Med Campus Graz | Photo David Schreyer

Vom Städtebau zum Labor-Workflow Mit Modul 1 des neuen Med Campus Graz realisierten Riegler Riewe Architekten dank ihrer bewährten Entwurfsmethodik den ersten Bauteil eines hochspezialisierten funktionalen Universitätsareals – und ein neues Stadtteilgefüge mit freiräumlichen Angeboten. Die Regelmäßigkeit und Sachlichkeit der grafischen Fassadenzeichnung korrespondiert mit der geleisteten Präzisionsarbeit im Inneren.


Joint Forces Als 2004 die medizinischen Traditions-Fakultäten in Wien, Innsbruck und Graz aus der Bundesverwaltung ausgegliedert wurden und fortan als selbstständige Einheiten wirkten, wurde vom zuständigen Ministerium die Entscheidung getroffen, den Neubau der Med Uni in Graz in Angriff zu nehmen. Denn diese Schule überzeugte mit einem innovativen Konzept zur Reorganisation der medizinischen Lehr- und Forschungslandschaft. Den 2010 EU-weit ausgeschrieben Wettbewerb konnten Riegler Riewe Architekten mit einer funktionsoptimierten Architektur mit avancierter Handschrift für sich entscheiden. Für die Med Uni Graz (MUG) bedeutete der Bau des Campus im Osten der Landeshauptstadt Neuorientierung und -strukturierung – u.a. wurden die zwölf Institute zu vier Forschungszentren gebündelt – sowie ein Signal für den Vormarsch ins europäische Spitzenfeld von Lehre und Forschung. An einem Standort konzentriert, profitieren die zuvor über das ganze Stadtgebiet verstreuten vorklinischen Institute nun vom gegenseitigen Austausch und der unmittelbaren Nähe zum LKH-Klinikum. Für die Stadt Graz war es die Entwicklung eines neuen Stadtteils: Allein Modul 1, eröffnet im Oktober 2017, liegt mit einer Bruttogeschossfläche von 44.825 m2 auf 2,7 Hektar Baugrund und bietet über 5.000 Personen Platz zum Studieren und Forschen.

Die Stadt unterstützte die Stärkung des Forschungsstandortes Graz u.a. mit dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, wie der Verlängerung der Straßenbahnlinie, dem Ausbau von Geh- und Radwegen und der Regulierung des Stiftingbaches. Die Architekten wiederum – es ist bauvolumenmäßig das größte Projekt des Grazer Büros – begaben sich unter intensiver Einbindung der MUG in einen komplexen Planungsprozess: von strengen Anforderungen an eine nachhaltige Ausrichtung bis hin zur Entwicklung perfekter baulicher Bedingungen für Labors mit Spitzenleistungen. Mit einem Wort, viele unterschiedliche Interessen, die im Planungs- und Bauprozess des Großprojekts aufeinandertrafen, die aber von einem kräftigen Zug an einem gemeinsamen Strang bestimmt waren. Auch der lange Weg, der mit dem Bau von Modul 2 (voraussichtliche Fertigstellung 2023) noch zu gehen ist, und der die BGF verdoppeln wird, zeichnet sich als eine konsensorientierte Kooperation zwischen Bauherr und Nutzer, Stadt und Land ab.

Ein konzentriertes Stück Stadt Die Antwort auf das komplexe Raumprogramm gaben Riegler Riewe in der Weiterführung ihrer charakteristischen stadträumlichen Typologie: Unterschiedlich lange, NW/SO gerichtete Baukörper – parallel geschichtet um einen zentralen Platz auf der sogenannten Campusebene, dem ersten Obergeschoss – bilden den kleinstädtisch verdichteten Raster. Die Setzung der schmalen Baukörper nimmt auf die Hauptwindrichtung des Mikroklimas Rücksicht – der Wind aus dem Stiftingtal stellt eine wichtige Frischluftzufuhr für die ganze Stadt dar. Die Aufsplittung in 13,40 Meter „dicke“ Laborgebäude und dazugehörige 7,40 Meter „dünne“ Bürotrakte beruht auf Erfahrungswerten der Architekten, die hier optimiert zusammengeführt wurden: Zum einen auf dem Erfolgsmodell der Informations- und Elektrotechnischen Institute der TU Graz (2001) mit ihren informell genutzten Kommunikationszonen in den Lufträumen zwischen den Riegeln. „Ein Campus ist für uns ein Stück Stadt mit Straßen, Wegen und Plätzen“, erklärt Roger Riewe.

Med Campus Graz | Photo Paul Ott

Med Campus Graz | Photo Paul Ott

Zum anderen auf der maximalen Tageslicht-Versorgung des Laborgebäudes II am Campus Boehringer Ingelheim in Biberach (2009). Verbunden sind die jeweiligen Paare durch offene oder geschlossene 3,60 Meter breite Brücken. Im Zusammenspiel mit dem zentralen Platz, den Freiräumen zwischen den Riegeln bis hin zu Sitznischen vor den Sekretariaten, entfalten sich unterschiedliche Möglichkeiten zur Aneignung sowie zur Kommunikation. Belebt werden Außen- und Innenräume durch themenspezifische Kunstwerke, da und dort finden sich schon ein paar extra aufgestellte Tische und Stühle für den Plausch zwischendurch.

Der Großteil der Arbeit geschieht in solchen Nischen und nicht am Platz

„Der Großteil der Arbeit geschieht in solchen Nischen und nicht am Platz“, sagt Riewe. Die Wegeführungen und vor allem Sichtachsen, die dem Ensemble im Verbund mit den gläsernen Brückenstegen Leichtigkeit und Offenheit verleihen, betten die ruhigen Kubaturen durchlässig an den Stadtrand. Gegen die Stadt hin (zum gegenüberliegenden LKH) schützt der langgezogene mächtige Riegel mit Haupterschließung und Durchbruch auf Campusebene. Von hier wird mit Modul 2 auch an das LKH-Gelände angeschlossen werden. Darunter liegt um einen Lichthof die zweigeschossige Zone der Einrichtungen für Lehre (u.a. Aula, fünf Hörsäle und Studierzonen), Administration und Infrastruktur. Funktional getrennt von den öffentlichen Strömen, sind in den zum Teil sechsgeschossigen Riegeln darüber die Forschungsinstitute untergebracht.(...)

Med Campus Graz | Photo Paul Ott

Med Campus Graz | Photo Paul Ott

Bauherr

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