Studierende der TU Wien entwerfen für das Rote Kreuz

Ein Flagshipstore für das Rote Kreuz

Am Institut für Kunst und Gestaltung der TU Wien vermitteln Karin Harather und Norbert Lechner ihren Studierenden, wie sie Entwurfskonzepte und Ideen möglichst überzeugend zeichnerisch per Hand vermitteln können. Weil Teamwork in der Architektur ganz essentiell ist, erarbeiten die Studierenden ihre Projekte immer paarweise oder sogar zu dritt. Am höchsten ist die Motivation, wenn es eine konkrete Aufgabenstellung gibt. Daher suchen die Lehrbeauftragten stets nach Kooperationspartnern, die bereit sind, sich als Bauherren zu betätigen, um die Kreativität der Studierenden mit einem kleinen Wettbewerb inklusive Preisgeld und der Aussicht auf die Realisierung ihrer Ideen besonders anzustacheln. Heuer war es das Wiener Rote Kreuz, Thema: Flagshipstore - second hand and more.

Norbert Lechner (links) und Karin Harather (rechts) vom Institut für künstlerische Gestaltung bei der Preisverleihung in der Zentrale vom Wiener Roten Kreuz Photo Thomas Holly Kellner

Im Sommersemester 2019 brachten sich Alexander Tröbinger, Pressereferent des Wiener Roten Kreuzes und Projektkoordinatorin Ulrike Karpfen als Bauherrenschaft in der Lehrveranstaltung "Subjektive Räume/Raumutopien" ein: Das Wiener Rote Kreuz erhält nämlich von Privatpersonen, aber auch von Geschäftsleuten, die in Pension gehen oder ihren Warenbestand aus anderen Gründen auflassen müssen oft Sachspenden unterschiedlichster Natur. Einiges davon ist klassische Second-Hand-Ware, anderes neu und hochwertig. Die Lager vom Wiener Roten Kreuz sind voll und bergen einige Schätze.

Flexibel und kostengünstig

Deshalb beschloss die Organisation, sich auf die Suche nach einem leistbaren Geschäftslokal in guter Wiener Stadtlage zu begeben, um dort einen hochwertigen Flagshipstore einzurichten. Einerseits sollte er sich dazu eignen, Second-Hand und andere neuwertige Ware aus dem Rot-Kreuz-Lager zum Verkauf anzubieten, andererseits aber auch kulturellen Veranstaltungen, Filmvorführungen, Lesungen, Lerncafés und anderen Nutzungen dienen können. Die Aufgabe der Studierenden war es, für so ein multifunktionales Geschäft mit kulturellem Anspruch ein flexibles, kostengünstiges, aber auch einmaliges, wiedererkennbares und hochwertiges Gestaltungskonzept zu entwickeln. Dazu zählten zwingend ein Kassenbereich, Regale und Kleideraufhängung, Kabinen zur Anprobe, ein Lagerbereich und ein Auslagenkonzept. Erschwerend kam hinzu, dass das Lokal für den Flagshipstore noch nicht gefunden ist. Die Entwurfsidee musste also für möglichst viele Räumlichkeiten adaptierbar sein. "Flagshipstore - second hand an more" lautete das Motto eines kleinen Studentenwettbewerbs mit insgesamt 1.500 Euro Preisgeld, zu dem zehn Projekte abgegeben wurden. Sie wurden am 14. Juni von einer Jury beurteilt. Der Jury gehörten neben Alexander Tröbinger und Ulrike Karpfen als Verteter des Bauherrn noch die Künstlerin Iris Andraschek, der Architekt und Künstler Lukas Kaufmann, sowie architektur.aktuell-Redakteurin Isabella Marboe an. Letztere wurde einstimmig zur Vorsitzenden gewählt und verfasste auch das Juryprotokoll. In einem ersten Rundgang verschaffte sich die Jury einen Überblick über die verschiedenen Ansätze und das Niveau der Arbeiten, dann wurden die weniger überzeugenden Projekte ausgeschieden. Relativ rasch hatten sich die vier Favoriten herauskristallisiert, unter die das Preisgeld verteilt wurde.

Siegerprojekt "Kleidersprosse" von Olivia Dudkowski und Anna-Lena Kleiner Photo Thomas Holly Kellner

Siegerprojekt "Kleidersprosse" von Olivia Dudkowski und Anna-Lena Kleiner Photo Thomas Holly Kellner

Kleidersprosse

Als klarer Sieger begeisterte das Projekt „Kleidersprosse“ die Jury: Es trägt nicht nur einen sehr sinnstiftenden, malerischen Namen, es überzeugt auch mit seinem klaren, einfachen gestalterischen Konzept. Die beiden Studentinnen Olivia Dudkowski und Anna-Lena Kleiner setzten vor allem auf Leitern, um daraus raumbildende Regalsysteme zu machen. „Wir wollten etwas Flexibles schaffen und haben recherchiert, wie man am besten rasch, kostengünstig und flexibel Räume schaffen kann. Leitern schienen uns da für Kleidung perfekt.“ Aus hygienischen und ästhetischen Gründen entschieden sie sich für Metallleitern, die man mit Klemmen zwischen Boden und Decke einspannen und so fixieren kann. So lassen sich damit freistehende Raumelemente in der Mitte bilden, ebenso aber können die Leitern an den Wänden raumhoch montiert werden und diese so optimal als Staufläche nutzen. „Uns war ein gewisser industrieller Chic wichtig“, so die beiden Entwerferinnen, deren Beleuchtungskonzept auch auf horizontal hängenden Leitern beruht, von denen Glühbirnen baumeln. Als Regalsysteme sind die Leitern fast unschlagbar flexibel: ihre Sprossen ermöglichen es, Holzbretter fast beliebig lose oder dicht als Regalböden einzusetzen oder das Gewand mit Kleiderhaken gleich direkt an die Leitern zu hängen. Auch Seile würden sich zwischen den Leitern leicht spannen lassen, mit denen die beiden Studierenden auch die Auslage und den Kassabereich gestaltet haben. Als Display für Informationen und Ankündigungen schlagen sie einfach eine schwarze Schiefertafel und Tafelkreide vor. Auch das harmoniert sehr gut mit Metalleitern, Holz und Glühbirnen. Ein überzeugendes, vielseitig einsetzbares, kostengünstiges Konzept, das auch relativ leicht umsetzbar scheint und einstimmig mit dem ersten Rang prämiert wurde.

Projekt "Hängar" von Dominik Lichtenberger und Sebastian Peter Photo Thomas Holly Kellner

Projekt "Hängar" von Dominik Lichtenberger und Sebastian Peter  Photo Thomas Holly Kellner

Hängar

„Wir wollten den Raum möglichst clean lassen, damit man sieht, was verkauft wird“, so Dominic Lichtenberger, der gemeinsam mit seinem Kollegen Sebastian Peter das Projekt „Hängar“ entwickelt hatte. „Wir hatten die Idee, die Kleidung aufzuhängen, damit man den Boden komplett frei halten kann“, so die beiden Studenten. „Wenn man diese Kleider dann auch noch höhenverstellbar aufhängt, kann man den Raum in wenigen Minuten frei räumen.“ Schon im Physikunterricht war Dominik Lichtenberger von Seilzügen fasziniert gewesen. Eine Recherche im Internet ergab, dass diese bereits um zehn Euro zu haben sind. Also beschlossen die beiden, ihr Konzept auf dem Prinzip Seilzug zu entwickeln: Als Regale schlagen sie vor, Heurigenbänke per Seilzug von der Decke abzuhängen. Ebenso Kleiderstangen. Beides ließe sich im Fall einer Veranstaltung rasch hoch ziehen. „Außerdem gefiel uns diese vorindustrielle Atmosphäre, die so Seilzüge vermitteln.“ Für die Jury war das Konzept der flexiblen Hochziehmöglichkeit sehr überzeugend, außerdem würde es sich auch mit den Leitern gut kombinieren lassen. Daher entschied sich die Jury, ihm gleichfalls ex aequo einen ersten Rang zu zuerkennen. Beide erste Plätze werden mit je 500 Euro prämiert.

Wand Stecker

Hinter dem drittplatzierten Projekt stecken die drei Studierenden Michael Kulakovskij, Matei Tulban und Anne Pustea. Ihnen war es wichtig, mit Kisten, Standen und Platten ein steckbares Möbelsystem aus Holz zu entwickeln, das man vielseitig verwenden und damit das Geschäft gestalten kann. So eignen sich die Kisten einerseits als Aufbewahrungselemente, andererseits aber auch als Sitzflächen oder Podeste zur Gestaltung von Schaufenstern. Die Wandelemente, an denen Regalborde oder Hängestangen für Kleider und Krawatten angesteckt werden können, lassen sich entweder an der Wand montieren oder auch als Raumteiler verwenden, um beispielsweise eine Garderobe daraus zu bilden. Sie eignen sich auch als Kassapult und ermöglichen so eine vielseitige Gestaltung des Raumes.

Projekt "Wand Stecker" von Michael Kulakovskij, Matei Tulban und Anne Pustea Photo Thomas Holly Kellner

Projekt "Wand Stecker" von Michael Kulakovskij, Matei Tulban und Anne Pustea   Photo Thomas Holly Kellner

Die Jury zeigte sich von der sehr ansprechenden Darstellung und der Detailgenauigkeit des Konzepts begeistert, allerdings wurde das Möbelsystem auch in einem sehr attraktiven, dreiseitig verglasten Geschäftslokal dargestellt. Das ist nachvollziehbar und legitim, trotzdem stellte sich die Frage ob es in einem weniger attraktiven Raum genauso gut zur Geltung käme. Sehr positiv vermerkt wurde jedoch die Wahl des hochwertigen Materials Holz und seine qualitätvolle Verarbeitung, die auch die präsentierten Waren aufwertet.

Überblick in Farbe

„Second Hand Shops wirken oft unorganisiert“, mein Fabian Hermann, der gemeinsam mit Konstantinos-Stefanos Patapis auf die Kraft der Farbe setzte. „Wir haben viel zu Farbe recherchiert und beschlossen im Shop alles, was nicht verkäuflich ist, in einer Farbe anzumalen.“ Boden, Wand, Decke und Möbel, die durchaus auch aus dem Lager des Roten Kreuzes und von der Caritas stammen können, sollten mit einer Farbe, die sozusagen auch die CI bildet, bemalt werden. Diese Farbe wäre günstig zu erwerben, leicht aufzubringen und gäbe dem Geschäft eine unverwechselbare CI. Die Farbe sollte auch die Abgrenzung zu den Kleidern bilden und dazu dienen, Ruhezonen zu schaffen. Nach der Vorstellung der Gestalter sollte jedes Geschäft eine andere Farbe haben. Die Jury gab diesem kräftigen, etwas theatralischen, aber durchaus auch überzeugenden Konzept einen Sonderpreis.

Projekt "Überblick in Farbe" von Fabian Hermann und Konstantinos-Stefanos Patapis Photo Thomas Holly Kellner

Projekt "Überblick in Farbe" von Fabian Hermann und Konstantinos-Stefanos Patapis  Photo Thomas Holly Kellner

Am 24. Juni lud das Rote Kreuz alle Studierenden in seine Wiener Zentrale in seine Bezirksstelle in der Nottendorfer Gasse 21, wo alle Projekte sehr stilecht in der Garage präsentiert wurden. Sobald ein Geschäftslokal gefunden ist, werden die Siegerprojekte hoffentlich umgesetzt.

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