Raue Poesie der Kontraste

Moser und Hager Architekten | Dirnbergergut

Im oberösterreichischen Mühlviertel gehören große Hofanlagen und mächtige Vierkanthöfe zu den landschaftsprägenden Elementen. Verlieren die Höfe ihre ursprüngliche Funktion, stehen sie leer oder werden mindergenutzt. Bauten verfallen, werden abgerissen oder durch Neubauten ersetzt. Neben dem Verlust historischer, denkmalwerter Bausubstanz verschwindet mit jedem Bauwerk ein Stück landschafts- und geschichtsbezogener Identität. Dass die Verklärung ländlicher (Bau-)Kultur bis heute teilweise erstaunliche Blüten treibt, weiß man in Österreich spätestens seit den zuweilen boshaften Beiträgen eines Adolf Loos.

Text: Georg Wilbertz | Fotos: Gregor Graf


Wohnen als sinnvolle Funktion In Oberösterreich wächst das Interesse, historische Bausubstanz nicht nur zu erhalten, sondern ihr auch eine sinnvolle Nutzung zu geben. Glücklicherweise erfolgt häufig die Adaption als Wohngebäude, die tatsächlich für diese Funktion genutzt werden und nicht als überdimensionierte Wochenenddomizile verstauben. Dabei bleibt der identitätsstiftende Bezug zur umgebenden Landschaft, der die traditionellen Höfe auszeichnet, erhalten. Neben dem Idealismus spielen häufig auch ökologische Überlegungen eine Rolle. Zu den wenigen in Oberösterreich ansässigen Büros, die sich intensiv mit den komplexen Fragestellungen der architektonischen, funktionalen und letztlich ästhetisch anspruchsvollen Umwandlung bestehender Bauernhöfe befassen, gehören Moser und Hager Architekten aus Neuhofen an der Krems. Hinsichtlich des methodischen Zugangs betont Michael Hager: „Wir gehen erkenntnisorientiert vor. Eine genaue Analyse des Bestands und der sich daraus ergebenden Möglichkeiten ist die Voraussetzungen unserer Planungen. Entscheidend ist die vorgefundene Situation. So wird gestalterische Willkür im Entwurfsprozesses vermieden.“ Für Anna Moser und Michael Hager reicht das Spektrum der Ansätze von einer sensiblen, harmonischen Verbindung von Alt und Neu bis hin zu mutigen Eingriffen, die gezielt auf Kontraste und gestalterische Spannung setzen.

Im Umgang mit Beständen und historischen Substanzen ist der Begriff der Kontinuität sehr wichtig. Die Sicht nach hinten mit der Perspektive nach vorne erscheint uns hier als sinnvoller und reizvoller Weg.

Moser und Hager Architekten

Eine Art Urhütte Beim Umbau der großen Tenne des Dirnbergerguts bei Gusen setzte das Architekturbüro auf einen mutigen Kontrast zwischen Alt und Neu. In eine mächtige Tenne vom Beginn des 20. Jahrhunderts wurde eine konstruktiv autonome, zweigeschossige Hausbox mit mehr als 200 Quadratmetern Wohnfläche eingefügt. Ursprünglich sollte bei dem aus Vierkanthof und Tenne bestehenden Ensemble nur der Vierkanter zum Mehrgenerationenhaus umgebaut werden. Die räumlichen Potentiale der mächtigen Tenne gelangten erst relativ spät ins Blickfeld von ArchitektInnen und Bauherrschaft. Der mächtige, vom Hof abgerückte Langbau wurde entkernt und die typischen hölzernen Seitenwände wurden herausgenommen. Übrig blieb eine Art überdimensionierte, rurale „Urhütte“, aus großdimensionierten Ziegelpfeilern und dem erhaltenen Dachstuhl. Auf ihm ruht das beeindruckende Walmdach. Die Tenne blieb in ihrer ganzen Rauheit erhalten. Wo nötig, wurde ausgeflickt und stabilisiert. Die mit weitem Abstand gesetzten, massiven Pfeiler zeigen Kanten, Brüche, verletzte Oberflächen. Architektonische Schönheit im landläufigen Sinn war nicht das Ziel. Stattdessen prägt für Moser und Hager die lesbare Geschichte die äußere Gestalt...

Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 1-2/2025. Der Volltext ist ab Seite 106 zu finden.

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