architektur.aktuell 01/02/2005

architektur.aktuell 01/02/2005

new standards

Léon Wohlhage Wernik: Stadtteilzentrum Stuttgart-Vaihingen, Deutschland | Local Urban Centre Stuttgart-Vaihingen, Germany

Photos: Christian Richters; Text: Klaus-Dieter Weiß
Neue Mitte

Mit “Neuen Mitten” traf Deutschland zuletzt städtebaulich und architektonisch selten ins Schwarze. In Stuttgart-Vaihingen, dem zweitgrößten Außenstadtbezirk der Landeshauptstadt, geht es dagegen tatsächlich um den urbanen Brennpunkt, um den Umbau der alten Stadtmitte zu einer rigoros neuen. Ganz im Sinne Victor Gruens wurde die heute von frühen Idealen weit entfernte Shopping-Mall auf einem ehemaligen Brauereigelände in ihre stadtgerechteren Einzelteile zerlegt und stadträumlich gruppiert.


Rohnke Hild und K: Sozialer Wohnbau in München, Deutschland | Social Housing in Munich, Germany

Photos: Michael Heinrich; Text: Wolfgang Jean Stock
Ein typologisches Vorbild

Bei ihren großen Erneuerungsprojekten hat die Stadt München in den letzten Jahren wenig Glück gehabt. Dies zeigt sich zum einen an der Messestadt Riem auf dem Gelände des früheren Flughafens, wo eine mittelmäßige Architektur vorherrscht. Das neue Stadtviertel auf der Theresienhöhe, das derzeit auf dem ehemaligen Messegelände fertig gestellt wird, hat hingegen erhebliche städtebauliche Mängel. Einen Lichtblick im Vielerlei der Bebauung stellt der intelligent geöffnete Block von Rohnke Hild und K Architekten dar. Dieser geförderte Wohnbau ist auch durch seine Grundrisstypologie ein Vorbild.


Berger+Parkkinen: Fachhochschule Hagenberg im Mühlkreis, Oberösterreich | University of Applied Science in Hagenberg, Mühlkreis, Austria

Photos: Gerald Zugmann; Text: Romana Ring
Campus-Stadt

Hagenberg im Mühlkreis bietet seinen Besuchern mehr als die in ländlichen Gemeinden mit (und ohne) Autobahnanschluss unvermeidlichen Einfamilienhausweiden. Beispielsweise ein Erweiterungsgebiet mit dem klingenden Namen “Softwarepark”. Durch den eben fertig gestellten Neubau eines Gebäudes für die dort ansässige Fachhochschule ist es dem Wiener Architektenteam Berger+Parkkinen gelungen, den “Softwarepark” mit städtebaulichen Überlegungen anzureichern, denen bisher – wohl in gründerzeitlichem Überschwang – kaum Beachtung geschenkt worden ist.


TATANKA: Sporthaus Okay in Innsbruck, Tirol | Okay sports store in Innsbruck, Austria

Photos: Paul Ott; Text: Matthias Boeckl
Hi-Tech-Sport-Gerät

Schräg gegenüber von Dominique Perraults Rathauskomplex hat die historische Altstadt von Innsbruck nun eine weitere Architekturattraktion dazu gewonnen. Wolfgang Pöschls Kaufhaus zeigt alle Eigenschaften der klassischen Warenhausarchitektur – in einer zeitgemäßen, lapidaren Interpretation, bei der auf den ersten Blick die Ware und die Baukonstruktion im Vordergrund stehen. Der zweite Blick enthüllt darüber hinaus subtile Interpretationen der städtebaulichen Situation.


Essay

Jasenovac – Den Toten eine Blume | A Flower for the Dead

Text & Photos: Friedrich Achleitner
Natürlich frägt man sich, wenn man an einem “goldenen” Herbsttag mit blauem Himmel und weißen Schäfchenwolken die Gedenkstätte von Jasenovac betritt, was hat diese befriedete Schönheit, diese metaphorisch verwandelte Landschaft mit der in den Himmel ragenden, fast dreißig Meter hohen “Betonblume” mit den Gräueln eines Vernichtungslagers zu tun? Hat man das kleine, bescheidene Museum mit dem klassischen Atrium und dem gerahmten Blick auf die Moorebene mit dem geheimnisvollen Zeichen und einem kleinen Wäldchen verlassen, das zerschossene Dorf hinter sich, betritt man einen Damm, begleitet von einer aufgelassenen Gleisstrecke entlang der unsichtbaren, hinter einem Auwald versteckten Save. Man wird daran erinnert, man ist am Grenzfluss zu Bosnien. Man wird von der weiten Aulandschaft gefesselt, die in ihr stehende “Blume”, deren Höhe und Volumen entspricht präzise dem Maßstab des Ortes, der zum Artefakt verwandelten Landschaft. Man denkt (etwas beschämt, jedenfalls irritiert) unwillkürlich an alte englische, ja mehr noch an deutsche romantische Landschaftsgärten, etwa in Wörlitz, jener Symbiose von Klassizismus und Romantik, Aufklärung und Poesie, mit der visuellen Oszillation klassischer Kulturen, die immer noch einen besseren Menschen oder ein menschenwürdigeres Dasein versprechen.
Am Ende des Gleises steht ein Transportzug mit Viehwaggons und einer alten Dampflok, der einzige reale Verweis auf die grausige Vergangenheit. Dieses Fragment der Erinnerung erscheint als eine Verneigung dem Thema, mehr noch, den Menschen gegenüber, die schon bei der Planung und beim Bau beharrlich mehr Realismus, mehr Abbildung, mehr Zeitzeugenschaft und erkennbare Schuldzuweisung einforderten. Mehr noch: Die Erinnerung als eine fortgeschriebene Abrechnung, einem Ort des Nie-Vergessens? Aber in Jasenovac wird keine Rechnung aufgemacht, es wird überhaupt nicht gerechnet. Diese Installation ist eine spätere Zutat, die nicht vom Architekten stammt.
Die Gleise setzen sich in einem aus Pfosten und Bahnschwellen gebildeten Treppelweg fort, führen auf einen sanften Hügel – man bekommt einen Überblick über die Ebene – zum eigentlichen Denkmal, das hinter einem Ziegelteich (man steht auf dem Boden einer ehemaligen Ziegelei) liegt. Auf dem “Feldherrenhügel” hat sich ein ansässiger Bildhauer mit einem kleinen Ungeheuer an Bronzetisch als Lageplan verwirklicht. Aber man ist froh über einige Informationen über die Beschaffenheit des ehemaligen Lagers, das nach seiner Vernichtungsarbeit selbst vernichtet wurde und so gut wie keine Spuren hinterlassen hat. Die Stellen der Baracken, der Werkstätten und anderen Baulichkeiten sind im feuchten Boden mit kuppelförmigen Tumuli markiert, man denkt ein wenig an in die Erde versunkene Grabhügel, aber auch an mutierte Sumpfblasen, die als Ungeheuer aus dem Boden der Geschichte aufsteigen.
Von den einundzwanzig Gedenkstätten, die Bogdan Bogdanovic in rund vier Jahrzehnten in ganz Jugoslawien geschaffen hat, war Jasenovac die sechste (1966). Die planerischen Anfänge reichen aber in das Jahr 1959 zurück. Man kann also sagen, Jasenovac gehört zu den ersten Denkmälern und die Suche des damals noch nicht vierzigjährigen Architekten nach den geeigneten “architektonischen Mitteln” entbehrt nicht einer gewissen Dramatik der “inneren Positionierung”. 

Gerhard Steixner: “Art for Art”-house, Haringsee, Niederösterreich | Austria

Photos: Gerald Zugmann; Text: Andrea Nussbaum
Ein Haus mit vielen Nutzen

Wer sagt, dass ein Bauwerk immer einer im vorhinein festgesetzten Nutzung dienen muss? Multifunktional, ökonomisch und rationalisiert in der Fertigung sind jene neuen Standards, die die Architektur von morgen bestimmen, eine Architektur, deren Formgenerator die Zweckmäßigkeit ist, eine Architektur, wie sie das “Art for Art”-Fertighaus von Gerhard Steixner demonstriert. Die einen sehen im neuen Prototyp ein Bürogebäude, die anderen ein Wohnhaus, wiederum andere einen Kindergarten. Alles ist möglich, anything goes. 

Marko Lavrencic: Betriebsgebäude in Ajdovscina, Slowenien | Commercial Building in Ajdovscina, Slovenia

Photos: Miran Kambic; Text: Uros Lobnik
Unter einem Dach

Das Firmengebäude wird in Slowenien zunehmend zur Visitkarte von Bauherr und Architekt. Dem war vor knapp zehn Jahren noch nicht so. Wir entdecken interessante, attraktive, herausfordernde Betriebsgebäude nicht mehr nur in urbanen Zentren, sondern auch in Gebieten, die bis vor kurzem in Randlage waren.

XLGD: Hotelzubau am Weissensee, Kärnten | Hotel Addition on Weissensee Lake, Austria

Photos: Christoph Kicherer, XLGD; Text: Susanne Stacher
Aufsässige Aussichtskanzel

Ein stattliches Hotel aus den 1930er Jahren säumt den Waldrand. In den 1970er Jahren wurde ihm ein Personalhaus am See hinzugefügt, das die traditionelle Formensprache mit Gaupen und Holzschalung nachahmt. Der Dachboden dieses Personalhauses sollte zu einer Hotelsuite mit zeitgenössischen Qualitäten ausgebaut werden, die sich von denen des Hotels klar unterscheiden. XLGD’s Hotelzubau ist ein selbstbewusster und gleichzeitig sensibler Eingriff in die bestehende Bausubstanz, im Einklang mit der Landschaft. 

Stauffenegger + Stutz: Neugestaltung Bundesplatz in Bern, Schweiz | Redesign of the Bundesplatz in Bern, Switzerland

Photos: Ruedi Walti; Text: Seraina Carl
Gestaltete Leere

Die Geschichte des Berner Bundesplatzes, dem national bedeutsamsten Platz der Schweiz, und seiner Neugestaltung ist paradigmatisch für den Umgang mit innerstädtischen Plätzen in europäischen Städten. Nach einem mehrjährigen Planungs- und Bauprozess konnte er 2004 der Öffentlichkeit in seiner neuen Form übergeben werden. Seine Architekten, die visuellen Gestalter Christian Stauffenegger und Ruedi Stutz und der Architekt Stephan Mundwiler, brauchten für die Realisierung einen langen Atem. 


Small&Smart

OCPA büchel & büchel: Mobile Möbel | Mobile Furniture

Photos: OCPA, Erwin Büchel; Text: Maria Welzig
Unter dem Architekturlabel OCPA firmieren die Brüder Daniel und Heinrich Büchel. OCPA steht für Office for Critical Pragmatic Architecture. Der etwas andere Ansatz der Architekten aus der Generation der boys- and girlsgroups verrät sich in der Spannweite ihrer Referenzen, die von OMA bis Josef Frank reichen. Ihren spezifischen Ansatz präsentierten sie im Frühjahr 2004 im display der Ausstellung “Virtual Frame” in der Wiener Kunsthalle am Karlsplatz.
Die Definition des Architektenberufes als “Gestaltung von Lebensraum” nahmen Heinrich Büchel und einige andere (Architektur-) Studenten aus Vorarlberg in einem erweiterten Sinn ernst und gründeten in den 1990er Jahren in Feldkirch die “poolbar”. Dieses Musik-, Film-, Kunstfestival im Alten Hallenbad belebte nun bereits den 11. Sommer im Vier-Länder-Einzugsgebiet. 2004 entwarf OCPA das jährlich wechselnde Innendesign der “poolbar”. Transportkisten aus Sperrholz, darin gekantete Alubleche in drei unterschiedlichen Formaten bilden “Modulmöbel”. Die Kisten werden zu Sockeln, die Alubleche ohne Werkzeug in variantenreichen Kombinationen aufgesteckt: bei Bedarf eine Auflage darauf, fertig ist die “Sitz- und Liege-Landschaft”. Außerdem wünschte sich die Festivalleitung eine mobile Bar. Geld war dafür allerdings kaum vorhanden. Hier kam das “pragmatic”, für das OCPA steht, zum Tragen. büchel & büchel hatten sich schon länger mit mobiler Architektur beschäftigt. Dabei war ihnen der dreirädrige Lieferwagen APE der Firma Piaggio, ein Standardmobil auf italienischen Märkten, ins Auge gestochen. Sie entwarfen für die Ladefläche eine abnehmbare Bar-Landschaft mit integriertem DJ-Pult und Monitor. Der Firma Piaggio gefiel der Entwurf – sie sponserte den Wagen. Die High-tech-Barlandschaft geht mit dem Kultfahrzeug aus den 1950er Jahren eine spezielle Liaison ein. Zu diesem Spiel der visuellen Irritationen tragen auch Elemente wie Wohnzimmerlampe oder Sonnenschirm bei. Mittlerweile bewies der “salon mobile” sein kommunikatives Potenzial an unterschiedlichsten Orten, vom Bregenzerwald bis in die Straßen von Paris. Beim internationalen Freiraum-Wettbewerb von MAX on top + der Standard errangen büchel & büchel folgerichtig den Publikumspreis.
Für unterschiedlichste Situationen adaptierbar ist auch das Design für eine asiatische Garküche. Die erste Ausgabe einer geplanten Kette entstand in Zürich: Eine vorgehängte Raumschale aus gebogenen, weißen Aluminiumpaneelen, darin integriert sämtliche Regale und Arbeitsflächen sowie die indirekte Beleuchtung. OCPA lässt die Produkte selbst wirken.

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