Neuer Derzbachhof, München
Auch in München werden große Gartengrundstücke noch immer mit eng stehenden Einfamilienhäusern bebaut. Das neue Ensemble Derzbachhof weist einen anderen Weg: Durch hochwertige Eigentumswohnungen im kompakten Neubau konnte der alte Obstgarten weitgehend erhalten werden. Die BewohnerInnen nutzen ihn, wie auch das historische Bauernhaus, gemeinschaftlich.
Alte Dorfkerne schützen
Selbst vielen Einheimischen ist nicht bewusst, dass in München zahlreiche periphere Stadtteile auf Dörfer mit bäuerlicher Tradition zurückgehen. Seit etlichen Jahren ist es ein Anliegen der Stadtregierung, die noch vorhandenen Strukturen zu stärken. Neubauten sollen sich durch Kubatur, Gestalt und Materialität in die historische Umgebung einfügen. Dazu hat die bayerische Landeshauptstadt 2020 einen Leitfaden zum „Erhalt des Ensembleschutzes“ herausgegeben. Die illustrierte Broschüre listet bis in die baulichen Details hinein auf, welche Regeln eine neue Architektur zu befolgen hat. Alle Maßnahmen sind mit der Unteren Denkmalschutzbehörde abzustimmen, die bei der städtischen Lokalbaukommission angesiedelt ist. Diese Kommission ist bekannt dafür, dass sie im Allgemeinen auf dem Regelwerk beharrt, in besonderen Fällen aber neuartige Lösungen unterstützt. Ein solcher Fall war der Derzbachhof aus dem Jahr 1751 im südlichen Stadtteil Forstenried. Dieser älteste noch erhaltene Münchner Bauernhof befand sich nach jahrzehntelangem Leerstand in einem baufälligen Zustand, als 2018 die Planung für das neue Ensemble auf dem rund 4.000 m2 großen Grundstück begann.
Widerstand aus der Bevölkerung
Das Gelände hatte die Firma Euroboden von einer Erbengemeinschaft erworben. Stefan Höglmeier, Gründer und Inhaber der Firma, nimmt unter den Münchner InvestorInnen eine Sonderstellung ein. Weil er seine Projekte unter dem Titel „Architekturkultur“ propagiert, will er sich denn auch weniger als Investor denn als Bauherr verstanden wissen. Sein Anspruch ist es, für seine Vorhaben stets mit herausragenden ArchitektInnen zu arbeiten. Dennoch stieß Höglmeier mit der Planung für einen erweiterten Derzbachhof bei der örtlichen Bevölkerung auf zum Teil massive Ablehnung.
InvestorInnenprojekte haben in München schon länger einen schlechten Ruf, weil sie nicht selten zur Gentrifizierung mit entsprechender MieterInnenvertreibung führen. Zu seinem Glück hatte Höglmeier zwei Architekten ausgewählt, die ebenso viel Ausdauer bewiesen wie er selber: Peter Haimerl, den bayerischen Architekturpreisträger von 2018, zuständig für das Konzept der Anlage und Walter Waldrauch von raumstation Architekten, der für die Sanierung und den Neubau verantwortlich ist. Gemeinsam konnten sie schließlich den Widerstand entkräften, der von Mahnwachen bis hin zu Petitionen an den Bayerischen Landtag reichte.
Die wesentliche Forderung aus der Bevölkerung lautete, den Bauerngarten nicht anzutasten, den Neubau zu verhindern. Um die Menschen von den Vorteilen des Bauprojekts zu überzeugen, wurde auch ein ungewöhnliches Format eingesetzt, die „Poetische Partizipation“ des KünstlerInnenteams Edward Beierle und Jutta Görlich. Auf einem Dorffest konnten BürgerInnen ihre Erinnerungen an den Derzbachhof vortragen, berichtet Peter Haimerl: „Mit inszenierten Fotografien wurden diese Geschichten dann zu Bildern und in großformatigen Text-Bild-Kombinationen im ganzen Ort plakatiert.“
Alt und Neu in Harmonie
Auch der kritischen Bevölkerung wurde nach Fertigstellung des neuen Ensembles klar, dass es die Ortsmitte von Forstenried aufwertet. Es ist nicht zuletzt ein Gewinn, dass drei Viertel des Grundstücks unbebaut blieben. Die Anlage umfasst drei Bauten: ... mehr dazu in der Märzausgabe!
Einblicke in den Neuen Derzbachhof: