RE:Ukraine Housing | balbek bureau

Die Regeln der Zeitlichkeit

balbek bureau, RE:Ukraine Housing © balbek bureau

balbek bureau, ein preisgekröntes Studio aus Kiew, war damit beschäftigt, Büros und Restaurants zu entwerfen, als Russland den vollständigen Krieg gegen die Ukraine begann. Dieser plötzliche Akt der Aggression zwang die ArchitektInnen dazu, eine neue Rolle zu übernehmen – die Rolle von Menschen, die auf der Suche nach Sicherheit aus ihrer Heimat fliehen.

Die Kommunikationsleiterin des Büros berichtet, wie ihr Projekt RE:Ukraine Housing entstanden ist – und was ihr Team auf dem Weg dorthin gelernt hat.


Nichts ist so beständig wie das Vorübergehende. Es ist August 2024, und ich werde immer noch jede zweite Nacht von Fliegeralarm geweckt. Das Denkmal für einen bekannten ukrainischen Dichter, das ich von meinem Fenster aus sehen kann, ist immer noch mit Sandsäcken abgedeckt. Doch irgendetwas fühlt sich auch anders an – trotz der ständigen Bedrohung sind die meisten meiner KollegInnen wieder zu Hause, und wir haben es noch nie so sehr genossen.

Im Februar 2022, als russische Truppen die Vororte von Kiew besetzten, machten sich viele von uns auf den Weg nach Westen, um Zuflucht zu suchen. Einige hatten das Glück, ein Zimmer zu finden, in dem sie übernachten konnten; andere landeten in improvisierten Unterkünften in Kindergärten und Gemeindezentren. Den Raum mit Fremden zu teilen, war nicht ideal. Aber die Frage, ob man einen Ort hatte, an den man zurückkehren konnte, war noch viel schwieriger.

Nach einigen Wochen, als wir uns einigermaßen eingelebt hatten, hatte unser Geschäftsführer, Slava Balbek, eine Idee. Da der Feind immer weiter vorrückte, stieg die Nachfrage nach Unterkünften für die evakuierte Zivilbevölkerung rapide an. Und da bereits klar war, dass der Krieg nicht nur Wochen, sondern Monate dauern würde, musste es eine schnelle, aber dennoch langfristige Lösung geben. Der Drang, unseren ukrainischen MitbürgerInnen zu helfen, hat uns dazu gebracht, aus dem Schwebezustand auszubrechen und uns wieder an die Arbeit zu machen. Das Fachwissen im Bereich Architektur gab unserem Team die richtigen Werkzeuge an die Hand; die Erfahrung der eigenen Flucht fügte den dringend benötigten Kontext hinzu. Diese Kombination aus Beruflichem und Persönlichem bildet die Grundlage für RE:Ukraine Housing, unserer Vision von menschenwürdigen Lebensbedingungen für Vertriebene.

balbek bureau, RE:Ukraine Housing © balbek bureau

Die RE:Ukraine Community Hubs sind Interaktions- und Erholungszentren.
© balbek bureau

Um die Grundlagen für unser temporäres Wohnsystem zu schaffen, mussten wir uns intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Die Untersuchung von mehr als 20 bestehenden Projekten in Ländern wie Deutschland, der Schweiz und Kanada hat uns zu einer ersten Erkenntnis geführt: Umzäunte Containerlager sind nicht die Lösung. Containerunterkünfte sind zwar kostengünstig und einfach zu errichten, aber einen stickigen Container als Zuhause zu haben, grenzt an Entmenschlichung.

Als Nächstes stellten wir fest, dass Standardlösungen anpassbar sein können – und sollten. Auch wenn es noch so verlockend ist: Ein Design, das für alle passt, kann nicht die Lösung sein, denn ein Zimmer für eine alleinerziehende Mutter mit einem Kleinkind und eines für eine ältere Person mit Behinderungen erfordern unterschiedliche Grundrisse und Einrichtungsgegenstände. Dabei ist die Personalisierung gar nicht so anspruchsvoll, wenn sie gut durchdacht ist: Mit ein paar Tricks lässt sich ein und derselbe Grundriss auf unterschiedliche Lebenssituationen zuschneiden.

Wir haben jede Bewohnerin und jeden Bewohner als Individuum betrachtet, aber wir haben auch an sie als Gesamtheit gedacht. Vertrieben zu sein ist eine einsame Erfahrung: Es sind nicht nur die Wände, die man hinter sich lässt, sondern auch die Menschen, mit denen man täglich zu tun hat. Da soziale Kontakte für das psychische Wohlbefinden von entscheidender Bedeutung sind, haben wir beschlossen, sie in der Siedlung zu fördern. Unser Team gestaltete einladende Gemeinschaftsräume, um den BewohnerInnen zu helfen, Beziehungen zueinander aufzubauen. Geräumige Gemeinschaftsküchen, gut ausgestattete Aufenthaltsräume und einladende Spielplätze sollten auf natürliche Weise zu Gesprächen anregen, ohne sie zu sehr zu forcieren...

Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 10/2024. Der Volltext ist ab Seite 118 zu finden.


RE:Ukraine Housing in Bildern:

balbek bureau, RE:Ukraine Housing © balbek bureau

balbek bureau haben die weltweiten Erfahrungen von temporärem Wohnraum analysiert...
© balbek bureau

balbek bureau, RE:Ukraine Housing © balbek bureau

So haben sie ein System entwickelt, das ein menschenwürdiges Wohnen ermöglicht.
© balbek bureau

balbek bureau, RE:Ukraine Housing © balbek bureau

Die Systementwurfsgrundsätze folgen drei Kathegorien: Funktion, Empathie und Technologie.
© balbek bureau

balbek bureau, RE:Ukraine Housing © balbek bureau

Die wichtigste Aufgabe ist die Aufrechterhaltung einer angemessenen Lebensweise.
© balbek bureau

balbek bureau, RE:Ukraine Housing © balbek bureau

BürgerInnen sollen auch Rehabilitationsberatungen in Anspruch nehmen können.
© balbek bureau

balbek bureau, RE:Ukraine Housing © balbek bureau

Denn Umzäunte Containerlager sind nicht die Lösung.
© balbek bureau


 


 

Banner 10/2024

Das könnte Sie auch interessieren

Newsletter Anmeldung

Wir informieren Sie regelmäßig über Neuigkeiten zu Architektur- und Bauthemen, spannende Projekte sowie aktuelle Veranstaltungen in unserem Newsletter.

Als kleines Dankeschön für Ihre Newsletter-Anmeldung erhalten Sie kostenlos ein architektur.aktuell Special, das Sie nach Bestätigung der Anmeldung als PDF-Dokument herunterladen können.