architektur.aktuell 11/1998

architektur.aktuell 11/1998

architektur.aktuell

Daniel Libeskind: Asyl in der Gegenwart/Present-Day Asylum

Von/by Andreas Ruby
Das Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück, Deutschland

Eigentlich will es gar kein Gebäude sein. Die drei Kuben, langgezogen und schmal in die Höhe schießend, scheinen alle in unterschiedliche Richtungen auseinander zu streben, als könnten sie es nicht miteinander aushalten. Doch Rücken an Rücken ineinander gekeilt, kommt keiner einen Schritt voran. Einig sind sich die drei Solitäre nur in ihrem Abrücken vom Altbau des Museums, der alles repräsentiert, was der Neubau nicht sein möchte: eine klar geordnete Anlage mit zentralem Kern und angeschlossenen Nebenflügeln – ein richtiges Gebäude eben. Während die historistische Stadtvilla zur Straße hin stolz ihre klassisch durchgebildete Fassade aufbaut, hält sich der Neubau lieber im Verborgenen des Hofes auf Distanz. Aber dennoch nimmt er Kontakt auf, schickt einen Abgesandten zum Altbau hinüber, wie bei der ersten Begegnung zweier fremder Welten. Zögernd nähert sich ein silbrig schimmernder Container aus Zinkblech und dockt an die unverputzte Natursteinfassade des Altbaus an. Mission possible?
Das gespannte Verhältnis der beiden Bauten gleicht der prekären Aufgabenstellung beim Jüdischen Museum in Berlin, Libeskinds erstem realisierten Gebäude überhaupt. Denn in Osnabrück ging es darum, dem fast vergessenen Werk des jüdischen, 1944 in Auschwitz umgekommenen Malers Felix Nussbaum einen sichtbaren Platz in seiner Geburtsstadt einzuräumen.(…)

Essay

Mahrzahn, Hellersdorf: Dädalus und Ikarus in den Plattenbauten von Berlin/Daedalus and Icarus in the Pre-Cast Slab Buildings of Berlin

Von/by Reinhard Seiß

(…) Die Plattenbaugebiete Ostdeutschlands sind nicht vergleichbar mit den Großsiedlungen Westeuropas. Sie waren keine Ghettos für die Verlierer der Gesellschaft. Fast sprichwörtlich ist ihre soziale Durchmischung – von Busfahrern und Professoren, Tür an Tür wohnend, ist die Rede. Die Plattenbauten sind vielmehr ein Versuch, das Recht auf Wohnen – wie es in der DDR-Verfassung stand – zu realisieren. Ohne Spekulation und Mietwucher, ohne die Enge der Altstädte. Die ältesten Platten Ost-Berlins – aus den fünfziger Jahren – stehen noch innerhalb des Stadtkörpers. Bekanntestes Beispiel ist die Stalinallee, der “Ku’ damm des Ostens”, später Karl-Marx-Allee, heute Frankfurter Allee. “Für 100 neue Wohnungen gingen dabei allerdings 20 alte kaputt”, erinnert sich Günter Peters, zwischen 1960 und 1980 Stadtbaudirektor von Ost-Berlin. Um dieses Verhältnis zu verbessern, baute man schließlich auf der grünen Wiese – vor der Stadt.(…)

Österreich

Arge Architekten Altes AKH : Mehr als ein Universitätscampus/More Than a University Campus

Von/by Georg Schöllhammer
Revitalisierung und Umbau des Alten Allgemeinen Krankenhauses in Wien

Das Areal ist zehn Hektar groß, mitten in der Stadt und nur wenige hundert Meter von der Stammuniversität an der Ringstraße entfernt, und es blickt auf eine nahezu dreihundertjährige Baugeschichte zurück. Der Komplex besteht aus einer unterschiedlich gegliederten Hofstruktur, die von den alten Krankenhaustrakten gebildet wird. Städtebaulich problematisch war die geringe Durchlässigkeit des Areals, das sich von seinem Umfeld wie eine gewaltige Festung abgeschottet hat. Ein zweites Problem bestand in der geringen Trakttiefe der alten Krankenhausbauten. Schließlich ging es darum, den historischen Komplex von fragwürdigen “Ablagerungen” (Zubauten, Einbauten) zu befreien und bei den neuen Bauteilen zu einer architektonischen Sprache zu finden, die der Substanz respektvoll begegnet, aber doch deklariert zeitgenössisch ist. Letzteres ist mit den schlichten, verglasten “Vorgelegen”, die obendrein die geringe Trakttiefe relativieren, ganz hervorragend gelungen. Neue Öffnungen und Durchbrüche binden das Gelände nun an das städtische Umfeld an.(…)

Hermann Kaufmann & Christian Lenz: Die Differenzierung der Wand/Differentiating the Wall

Von/by Margit Ulama
Neubau des Gymnasiums im Kloster Mehrerau in Bregenz, Vorarlberg

Das Kloster Mehrerau präsentiert sich als eindrucksvolle Anlage. Unprätentiös steht der Bau in der flachen Landschaft, unprätentiös und doch auch kraftvoll. In der ländlichen Atmosphäre mit satten Wiesen und einzelnen mächtigen Bäumen schaffen die Baukörper einen einprägsamen Ort, gleichzeitig reichen die Ausläufer der Stadt bis ans Kloster heran. Die einzelnen Flügel des traditionellen Baus greifen weit aus, darin liegt ihre Großzügigkeit. So entsteht auch ein weiter Innenhof, doch er ist unregelmäßig und nicht konsequent geschlossen. Man bemerkt insgesamt eine scheinbar zufällige Komposition, die im Gegensatz zu den ruhigen, gleichmäßig rhythmisierten Fassaden steht. Der südseitige Gebäudeflügel des Klosters wurde bereits als Gymnasium genutzt, die bestehenden Räumlichkeiten entsprachen jedoch nicht mehr den heutigen Anforderungen und sollten durch einen Neubau ersetzt werden. Diese Planung wirkt nun so selbstverständlich und logisch, daß man meint, es hätte an dieser Stelle keine andere Lösung geben können.(…)

Volker Giencke: Form und Funktionalität/Form and Functionality

Von/by Liesbeth Waechter-Böhm
Adaptierung eines Hörsaales der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen an der Universität Innsbruck

Der Umbau des Hörsaales im Bauzeichensaal-Gebäude der Universität Innsbruck ist nur eine erste – realisierte – Maßnahme im Kontext der dringend notwendigen, umfassenden konstruktiven und räumlichen Neuorganisation des bestehenden Gebäudes. Denn das Haus, das zwar am “Forum”, dem zentralen Platz des Fakultätskomplexes liegt, erscheint schon von seiner Erschließung aus der hintersten Ecke dieses Forums her überaus problematisch.(…)

Hubert Rieß: Holzzeilen am Waldrand/Wooden Rows at the Edge of the Woods

Von/by Vera Grimmer
Wohnanlage Stadiongasse in Judenburg, Steiermark

Am Waldrand von Judenburg, in unmittelbarer Nähe des lokalen Sportstadions, wurden vor wenigen Monaten zwei gegenüberliegende, kubische, dreigeschoßige Wohnblocks fertiggestellt, deren signifikante Holzhülle teilweise von durchschimmernden Glasschichten bedeckt ist. Das besondere dabei ist unter anderem, daß es sich hier um Geschoßwohnungsbau in Holzbauweise handelt. Architekt Hubert Rieß konnte in diese Judenburger Wohnanlage die Methodik sowie Wissen einbringen, welche er zuvor bei einigen bayrischen Wohnbauten erprobt hat, die im Rahmen des Modellprojektes “Mietwohnungen in Holzbauweise” (in Schwabach, Waldkraiburg und Schweinfurt) realisiert wurden. Nicht zuletzt aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen gewinnt der Geschoßwohnungsbau in Holz auch in Mitteleuropa wieder die Bedeutung, die er beispielsweise in Skandinavien oder auch in Übersee nie verloren hat. In der Bevölkerung mag es gegenüber dem Holzbau nach wie vor Skepsis geben, ihr setzt Architekt Rieß mit seinen beiden Wohnhäusern aber eine geradezu kompromißlose Qualität entgegen. (…)

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