Assemble + BC architects & studies Le Magasin Électrique, LUMA Arles, Frankreich

Wenn Architektur den Anspruch erhebt, Teil eines ökologischen und sozialen Wandels zu sein, dann genügt es nicht, bisherigen Mustern folgend weiterzubauen. Man muss die Zutaten neu zusammensetzen. Genau diesen Versuch unternimmt das Atelier LUMA im französischen Arles. Mit dem Umbau des „Magasin Électrique“ im wunderschönen Parc des Ateliers – mit dem markantem LUMA Arles Museum im Turm von Frank Gehry – ist ein Projekt entstanden, das nicht einfach ein weiteres Atelier oder Labor sein will, sondern ein lebendiges Experiment – und eine Suche danach, wie Architektur im 21. Jahrhundert regional verankert, kreislauffähig und gemeinschaftlich entstehen kann.
Text: Arian Lehner | Fotos: Adrian Deweerdt, Joseph Halligan, Joana Luz, Yves de Muyter, Morgane Renou
Ein Umbau ohne Masterplan „Von Anfang an gab es den Wunsch, das Projekt in der Bioregion Camargue zu verankern – geografisch, kulturell, sozial und materiell“, erzählen BC Architects, die gemeinsam mit Assemble für den Entwurf verantwortlich sind. Statt mit fertigen Konzepten nach Arles zu reisen, begann das Team mit Zuhören, Kartieren und der Suche nach lokalen Ressourcen und Handwerkstraditionen. Schon seit seiner Gründung 2016 hatte das Atelier LUMA an einer genauen Erfassung der Bioregion gearbeitet. Diese Forschungsbasis ermöglichte es, das Projekt nicht als klassische Renovierung zu verstehen, sondern als Entwicklung eines lebendigen Prototyps für bioregionale Gestaltung.
Architektur als Versuchsanordnung Eine zentrale Herausforderung bestand darin, das 2.100 Quadratmeter große industrielle Erbe aus dem 19. Jahrhundert in einen zeitgenössischen Experimentierraum zu verwandeln, ohne die Prinzipien der Nachhaltigkeit zu verraten. „Das Gebäude sollte selbst zum Forschungslabor werden“, so BC Architects. Reismatten aus der Camargue als Dach- und Wanddämmungen, Stampflehmwände aus lokalen Abfällen, Akustikpaneele aus Sonnenblumenfasern: Viele dieser Materialien wurden erstmals in dieser Größenordnung erprobt.
Ein kollektives Entwerfen „Unsere Rolle war weniger die eines klassischen Architekturbüros, sondern die von Moderator:innen eines kollektiven Prozesses“, betont das Team. Entscheidungen entstanden iterativ und gemeinsam, ohne starre Hierarchien und oft in Echtzeit: in Workshops, in Modellen, durch Diskussionen und vor Ort errichtete Prototypen, die immer wieder angepasst wurden. Diese Offenheit erforderte nicht nur ein hohes Maß an Flexibilität, sondern auch großes Vertrauen unter allen Beteiligten – Architekt:innen, Handwerker:innen, Forscher: innen und lokale Partner:innen. Der Umbau wurde so zu einer sozialen wie architektonischen Erfahrung, bei der der Entstehungsprozess ebenso wichtig war wie das fertige Gebäude selbst. Im Bauprozess verwoben sich Forschung und Architektur und ließen Le Magasin Électrique zu einer lebendigen Versuchsanordnung werden, in der auch Fehler und spontane Kursänderungen Teil der Entwicklung waren.
Das Gebäude sollte selbst zum Forschungslabor werden.

© Adrian Deweerdt, Joseph Halligan, Joana Luz, Yves de Muyter, Morgane Renou
Bioregionale Materialien neu gedacht Die meisten eingesetzten Materialien sind Nebenprodukte der Region: Sonnenblumenstängel von den Ebenen der Crau, Reisstroh aus der Camargue, Tonabfälle aus nahen Steinbrüchen, Salz aus den Sümpfen der Camargue. Diese Rohstoffe wurden sorgfältig ausgewählt und in umfangreichen Prototypenreihen getestet, sowohl auf technischer Ebene als auch im Dialog mit lokalen Produzent:innen und Handwerker: innen. Validiert wurde nicht nur durch Laborprüfungen, Belastungstests und die direkte Anwendung vor Ort, sondern auch kulturell – mit Bezug auf traditionelle Verarbeitungsweisen und bestehende Wissensnetzwerke. Für BC Architects war klar: „Technische Überprüfung war wichtig, aber genauso wichtig war der kulturelle Wert.“ Denn nur wenn ein Material in die bestehenden sozialen und kulturellen Praktiken eingebettet werden kann, entwickelt sich daraus eine tragfähige Perspektive für die Zukunft.
Nie ganz fertig Der Gedanke des Unfertigen prägt Le Magasin Électrique bis heute. „Das Gebäude ist nicht als abgeschlossenes Objekt gedacht, sondern als ein sich entwickelnder Organismus“, erklären BC Architects. Räume werden immer wieder neu angepasst, neue Materialien erprobt und Experimente in die bestehende Struktur integriert. Schon jetzt modifizieren die Nutzer:innen den Bestand für ihre aktuellen Forschungsprojekte oder passen ihn für neue Versuchsaufbauten an. Diese Veränderungen sind nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht. Der Umbau ist eine Einladung zum ständigen Weiterdenken und Weiterbauen. Dieser offene Prozess ist keine Schwäche, sondern der Kern der Architektur: ein Raum, der lebt, sich verändert und sich immer wieder neu mit seinem Umfeld verbindet...
Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 6/2025. Der Volltext ist ab Seite 88 zu finden.

Baustelle als Labor: Der Umbau wurde zur kollektiven Lernplattform, auf der Materialien, Prozesse und Ideen erprobt wurden.