Sie lieben Doktrinen? Ich auch nicht

Für die Architekturbiennale 2023 hat Lesley Lokko, ghanaisch-schottische Architektin und Hochschullehrerin, das Thema „Das Labor der Zukunft“ gewählt. Ihre Absicht war, Möglichkeiten zu untersuchen, ein kollektives Morgen zu schaffen, ausgehend von den Erfahrungen des afrikanischen Kontinents. Gut! Doch: „Dürfen wir das kollektive Morgen auf den Kontinent Afrika beschränken?“, fragten mich die KollegInnen aus Südamerika, aus Asien, aus dem Orient. Kann das nicht als eine neue Doktrin verstanden werden?

Ein solches Miss-Verständnis bedrängt, denn es wiederholt paradoxal eine alte Doktrin, nämlich die Le Corbusiers, die vor genau 90 Jahren, im Sommer 1933 anlässlich des vierten Congrès international d’architecture moderne in Athen zu Papier gebracht wurde. Sie prägte das folgende Jahrhundert fatal: „Autogerechte Tabula-rasa-Städte“, „Zonieren“ und die „Wohnmaschine“, diese vermeintlich leichtfüßigen Mottos führten zur Kolonialisierung unseres gesamten Planeten durch fortschrittstrunkene Reißbrettstädte, durch (beton-)industriell betriebenen Massenbau und durch das laute Geschrei europäischer Muster und Symbole, die die örtlichen Kulturen übertönten.

Was Lesley Lokko aber will, ist keine neue Doktrin, sondern das Gegenteil, die Ausrottung dieser alten. Sie beschwört das Ende des Kolonialisierens, der Tabula rasa und des blinden Wiederholens sinnentleerter Zeichen und zeigt in ihrem Pavillon in den Biennale-Gärten mithilfe geladener KollegInnen vom Niveau eines Francis Kéré konkrete Beispiele eines anders Denkens, anders Gestaltens und anders Bauens in Afrika – oder dank afrikanischer Wurzeln. Die Länderpavillons der Giardini geben gelungen ihr Orchester und öffnen den Blick auf die Horizonte weiterer Kontinente...

Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 9/2023. Der Volltext ist ab Seite 16 zu finden.