sandbichler architekten

Wohn- und Geschäftshaus Scirocco 10, Wien-Favoriten

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Mit skulpturalen Formen, einem öffentlichen Platz, Supermarkt und vielgestaltigen Gemeinschaftsflächen für die Bewohner entstand ein attraktives Zentrum für ein Quartier in Wiens einwohnerstärkstem Stadtbezirk.


Städtebau-Klassiker

Der Kernbereich von Wiens südlichem Stadtbezirk Favoriten ist ein Klassiker gründerzeitlicher Stadtentwicklung: Orthogonaler Straßenraster, rasche Ausdehnung entlang der radialen Hauptachsen, dazwischen Blockrandbebauungen mit erheblicher Dichte. Noch in Otto Wagners Studie „Die Großstadt“ (1910) diente dieses System als Grundmodell der Stadtentwicklung, aufgewertet durch regelmäßige Aussparungen für Grünflächen und zentrale Bezirksplätze für öffentliche Funktionen. Auch das südlichste Quartier an der damaligen Stadtkante Favoritens sollte ab 1900 nach diesem Muster ins Umland wachsen: Auf der Zwickelfläche zwischen den Radialachsen Favoritenstraße und Laxenburgerstraße begann man mit einem großen Hauptplatz samt zentralem Sakralbau: 1896-1902 errichtete Franz von Neumann die riesige Antonskirche im Stile ihres berühmten Vorbildes in Padua. Einen Steinwurf entfernt liegt das neue Wohn- und Geschäftshaus Scirocco 10. Dass es dafür unbebaute Flächen gab, liegt an Wiens Geschichte nach dem Ersten Weltkrieg, als das Stadtwachstum abrupt zum Stillstand kam. 

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Bebauungen gab es damals südlich der Antonskirche vorerst nur entlang der Laxenburgerstraße – aber nur einen Block tief, dahinter lagen noch grüne Wiesen.  Dort siedelte sich die Ventilatorenfabrik Sirocco an, die später den Namen des Wohn- und Geschäftshauses der sandbichler architekten inspirieren sollte. Erst ab den 1950er Jahren entstanden rundum große Sozialwohnungskomplexe, nun allerdings im spätmodernen System freistehender Scheiben mit Abstandsgrün. Auch für einen großen städtischen Kindergarten als Vierkant-Typ und für den kammförmigen Schulkomplex des Bundesgymnasiums Ettenreichgasse fanden sich noch ausreichende Flächen. Dann zog Sirocco an einen neuen Standort, die Fabrikshalle wurde für einen Meinl-Supermarkt mit Parkplätzen rundum genutzt.

Bauskulptur und Grätzlzentrum

Diese Vorgeschichte erwies sich als Glücksfall, denn durch den Abverkauf der Meinl-Märkte kam die Liegenschaft in die richtigen Hände: Ein Tiroler Immobilienentwickler erwarb sie und bat den ebenfalls aus Tirol stammenden Wiener Architekten Bruno Sandbichler, dafür ein Nutzungskonzept zu entwerfen. In seinen Überlegungen reagierte dieser auf einen weiteren Glücksfall, nämlich der Verlängerung der U-Bahnlinie 1, für die gleich hinter dem Haus eine neue Station errichtet wurde – so wurde das ehemalige Vorstadtquartier stark aufgewertet und ist nun in zehn Minuten aus dem Stadtzentrum erreichbar. Und es war klar, dass hier ein multifunktionales, dichtes Stadthaus entstehen muss.
Sandbichler entwickelte vier Varianten, zunächst nur als abstrakte Baukörpermodelle, die er mit der Baubehörde MA 21 diskutierte. „Mir war es sehr wichtig, mit der Kubatur einen plastischen Eindruck zu erzeugen“, erklärt der Architekt. Auch die Topografie des Platzes sollte sich ausdrücken.

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So plante er den Bauteil an der Ostkante des Grundstücks abgetreppt – analog den Nachkriegswohnbauten auf der anderen Straßenseite und dem nordwärts leicht abfallenden Gelände folgend. In Richtung der Grünflächen von Kindergarten und Schulkomplex im Westen hingegen sollte sich der Bau öffnen und aus Hochpunkten Ausblicke über die ganze Stadt hinweg bieten. Dazwischen waren viele Terrassen und große Durchbrüche zwischen den Baukörpern vorgesehen. Besonders wichtig war Sandbichler ein Grünstreifen entlang der Troststraße an der Nordkante des Grundstücks, der noch aus Fabrikszeiten und der nachfolgenden Parkplatznutzung stammte. Der Architekt wollte ihn als Treffpunkt und Grätzlzentrum beim Supermarkt erhalten, was ihm letztlich auch gelang – der Vorplatz wurde später von den DnD-Landschaftsplanerinnen in wellige Cortenstahl- und Kiesstreifen gegliedert.
Sandbichlers vielgestaltiges Konzept überzeugte die Behörde, die eine entsprechende Widmung für Supermarktflächen in einem 4,80 m hohen Sockelgeschoss sowie acht Wohngeschossen darüber erteilte. Der Immobilienentwickler verkaufte daraufhin die Liegenschaft samt Widmung und Bauprojekt an zwei etablierte Wiener Wohnbauträger, die Genossenschaften Neue Heimat und Neues Leben. Diese übernahmen Konzept und Planer und führten das Projekt bis zur Eröffnung. (...)

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