Alexander Poetzsch Architekturen | Integratives Familienzentrum, Dresden

Das Dresdner Büro Alexander Poetzsch Architekturen hat sich „Substanz statt Antlitz“ auf die Fahnen geschrieben. Ihr 2023 fertiggestellter Umbau einer ehemaligen Schokoladenfabrik in der Dresdner Johannstadt zum integrativen Familienzentrum ist ein überzeugendes Beispiel für eine Ästhetik der Nachhaltigkeit: Im Resultat bleibt der Prozess lesbar, oder, wie das Team schwört, Bestand bildet Zustand.
Text: Josepha Landes | Fotos: Johann Husser, Alexander Poetzsch Architekturen
Geschichtsträchtiger Boden Die zentrums- und elbnahe Dresdner Johannstadt entstand in ihrer heutigen Form von 1968 bis 1975 auf Grundlage des Plattenbausystems IW67. Ein Betonplattenwerk befand sich direkt auf dem Gelände einer 1921 errichteten Schokoladenfabrik. Mit dem Ende der DDR verkam die Industrieanlage und auch die Attraktivität des Wohnstandorts nahm ab. Seit 2014 erhalten Teile der Johannstadt öffentliche Förderung zur „Überwindung städtebaulicher Missstände und sozialer Probleme“. In diesem Rahmen wurde auch die Idee wiederbelebt, in der alten Fabrik ein Familienzentrum einzurichten. Ende der 1990er-Jahre hatte es hier kurzzeitig einen Jugendklub gegeben. Zu Projektbeginn 2019 fand das Team von Alexander Poetzsch Architekturen eine in großen Teilen eingestürzte und überwucherte Ziegelruine vor, überspannt von zunehmend rostigen Deckenträgern.
Wider den Abrissreflex Gemengelagen wie diese hätten noch vor wenigen Jahren kaum einen Gedanken an die Möglichkeit verschwenden lassen, das Feld nicht einfach abzuräumen und grundständig neu zu bauen. Allzu oft ist das bis heute gang und gäbe – bisweilen unter weit weniger desperaten Umständen. An der Schokoladenfabrik jedoch klopften die Planenden im wahrsten Sinn jeden Stein auf seine Tauglichkeit ab, auch die Räume der Zukunft zu tragen. Alexander Pötzsch, der seit 2015 mit einem mittlerweile auf über 30 Mitarbeitende angewachsenen Büro im Baugeschehen mitmischt, erinnert sich an eine Vorstudie, auf die der Umbau fußen sollte: „Um die Eingriffe gering zu halten, stand die Idee im Raum, an der Hofseite einen Laubengang zu ergänzen.“ Doch provisorische Lösungen wollten die Architekt:innen bewusst vermeiden. Es darf ruhig ruppig zugehen, wenn nur die Konsequenz eines Eingriffs besticht. „Stattdessen haben wir das Treppenhaus umgedreht. Der Zugang erfolgt nun über den Hof“, erklärt Pötzsch. Die Veränderungen sind an den Wänden erkennbar – Hohllochsteine zeigen offen, wo Reparaturen notwendig waren – sie beschönigen nichts. „Durch den Eingriff ließen sich die Flure an die rückwärtige Brandwand verlegen und alle Nutzräume können sich zum Innenhof orientieren.“ Der Hof in der vormaligen Herstellungshalle war eine der ersten und grundlegenden konzeptionellen Ideen für das Projekt. „In den Skizzen hatten wir schon dieses ‚mediterrane‘ Bild vor Augen, dass Rankpflanzen die Wände erobern“, sagt der Architekt.

© Johann Husser, Alexander Poetzsch Architekturen
Wir hatten Bedenken, ob das Jugendamt mit der
rohen Ästhetik einverstanden sein würde. Aber man
erkannte dort im ehrlichen Umgang mit den
Ressourcen etwas Lehrreiches.
Ein Projekt ohne Schönfärberei Allzu vordergründig hat sich der Anspruch in den Köpfen verankert, dass bauliche Eingriffe „eierlegende Wollmilchsäue“ sein müssen. Die Behandlung der einzelnen Bauteile in diesem Projekt bricht mit dieser Vorstellung: Wände tun einfach ihr Bestes, sind leicht oder schwer, tragen oder gliedern. Der Ansatz akzeptiert Einschränkungen, die mit der Wiederverwertung oder dem Erhalt einhergehen. Schließlich kann eine Wand vieles sein und vermag, wie jedes andere Element, durch die Art, wie sie eingebunden ist, Spezifisches zur Erzählung beizusteuern. So findet auch das Neue seinen Platz: Wo etwa eine Betonwand nötig war, zeigt sie sich unverblümt. Pötzsch führt aus: „Wir hatten Bedenken, ob das Jugendamt mit der rohen Ästhetik einverstanden sein würde. Aber man erkannte dort im ehrlichen Umgang mit den Ressourcen etwas Lehrreiches.“
Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 6/2025. Der Volltext ist ab Seite 112 zu finden.

© Johann Husser, Alexander Poetzsch Architekturen