Der soziale Wohnungsbau prägt die Architektur Wiens

In den 1920er Jahren begann die Stadt Wien mit der Errichtung sozialer Wohnbauten. Diese waren zunächst für Arbeiter bestimmt, die aus den Kronländern zuwanderten. Heute sind diese Gebäude ein wichtiger Bestandteil des Architekturbilds Wiens. Hier erfahren Interessierte, wer in einer Sozialwohnung leben darf und bekommen Informationen zur Architektur der sozialen Wohnbausiedlungen Wiens.

In der österreichischen Hauptstadt gibt es mehrere soziale Wohnsiedlungen, die in unterschiedlichen historischen Epochen entstanden sind. Auch heute noch machen die Sozialwohnungen bezahlbares Wohnen in Wien möglich.

Im sozialen Wohnbau leben – das sind die Voraussetzungen

Wer im sozialen Wohnbau leben möchte, muss einige Voraussetzungen erfüllen. Ab einem Alter von 17 Jahren ist die Anmeldung für eine Sozialwohnung in Wien möglich, doch erst ab 18 dürfen Bürger sie beziehen. Darüber hinaus muss ein dringender Wohnbedarf gegeben sein. Zudem spielt das Jahres-Netto-Einkommen eine wichtige Rolle. Es darf in einem Single-Haushalt nicht über 47.210 Euro liegen. Bei Paaren liegt die Grenze aktuell bei 70.340 Euro. Sind diese Bedingungen erfüllt, sollten sich Interessenten auf die Suche nach einer passenden Sozialwohnung machen und sich dann bei der Wohnberatung Wien für die Förderung bewerben.

Aufgrund ihrer hohen Lebensqualität, den günstigen wirtschaftlichen Bedingungen und beruflichen Möglichkeiten gehört Wien zu den bevorzugten Wohnadressen Österreichs. Circa 30 Prozent der geförderten Wohnungen werden heute in der Bundeshauptstadt als preiswerte SMART-Wohnungen erbaut. Diese Wohnungen zeichnen sich durch äußerst günstige Mieten und Eigenmittel aus und sind dennoch sehr alltagstauglich. Die Wohnberatung Wien unterscheidet folgende Arten von Sozialwohnungen:

  • Geförderte Miet- und Genossenschaftswohnungen, die durch gemeinnützige und gewerbliche Bauvereinigungen hergestellt werden
  • Geförderte Eigentumswohnungen, die durch die Käufer langfristig über ein Darlehen finanziert werden
  • Gefördert sanierte Wohnungen, die im Rahmen der „Sanften Stadterneuerung“ modernisiert wurden

Doch nicht nur heute gibt es Sozialwohnungen in Wien. Die Idee geförderten Wohnens geht auf die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurück. Im Folgenden werden die berühmtesten Sozialsiedlungen Wiens vorgestellt.

Der Metzleinstalerhof ­– Ursprung des sozialen Wohnungsbaus in Wien

Als Ursprung des sozialen Wohnbaus gilt der Metzleinstalerhof, der sich im fünften Wiener Gemeindebezirk befindet. Robert Kalesa begann mit der Errichtung schon während des Ersten Weltkriegs. Leider musste das Vorhaben aus Mangel an finanziellen Mitteln unterbrochen werden. 1918 beauftragte die Stadt Wien den Architekten Hubert Gessner mit der Aufgabe und 1925 wurde die Wohnanlage eröffnet. Der Metzleinstalerhof ist ein prägnantes Beispiel für den Übergang vom eigen- zum gemeinnützigen Wohnungsbau, denn damals waren mit der Wohnanlage bereits Sozialeinrichtungen wie ein Kindergarten, eine Badeanstalt, eine Wäscherei, und eine Bibliothek verbunden.

Der Metzleinstalerhof ist als Randverbauung mit großem Innenhof angelegt. Die Wohnhäuser sind durch Erker, Balkone und Loggien gegliedert, wobei runde und eckige Formen auffällige Kontraste bilden. Vom Innenhof aus lassen sich die Stiegen begehen. Zudem sind der Innenhof-Fassade turmartige Gebäudeteile vorgesetzt, die den Hof verwinkelt erscheinen lassen.

Die Fassade des ersten Bauteils ist gelb und die des zweiten Bauteils hellgrau gestrichen. An den Frontseiten befinden sich auffällige Ornamente in Putz, die auf die Planungen von Kalesa zurückgehen. Gessner erweiterte sie mithilfe von bunten Majolika-Rosetten, Ranken- und Füllhornmotiven.

Der "Rote Wohnungsbau" in der Zwischenkriegszeit

Zum "Roten Wohnungsbau", der in der Zwischenkriegszeit das architektonische Leitbild des sozialen Wohnbaus prägte, gehören der Karl-Marx-Hof und der Sandleitenhof.

Der Karl-Marx-Hof entstand in den Jahren zwischen 1927 und 1930 und wurde auf dem Gelände der ehemaligen Hagenwiese errichtet, das zuvor als Kleingartensiedlung diente. Da zu früherer Zeit Nebenarme der Donau durch dieses Gebiet führten, war die Bebauung des Grundes nicht leicht: Die Arbeiter mussten schwebende Pfeiler in das Erdreich setzen, um den Boden tragfähig zu machen.

Für die Wiener Sozialdemokratie hatte die Errichtung des Karl-Marx-Hofes symbolhaften Charakter, da dadurch das neue Selbstverständnis der Arbeiterschaft unterstützt wurde. Dies spiegelt sich auch in der Bauweise: Die Wohnanlage wirkt wie eine Festung. Aus diesem Grund vermuteten politische Gegner, dass im Inneren ein Waffendepot gelagert wird. Während des Bürgerkrieges im Jahre 1934 kam es zu blutigen Kämpfen zwischen den Arbeitern und Polizei, Militär und Heimwehr.

Festungsgleich wurde der Karl-Marx-Hof mit massiven Mauern, kleinen Fenstern, großen Toren und bogenförmigen Durchfahrtspassagen errichtet. Anders als beim Metzleinstalerhof gibt es hier kaum Schmuck, nur die Balkone zieren die Außenansicht. Die Innenhöfe zeichnen sich durch große Gartenflächen und Plätze für Geselligkeit aus.

Die Wohnanlage Sandleiten wurde 1925-1928 im 16. Bezirk errichtet und befindet sich an den Hängen des Wienerwaldes. Die Stadt Wien beauftragte Josef Bittner mit der Projektleitung für die Erbauung des Sandleitenhofes. Hans Jaksch, Siegfried Theiß, Franz Krauss und Josef Tölk gestalteten den Bereich, der nördlich der Rosenackerstraße liegt. Den südlichen Bereich arbeiteten die Architekten Otto Schönthal, Emil Hoppe und Franz Matuschek aus.

Mit insgesamt 1.587 Wohneinheiten und 68.581 Quadratmeter Fläche war Sandleiten die größte Wohnanlage des damaligen „roten Wiens“ und erstreckte sich über mehrere Straßenzüge hinweg. Anders als der Karl-Marx-Hof ist der Sandleitenhof zu allen Seiten hin offen. Im nördlichen Bereich der sozialen Wohnanlage befindet sich ein Hochhaus mit sieben Geschossen. Die Fassaden weisen Ornamente und Vorsprünge auf. Zudem ist eine gegliederte Dachlandschaft sichtbar. Im südlichen Bereich herrscht eine Blockverbauung vor mit optisch einfach gehaltenen Fassaden und geschwungenen Baukörpern. Der Matteottiplatz ist das Zentrum der Wohnanlage Sandleiten. Er ähnelt einem Renaissanceplatz. Dort gibt es eine Terrasse und einen Steinbrunnen.

Die Werkbundsiedlungen der 1930er Jahre

In den Jahren 1929-1932 entstanden im 13. Bezirk Wiens die sogenannten Werkbundsiedlungen unter der Leitung von Josef Frank. Ihnen lag die Idee einer modernen Siedlungsbewegung zugrunde. Die Grundpfeiler der Idee waren funktionelle Lösungen, eine serielle Produktion und eine höhere Wirtschaftlichkeit auf kleinstem Raum, sodass die Häuser günstig vermietet oder verkauft werden können. Die Werkbundsiedlung konnte sich allerdings nicht behaupten, da der Austrofaschismus ab 1933 gesellschaftspolitische Experimente verhinderte. Seit 1978 steht die Anlage unter Denkmalschutz. Zwischen 2012 und 2016 wurde sie im Rahmen der „Sanften Stadterneuerung“ durch die Architekten Azita Goodarzi und Martin Praschl generalsaniert.

Fazit

Wie sich an diesen Beispielen erahnen lässt, hat der soziale Wohnbau in Wien eine lange und lebendige Geschichte. Weltweit besitzt keine andere Stadt so viele Wohneinheiten. Auch heute werden die sozialen Wohnanlagen noch bewohnt. Stolze 62 Prozent der Wiener leben in einer kommunalen oder geförderten Wohnung und zahlen etwa fünf bis neun Euro Bruttomiete pro Quadratmeter.

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