Haus der ungarischen Musik in Budapest
Seinen strengen, glatten und weißen Formenkanon, für den er berühmt wurde, hat der japanische Stararchitekt Fujimoto in Budapest erstmals überwunden: Mit dem radikalen Gegenbild einer Natur-Ästhetik, die einen Wald in Architektur übersetzen will, beschwört er die Universalität von Musik.
Leitmotiv Baum
Das Leitmotiv „Baum“ steht im Mittelpunkt des „Hauses der ungarischen Musik“, das Fujimoto in Budapest in der Nähe des Heldenplatzes entworfen hat. Die Oberfläche ist von hundert Löchern durchbrochen. Das Haus mit seinem perforierten Dach-Diskus wirkt wie eine Mischung aus Shigeru Bans Hanegi Forest in Tokyo in den Obergeschossen und SANAAs Glasmuseum in Toledo/Ohio im Parterre. Die Idee, ein Gebäude um vorhandene Bäume herum zu formen, kennt man auch von Sverre Fehns Pavillons auf dem Biennale-Gelände in Venedig. Fujimotos Entwurf war in einem Wettbewerb mit 168 Teilnehmern ausgewählt worden. Auf dem Grundstück befanden sich zuvor die Hungexpo-Büros, die für den japanischen Neubau abgerissen wurden.
3D-Hören im Park
Das Haus der Musik bietet Raum für Ausstellungen und Konzerte: „Es beherbergt Musik und Musikvermittlung an einem Ort“, sagt Direktor András Batta.
Durch Lichtschächte im organisch geformten Dach werden die Räume von oben belichtet, wie „durch das Laub der Bäume“. Das gelöcherte Vordach lässt wie ein Baumdach Sonnenstrahlen und Licht bis auf den Boden fallen. Die Unterseite des Daches wurde mit 30.000 gold-schimmerndem geometrischen Metall-Formen verkleidet, die an Herbstlaub erinnern sollen und wie die Polygone eines Tangram-Spiels geformt sind:
, sagt Sou Fujimoto.
Das Budapester Gebäude verschmilzt visuell mit dem umliegenden Park, dem größten Ungarns, weil die Erdgeschoss-Fassaden aus Glas bestehen. Die facettierten Glaswände umschließen einen Konzertsaal mit 320 Plätzen und einen kleineren Hörsaal. Die Fassaden bestehen aus bis zu zwölf Meter hohen Gläsern, die jedoch meist von schwarzen Vorhängen verhangen sind. Der Neubau hat drei Ebenen: Unter der Erde gibt es eine interaktive Ausstellung zur Musikgeschichte. Sie erzählt die Geschichte der Musik durch interaktive Displays. Eine halbkugelförmige „Klangkuppel“ ist inspiriert vom Kugelauditorium, das für Karlheinz Stockhausen für die Expo in Osaka 1970 gebaut wurde. In Budapest ist die Kuppel ist jedoch architektonisch leider nicht artikuliert, sondern im Keller versteckt. Der Ton im Klangraum wird von 31 Lautsprechern aus allen Richtungen abgegeben. Das 360-Grad-Surround-System bietet ein eindrucksvolles 3D-Hörerlebnis.
Wald wird Architektur
Eine breite, elegante Wendeltreppe verbindet die drei Stockwerke. Im Erdgeschoss liegen neben den beiden Konzertsälen nur eine Terrasse und eine Open-Air-Bühne. Die darüber liegende Ebene beherbergt Klassenzimmer, Bibliothek, Büros und ein Archiv und ist architektonisch die unattraktivste. Die Räume in der geschosshohen Dachkonstruktion bleiben zwar unterhalb der Baumkronen, wirken jedoch wie in den Grundriss hineingequetscht. Es gibt keine rechten Winkel im Dach und keine wiederkehrenden Elemente und die Formgebung wirkt angestrengt. „Ich habe mir den Grundriss als Fortsetzung der Umgebung vorgestellt, wo die Grenzen zwischen Innen und Außen verschwimmen“, sagt der Architekt. „Wir wollten den Wald in Architektur verwandeln.“