Iris Meder (1965-2018) Photo: ögfa

Nach schwerer Krankheit ist die Architekturkennerin,-liebhaberin,-forscherin und -historikerin Dr. Iris Meder am 5. November 2018 in Wien gestorben. Ihre Begeisterung, ihr Stil, ihr Esprit, ihre ständig lodernde Leidenschaft für schöne Dinge aller Art, ihr Humor, ihre forschende Neugier, ihre Liebe zu Kunst, Design, Architektur, Mode, Musik, der tschechischen Republik und vieles mehr werden allen, die sie kannten, für immer in Erinnerung bleiben und schmerzhaft fehlen. Die ögfa (österreichische Gesellschaft für Architektur), deren Vorstand sie viele Jahre lang um ihre Mitgliedschaft bereicherte, lud am 7. Dezember zu einem Abend für Iris Meder in den Ausstellungsraum des Wiener Ringturms. Dort wurden in vielen persönlichen Beiträgen und Erinnerungen ihre vielfältigen Aktivitäten und Interessen gewürdigt und ihr lebhaftes Wesen wieder gegenwärtig. Ein unvergesslicher, einmaliger Abend, an dem auch ihre Schwester Dr. Angela Meder, viele Freunde und Freundinnen, Weggefährten und -gefährtinnen, Bekannte, Bewunderer, Kollegen und Kolleginnen anwesend waren. Sie alle einte eines: ihre Wertschätzung von Iris Meder.


 

Viele hatten über mehrere Ecken schon davon gehört, dass die Architekturwissenschaftlerin, -historikerin und -publizistin Dr. Iris Meder schwer erkrankt war. Trotzdem traf die Nachricht ihres Todes die meisten wie ein Schock. Ebenso wie Iris selbst wollten sie fest daran glauben, dass die tapfere, disziplinierte, zähe Patientin ihre Krebserkrankung überwinden könnte. In der Nacht des 5. November starb sie, am 7. Dezember lud die österreichische Gesellschaft für Architektur (ögfa) zu einem Abend für Iris Meder in das Ausstellungszentrum im Wiener Ringturm.

Von Anfang an dabei

Seit der ersten Ausstellung „Der Ringturm. 5 Jahrzehnte Baugeschichte eines Hochhauses“, die sich Architektur und Geschichte des 73 Meter hohen, ikonischen Hochhauses der 1950er Jahre von Erich Boltenstern widmete und vom 17. Juni bis 25. September 1998 zu sehen war, hatte Iris Meder das dortige Ausstellungsgeschehen mit kontinuierlichem Interesse und Engagement verfolgt, begleitet und auch publizistisch gewürdigt. Außerdem teilte sie mit Adolph Stiller, dem Kurator der Ausstellungsreihe „Architektur im Ringturm“ eine tiefe Leidenschaft für die Architektur des ehemaligen Ostblocks – von der legendären Werkbundsiedlung in Brünn auf und abwärts auf der Zeitskala bis zu tschechischem Barock, Rondokubismus, der Moderne der 1960er, 1970er und Architektur der Gegenwart. Über das Baugeschehen dieser Länder, die Beziehungen zwischen dortigen Architekten, der Ära der kommunistischen Planungsbüros, dem bilateralen Austausch trotz Eisernen Vorhangs, Einflüssen ehemaliger Wagner-Schüler auf die damaligen Kronländer und andere spezifische Aspekte dieser Region hatten sie sich oft ausgetauscht und gegenseitig kollegial mit Expertenwissen unterstützt. Daher war es für Adolph Stiller selbstverständlich, den Ausstellungsraum im Ringturm für diesen besonderen Abend zur Verfügung zu stellen.

Iris Meder (1965-2018) Photo: Isabella Marboe

Iris Meder (1965-2018) Photo: Isabella Marboe

Zwischen den Tafeln der Ausstellung „ausgezeichnete Lebensräume“, die den Projekten des Bauherrenpreis 2018 gewidmet war, versammelte sich am 7. Dezember eine bunt gemischte, kultivierte Schar von Menschen, die Iris Meder geschätzt hatten. Alle Sesselreihen waren voll, einige mussten stehen, aber jeder und jede harrte aus, um gemeinsam den Erinnerungen der Redner und Rednerinnen am Podium zu lauschen und auf das Wohl von Iris Meder ihre Lieblingsgetränke zu konsumieren. Dazu zählte auch Beton – ein Cocktail aus dem Karlsbader Kräuterbitterschnaps Becherovka und Wodka.

Offene Welten

Hausherr Adolph Stiller und ögfa-Vorsitzende Elise Feiersinger begrüßten die zahlreichen Gäste, dann begann Otto Kapfinger seine Hommage an Iris Meder, indem er aus ihrer Dissertation „Offene Welten: die Wiener Schule im Einfamilienhausbau 1910 – 1938“ vorlas und damit gleich Lust machte, sich das Werk zur Gänze lesend an zu eignen. Ihre Schwester Dr. Angela Meder, Ulrike Krippner, Felicitas Konecny und Christoph Laimer folgten mit berührenden Geschichten. Judith Eiblmayr, die mit Iris Meder gemeinsam das Buch über das Hochhaus in der Herrengasse herausgegeben und verfasst hatte, las ein typisches e-Mail von Iris vor, in dem diese kurz, bündig und knapp, dafür aber umso exzessiver stakkatoartig ihre Eindrücke von Paris kommentierte und mit weiterführenden Links garnierte. Eine zutiefst persönliche, poinierte, spontan verfasste Reiseanleitung im e-Mail-Format.

Ein Abend für Iris Meder zwischen ausgezeichneter Architektur Photo: Isabella Marboe

Robert Temel spielte ein Stück der „Jet Lag All Stars Radio Show“ in memoriam Iris Meder vom 25. November vor, in dem man Iris Meders Ratschlägen bei einer Nachwanderung von der Argentinierstraße auf den Küniglberg folgen konnte. Ihre lebendige Stimme machte sie sofort im Saal und in der Erinnerung gegenwärtig.

Publizistisches Lebenswerk

Susanne Veit teilte die Erinnerung an einen Abend, an dem sie gemeinsam genussvoll und exzessiv mit Matthias Finkenthey von der ig architektur und Iris Meder in Loriot-Zitaten geschwelgt hatte, Gabu Heindl steuerte eine Erinnerung an unzählige Vorstandssitzungen und Kooperationen bei, darunter die Ausstellung „Lifting the Curtain. Central European Networks“, die während der Architekturbiennale in Venedig und später im Innovation Lab der Angewandten am Franz Josefs Kai gezeigt worden war. Zu dieser Ausstellung ist auch ein Katalog erschienen – sie widmete sich jedenfalls dem Netzwerk aus Bekannt-, Lehrer-, Schüler- und Freundschaften zwischen Architekturschaffenden des ehemaligen Ostblocks.

Gabu Heindl wies darauf hin, dass Iris Meder das längstdienende Vorstandsmitglied der ögfa und eine große Verehrerin von Josef Frank gewesen war. In dessen antipathetischer „Moderne der Unordnung“ erkennt Heindl auch ein „eminentes politisches“ Potential. „Frank betont, dass jede Zeit auch eine Übergangszeit ist und ein Haus zum freien Denken beitragen kann“, so Heindl, die sich bei Iris Meder an diesem Abend dafür bedankte, sie zur ögfa gebracht zu haben, wo beide gut und gerne miteinander gearbeitet – und danach auch mit Freude hingebungsvoll getanzt haben.

Barbara Feller, Geschäftsführerin der Architekturstiftung Österreich, erinnerte sich an die vielen langen Zugfahrten, auf denen sie gemeinsam mit Iris  Meder als Vertreterin der ögfa zu Treffen der Architekturstiftung unterwegs gewesen war. Iris öffnete ihr dabei unter anderem die Augen für das Schwimmen in Bädern und Flüssen, das zum Kulturgut der Schweizer zählt. Ihr im Metro-Verlag erschienenes Buch „Badefreuden“ zählte zu einem fixen Bestandteil in vielen Bibliotheken der anwesenden Schar an Freunden, Anhängern und Fans. Es befand sich auf am Büchertisch, auf dem das publizistische Lebenswerk von Iris Meder ausgebreitet lag. Selbst ihre Spektrum-Artikel hatte Andreas Vass sorgfältig in einigen Vitrinen der Städtischen präsentiert. Natürlich so aufgefaltet, dass man sie problemlos lesen konnte.

Seelenverwandtschaften

Andrea Winklbauer zählte zu den engsten Freundinnen von Iris Meder: Sie hatte sie über einen ehemaligen Freund kennen gelernt. Die Beziehung zu diesem war längst in die Brüche gegangen, die Freundschaft zu Iris hielt bis zu ihrem Tod. Iris war damals gerade dabei, ihre Dissertation zu schreiben. Auf den Spuren der Moderne und den Einfamilienhäusern, die darin vorkamen, unternahmen die beiden viele – teils auch sehr abenteuerliche – Reisen.

Ausstellung "Lifting the Curtain" im Innovation Lab der Angewandten am Wiener Franz Josefs Kai Photo: Isabella Marboe

Ausstellung "Lifting the Curtain" im Innovation Lab der Angewandten am Wiener Franz Josefs Kai Photo: Isabella Marboe

Später kuratierten sie im jüdischen Museum gemeinsam die herausragende Ausstellung „Vienna’s Shooting Girls“ über jüdische Fotografinnen aus Wien, zu der auch ein Katalog erschien. Claudia Mazanek, die Grande Dame unter den Lektorinnen, erinnerte sich an eine Reise nach Stockholm in Sachen Josef Frank, bei der sie gemeinsam in einem Schiffshotel übernachteten. Mazanek hatte nämlich ein ambitioniertes Projekt lektoriert: Tano Bonjankin, Iris Meder und Christopher Long hatten erstmals alle auffindbaren Schriften und Vorträge von Joseph Frank zwischen zwei Buchdeckeln versammelt und zweisprachig – in Deutsch und Englisch - herausgegeben.

Der Ausstellungsraum im Ringturm war am "Abend für Iris Meder" bis über den letzten Sitzplatz hinaus voll Photo: Isabella Marboe

Der Ausstellungsraum im Ringturm war am "Abend für Iris Meder" bis über den letzten Sitzplatz hinaus voll   Photo: Isabella Marboe

Andrea Seidling bereicherte den Abend um einen gleichermaßen magischen Film, den sie im Hotel Helios, einem ehemaligen Ferienparadies auf der kroatischen Insel Lošinj, gedreht hatte. Architekt Zdravko Bregovac (1924 – 1998) hatte dieses Hotel entworfen, das 1960 gebaut worden war. Seinerzeit war es eines der ersten modernen Bauten auf der Insel, heute wohnen Angestellte anderer Hotels in dem leichtfüßig-eleganten Haus mit den offenen Atrien und gedeckten Umgängen, dessen Zukunft ungewiss ist. Andrea Seidling und Iris Meder haben dem Hotel mit ihrem Filmprojekt Helios ein bleibendes, höchst poetisches, filmisches Denkmal gesetzt. Hinter den sachte wehenden Vorhängen dieses Ortes schimmerte hin und wieder Iris Meder als zauberhafte Protagonistin im schwarz-weiß-gestreiften T-Shirt durch.

Ein Blick auf "Helios": Ein Kunstprojekt von Iris Meder und Andrea Seidling Photo: Isabella Marboe

Ein Blick auf "Helios": Ein Kunstprojekt von Iris Meder und Andrea Seidling  Photo: Isabella Marboe

Architekt Jürgen Radatz, dessen geglückte Einfamilienhäuser Iris Meder in der Presse-Wochenendbeilage „Spectrum“ durch ihre Artikel gewürdigt hatte, outete sich als begeisterter Mitreisender der Reisen, die Iris Meder zusammengestellt und geführt und Christian Mitterer von der Salzburger „Werkschau“ organisiert hatte. Unter dem Motto „Knödel und Kubismus“ führten sie in die tschechische Republik, unter dem Titel „Sliwowitz und Sichtbeton“ nach Istrien. „Iris Meder vereinte Neugier, Kompetenz, Integrität und Humor. Sie war eine hervorragende Kunsthistorikerin und ein lieber Mensch. Ihr Ableben ist ein großer Verlust.“ Architekt Johannes Zeininger erinnerte sich daran, wie Iris Meder ihm den letzten Baum der ersten historischen Bebauung der Ringstraße zeigte, Andreas Vass würdigte die große Erleichterung, die für ihn als stellvertretenden ögfa-Vorsitzenden der Eifer und das Engagement von Iris Meder bedeuteten, weil sie notwendige Begleittexte zu Exkursionen und Foldern scheinbar aus dem Handgelenk zu schütteln vermochte. Sie hatten zeitlebens viel gefachsimpelt – über Wiener Flechtwerk, spezifische Eigenheiten und Erkennungsmerkmale bestimmter Designer und Architekten. Im Zimmer von Andreas Vass stand ein dänischer Sessel aus seiner Kindheit, den er sehr mochte. Allerdings wusste er nicht, wer ihn entworfen hatte. Zwei Tage vor ihrem Tod schickte ihm Iris Meder noch ein e-Mail, in dem sie das Rätsel um den Designer aufzulösen vermochte. Claudia Cavallar, von der die Ausstellungsgestaltung zur Schau „Post Otto Wagner – Von der Postsparkasse zur Postmoderne“ im Wiener MAK stammte, bei der Iris Meder gemeinsam mit Ákos Moravánszky den wissenschaftlichen Beirat hinter Kurator Sebastian Hackenschmidt gebildet hatte, schilderte sehr anschaulich und plastisch hitzige, stakkatoartig rasch hin- und her wechselnde E-Mail-Korrespondenzen zur Hintergrundrecherche – um damit noch einmal das enzyklopädische Wissen und die unersättlich lodernde Neugier von Iris Meder zu würdigen. Viele Gespräche unter den Anwesenden und jede Menge an Trinksprüchen folgten. Sie hat viel getan, viel hinterlassen und tiefe Spuren gezogen. Dieser Abend war eine von vielen Möglichkeiten, ihnen zu folgen.

www.oegfa.at

Eine von vielen legendären Reisen mit Iris Meder durch die tschechische Republik Photo: Isabella Marboe

Eine von vielen legendären Reisen mit Iris Meder durch die tschechische Republik  Photo: Isabella Marboe

Das könnte Sie auch interessieren

Newsletter Anmeldung

Wir informieren Sie regelmäßig über Neuigkeiten zu Architektur- und Bauthemen, spannende Projekte sowie aktuelle Veranstaltungen in unserem Newsletter.

Als kleines Dankeschön für Ihre Newsletter-Anmeldung erhalten Sie kostenlos ein architektur.aktuell Special, das Sie nach Bestätigung der Anmeldung als PDF-Dokument herunterladen können.