Hans Christian Andersen Museum, Odense
Märchenhaft | Holzfachwerke sind wohl die ältesten vorgefertigten Bauweisen. In Nordeuropa haben sie eine lange Tradition im Fachwerkbau. Kengo Kuma versteht es auf subtile, zauberhafte Weise, diese Technik in eine „nicht-lineare“ Architektur zu übersetzen. Und damit das perfekte Bindeglied zwischen der Lebenswelt eines Schriftstellers und seiner Märchenwelt zu schaffen.
Geschwungene Pfade
Mit sanften Kurven und viel Vegetation eine möglichst „weiche“, immersive „Welt der Träume“ zu gestalten, diese Idee stand am Beginn von Kengo Kumas Entwurf für ein neues Privatmuseum in Odense, der drittgrößten Stadt Dänemarks. Es ist den weltberühmten Märchen von Hans Christian Andersens gewidmet. Kuma, dessen Olympiastadion in Tokyo im Sommer über die Bildschirme der Welt flimmert, gilt als Gallionsfigur der neuen japanischen Baukunst: Nach den Jahren der eleganten Kühle und papier-dünnen, ephemeren Ästhetik steht seine Architektur für eine Rückkehr zu warmen, haptisch attraktiven Oberflächen.
Dass Kuma geschickt eine „promenade architecturale“ entwickeln kann, die Kinder wie Erwachsene in das Reich der Phantasie entführt, beweist er einmal mehr mit dem neuen Museum. Band-artige Rampen führen Besucher über einen Mäander hinab in die Ausstellungs-Welt von Andersen. Die elegant geschwungenen Wege dieser Voyage erinnern an Oscar Niemeyers Museum in Niterói. Die Enge der Serpentinen führt in die Weite der großen unterirdischen Ausstellungsflächen. So will es die Raumdramaturgie. In der Halle selbst können Besucher eigene Pfade finden.
Glückhafte Szenografie
Der 1805 in Odense geborene H. Ch. Andersen ist der berühmteste Märchenautor der Literaturgeschichte. Seine einzigartige literarische Welt in die drei – oder vier? – Dimensionen der Baukunst zu übersetzen, war eine heikle Aufgabe. Denn die Versuchung, zu bildhaft, zu nah am Kitsch oder zu übergriffig für die eigene Vorstellungswelt zu sein, ist groß. ...