architektur.aktuell 03/2003
Pierre du Besset | Dominique Lyon: Bibliothek in Troyes, Frankreich | Public Library In Troyes, France
Photos: Philippe Ruault; Text: Dominique Boudet
Kultur in Selbstbedienung
Manche in vieler Hinsicht bemerkenswerte Schöpfungen hinterlassen dennoch einen unvollendeten Eindruck. Die neue Bibliothek von Troyes ist ein perfektes Beispiel dieses Paradoxons. Für den Bau dieser wichtigen kulturellen Einrichtung stellten sich zwei Fragen: Was ist heutzutage eine öffentliche Bibliothek? Und wie kann sie zur Transformation eines ganzen Stadtquartiers beitragen? Auf die erste Frage haben die Architekten Du Besset | Lyon eine innovative Antwort gefunden – gewagt, aber überzeugend, und brillant ausgeführt. Die Enttäuschung rührt daher, dass die zweite Frage unbeantwortet geblieben ist. Sei es aus Mangel an Planung oder an Ambition – die Stadt hat es verabsäumt, diese strahlende Halle zur Triebkraft eines anspruchsvollen Stadtprojekts zu machen.
sauerbruch hutton: Pharmakologisches Forschungsgebäude in Biberach an der Riss, Deutschland | Pharmacological Research Building In Biberach an der Riss, Germany
Photos: Gerrit Engel, Jan Bitter; Text: Claus Käpplinger
Gläserner Monolith für Wissensarbeiter
Mit überraschenden Laborgebäuden sind die deutsch-britischen Architekten Sauerbruch und Hutton schon mehrfach hervorgetreten. Auch ihr neuestes Projekt, ein Pharmakologisches Forschungsgebäude in oberschwäbischen Biberach ist mehr als nur ein hochinstalliertes Gehäuse. Attraktion und Schutz, Unverwechselbarkeit und Flexibilität bietet es in hohem Maße mit einer Architektur, die sich einmal mehr nicht damit begnügte nur Hülle zu sein.
Titus Bernhard: Vierteilige Hausgruppe in Burgrieden, Deutschland | Four-Part Group Of Houses In Burgrieden, Germany
Photos: Klemens Ortmeyer, Florian Holzherr; Text: Klaus-Dieter Weiß
Geordnete Beziehung
Das städtebaulich provozierende Kleeblatt aus den Wohnhäusern zweier Brüder, dem Bürohaus des Industriedesigners und der Oldtimergarage des Versicherungskaufmanns in getrennten Gehäusen hat in Deutschland viel Aufmerksamkeit erregt. Auf der einen Seite sind die Architektur-Elemente rund um einen japanisch anmutenden Kiesgarten versammelt, auf der anderen nach Südwesten (Wohnen) und Nordosten (Arbeiten/Sammeln) in die Weite der Landschaft orientiert. Als wäre das unmittelbar benachbarte Zerrbild der Ortschaft Burgrieden am Rand der Schwäbischen Alb gar nicht vorhanden.
Essay
Ernst A. Plischke: “About Houses”
Photos: Paul McCredie, August Sarnitz (VBK), Fritz Simak; Text: Eva B. Ottillinger
1943 veröffentlichte Ernst A. Plischke in Neuseeland eine Studie über das Einfamilienhaus mit dem sprechenden Titel “About Houses” und folgenden Intentionen: “Der Autor möchte die Rolle, die das (Wohn)Haus in unserer Umgebung spielt, ins Bewusstsein rücken, und den Einfluss, den es auf unser tägliches Leben hat. Dieser Einfluss beschränkt sich nicht auf die Räume, in denen wir leben; er ist auch in unseren Gärten und in der Straße spürbar, in der es steht. (…) das Haus ist das Rahmenwerk, in dem unser Leben abläuft. (…) das Haus sollte (daher) unserem persönlichen Charakter und unserem Lebensstil entsprechen; (…) das Haus ist auf gewisse Weise ein Spiegel unseres Geistes.”
Obermoser – Reitter: BTV Geschäftshaus in Innsbruck, Tirol | BTV Company Building In Innsbruck, Austria
Photos: Günter Richard Wett; Text: Otto Kapfinger
Der Stoff, aus dem die Räume sind
Irgendwann soll es angeblich keine Büros mehr geben, wird alles einschlägig nötige mobil und miniaturisiert sein. Inzwischen werden immer noch jede Menge Büroflächen gebaut. Büros sind neo/pseudo-urbane Orte, an denen die Mehrheit der Arbeitenden nicht daheim, aber doch zu Hause ist. Sie müssen heute mehr leisten, als in der klassischen Ära der Bürokratisierung des Alltags: billiger, flexibler, technisch innovativer und zugleich ökologischer muss es sein – und zudem noch attraktiver. Die Konkurrenz am Immobilienmarkt ist hart, und auch die betriebliche Effizienz – es hat sich herumgesprochen – wird durch klimatische und gestalterische Raumqualität gefördert. Die interimistische BTV-Zentrale von Obermoser – Reitter verdeutlicht das skizzierte Leistungsprofil. Sie verwandelt einen Un-Ort an der lautesten Kreuzung des Innsbrucker Gewerbegürtels in eine Arbeits-Oase. Der Stoff, aus dem die Räume hier gemacht sind, ist dabei erstaunlich einfach. Konzeptionelle Intelligenz formte aus Low-tech und Low-budget ein High-end in allen Aspekten. Es ist eigentlich ein Nichts an “Architektur”, und bietet doch fast alles, was zum Wohlfühlen zwischen PC und Kantine nötig ist, und noch mehr…
Andreas Treusch: Logistikcenter der Österreichischen Bundesbahnen in Linz, Oberösterreich | Logistics Centre Of The ÖBB (Austrian Federal Railways) In Linz, Austria
Photos: Rupert Steiner; Text: Matthias Boeckl
400.000 Kubikmeter Maschine, unsichtbar
Im weitläufigen Rangiergelände des Linzer Hauptbahnhofes, unmittelbar vor dem großen Voest-Stahlwerk, hat der Wiener Hi-Tech-Spezialist Andreas Treusch ein bemerkenswertes Stück Industriearchitektur geliefert: Das größte Lagergebäude Österreichs lässt vor allem den Science-Fiction-Charakter, kaum jedoch die gewaltige Kapazität der Anlage visuell wirksam werden.
Atelje Vozlic: Betriebsgebäude Linde M.P.A. in Ljubljana, Slowenien | Linde M.P.A. Company Building In Ljubljana, Slovenia
Photos: Blaz Budja, Miran Kambic, Matej Vozlic; Text: Andrej Hrausky
Das in sich gekehrte Haus
Ein nördlicher Vorort von Ljubljana: Auf der einen Seite liegt eine Betonfabrik einer Baufirma, entlang der Straße aber wachsen ohne Ordnung Betriebsgebäude, denen anzusehen ist, dass die schnell reich gewordenen Investoren zu keiner Baukultur fähig sind. In dieser nicht gerade vielversprechenden Umgebung hat ein junger Bauherr einen kleinen beengten Baugrund gekauft und wandte sich an das angesehene Atelier Vozlic, das seine ambitionierten Ziele verwirklichen sollte.
büro ko a la: Einfamilienhaus bei Graz, Steiermark | Single-family House Near Graz, Austria
Photos: Zita Oberwalder; Text: Maria Welzig
Mehrwert Landschaft
Zu den Herausforderungen in Stadtplanung und Architektur zählt die Auflösung der Grenzen zwischen Gebautem und Natur. Die Anschauung der Natur bietet ausgleichende sinnliche Erlebnismöglichkeiten und spiegelt Eigenheiten unserer Zeit – stete Veränderung, Nicht-gänzlich-Planbares, Dynamik, ein fragiles Gleichgewicht gegenseitiger Abhängigkeiten. ko a la Architekten haben diese Erkenntnis in einem kleinen Wohnhaus samt gestaltetem Umraum verarbeitet.
Small&Smart
Burkhard Morass_Fee Horstkotte: LC Bar in Paris, Frankreich | LC Bar In Paris, France
Photos: Tobias Zarius; Text: Caroline Messensee
Joie de vivre
Die seit Februar letzten Jahres eröffnete LC Bar im aufstrebenden Viertel Montorgueuil war in ihrem Vorleben ein typisches Pariser Café aus den 1960er Jahren mit der obligaten integrierten Tabaktrafik. Es galt das nur ca. 70m2 große Lokal in eine avantgardistische Bar umzugestalten. Das Raumprojekt des jungen deutsch-österreichischen Architektenduos Fee Horstkotte und Burkhard Morass sah vor, den langgestreckten schmalen Raum in drei geforderte Nutzungsbereiche zu gliedern: Bar, Lounge und Internet. Diese drei Bereiche ergeben sich aus der Entwicklung eines Gesamtkörpers, der diese Aufgaben in sich vereinigt und anhand dessen es gelang das Problem der reduzierten Raumfläche zu lösen. Ein zum Ausgang orientierter spitzwinkeliger Barteil senkt sich progressiv als flacher Schenkel zu einem Loungebereich, an dessen Rückseite, durch eine Wand getrennt, sechs Internetplätze eingerichtet werden konnten. Dieser multifunktionale Raumkörper ist der Schlüssel des Konzeptes einer Bar, die den Besucher progressiv von einem Nutzungsbereich (Eingang, Bar, Lounge, Internet) in den nächsten führt, wobei jeder dieser Bereiche von einer speziellen Lichtstimmung begleitet wird und eine Identifikation durch die verwendeten Materialien erfährt. Eine Lichtfuge in der Decke und in der Rückwand des Raumes formuliert die Linienführung des skulptural modulierten Raummoduls.