Aires Mateus

Fakultät für Architektur der Katholischen Universität Löwen, Tournai

Gebäude

Die Kunst der Leere  Die Architektenbrüder Aires Mateus aus Lissabon sind Meister im Umgang mit der Leere. Negativformen evozieren Ideen von Objekten, die real gar nicht vorhanden sind. Mit aparsamsten geometrischen Mitteln werden poetische Stimmungen auf virtuoase Weise erzeugt.

Urbane Brache

Die Brüder Aires Mateus haben die Leere als architektonisches Forschungsfeld gewählt. Jedes Projekt wird zunächst als Möglichkeit betrachtet, sich mit dem Innenvolumen auseinanderzusetzen, als Chance, neue Raumorganisationen zu verstehen und damit zu experimentieren. Programm, Standort, Intentionen des Auftraggebers, all diese Gegebenheiten werden mit einbezogen und in der räumlichen Konzeption des Projekts berücksichtigt. In Stadthäusern wie der Casa en Ajuda in Lissabon wird dieses Konzept durch eine komplexe vertikale Erschließung umgesetzt, die die verschiedenen Lebensräume miteinander verbindet. Bei horizontaler ausgerichteten Projekten, wie dem Centre islamique in Bordeaux oder dem in Bau befindlichen Musée de design et arts appliqués contemporains in Lausanne (Mudac), wird mit einer Komprimierung oder Expansion des Leerraums zwischen Boden und Decke gearbeitet.

Die Brüder Aires Mateus wenden bei jedem dieser Projekte dieselbe Strategie an: Sie beginnen damit, die Leere zu zeichnen, bevor sie die Grenzen schaffen, die diese spürbar machen. Im Falle der Erweiterung der Fakultät für Architektur der Katholischen Universität Löwen in Tournai war die Aufgabe für die Architekten einfacher. Das architektonische Programm bestand darin, historische Bauten (ein Kloster aus dem 18. Jahrhundert, das später auch als Krankenhaus diente, sowie zwei Industriegebäude) instandzusetzen und miteinander zu verbinden, um einen reibungslosen Betrieb des Ensembles zu gewährleisten. Hier war die Leere bereits gegeben – ein lang gezogener Geländestreifen, der zwei Straßen in einem Vorort von Tournai verbindet – und auch die Grenzen waren schon vorhanden, nämlich die Gebäude, die diese urbane Industriebrache begrenzen: An einem Ende des Baufeldes die Rückseiten des alten Klosters, am anderen die beiden massiven Industrie-Backsteingebäude.

Passagen aller Art

Dieser Bestand gab die Linie vor, der die Brüder Aires Mateus nur zu folgen hatten. Ihr architektonischer Eingriff schreibt sich faktisch zur Gänze in die Leere des urbanen Brachlands ein. In ihrem Zubau findet sich dieser Freiraum zwischen den beiden alten Industriegebäuden in einem Durchgang von doppelter Höhe wieder, welcher die beiden Straßen verbindet und das Hofareal des Klosters begrenzt und definiert. An den beiden Enden des daneben eingefügten Komplexes gewährleistet eine vertikale Erschließung die räumliche Aufteilung in den Geschossen, wobei die Büros der Verwaltung im alten Kloster und die Werkstätten sowie Hörsäle in den beiden Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert untergebracht sind. Aufgrund seiner Breite und seiner Höhe ist der lange Bauteil eine Art Forum. Als Veranstaltungsraum der Architekturschule gedacht, wird er durch die Besucherströme, die vom seitlich untergebrachten Auditorium maximum ausgehen, mit Leben erfüllt. Oberhalb des Forums haben die Architekten einen von außen nicht sichtbaren Flur eingezogen, der eine Verbindung zum ersten Geschoss zwischen den Büroräumen und den Unterrichtsräumen herstellt. (...)

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