang zu einem breiten Publikum. „Das ist von enormer Bedeutung“, betont Čelik. „Es geht um konkrete Sichtbarkeit. Und um den Schutz von Stimmen, die sonst vielleicht nicht gehört würden.“ Gerade im kulturellen Bereich kann Architektur so zur Trägerin gemeinsamer Werte werden. Während andere europäische Förderformate Musik oder Film adressieren, positioniert sich LINA als Plattform für den gebauten Raum und alles, was damit zusammenhängt...
