L’Artisan des Pains Oubliés © Lorenzo Zandri

Ein aufstrebendes Architekturbüro aus Nizza ermöglicht beim Brotkauf ein Erlebnis für die Sinne, indem es elegantes, zeitgenössisches Design mit einer bescheidenen, aber keineswegs ängstlichen Hommage an Materialien und Handwerkskunst verbindet.


Das tägliche Leben eines Architekturschaffenden an der Côte d’Azur ist nicht immer ein Zuckerschlecken und unterscheidet sich oft deutlich von den uns bekannten touristischen Klischees. Bilder einer atemberaubenden mediterranen Landschaft, geprägt von üppigen Gärten mit Blick auf schnittige Yachten, die einsam auf dem schimmernden Meer treiben, glitzernde Cabriolets, die über palmengesäumte Alleen gleiten, und Cocktailpartys an privaten Pools im Schatten uralter Olivenbäume sucht man in Saint-Laurent-du-Var eher vergebens. Allerdings kann man die französische Gemeinde auch keinesfalls als Dantes Inferno bezeichnen. Eingezwängt zwischen dem Flughafen von Nizza, einem riesigen Einkaufszentrum, einem Fluss mit Neigung zu unvorhersehbaren Überschwemmungen, einer Autobahn und dem Eisenbahnnetzwerk könnte dieses unscheinbare urbane Umfeld überall liegen. Inmitten dieser Umgebung, die weder schön noch hässlich ist, in einer ruhigen Straße mit einfachen Gebäuden aus den 1970er und 1980er Jahren gelegen, befindet sich die von Bancaù Architectes entworfene Bäckerei L’Artisan des Pains Oubliés, die neuen, frischen Wind in die Nachbarschaft bringt.


Beim Eintreten in die Bäckerei wird man vom Duft gerösteter Körner auf der warmen Brotkruste, die gerade aus dem Holzofen kommt, empfangen. Auch der Geruch von sanft gärendem Sauerteig im Mahl- und Backbereich, den man durch eine große Glasscheibe beobachten kann, steigt einem gleich in die Nase.

Sowohl der Auftrag als auch der daraus resultierende architektonische Entwurf waren Ausdruck eines gemeinsamen Strebens nach einem Erlebnis für alle fünf Sinne. Der Bauherr verlangte Authentizität. Darauf legt er sowohl in Bezug auf seine eigenen Arbeitsprozesse sehr großen Wert – er mahlt sein eigenes Mehl vor Ort – als auch in Bezug auf seine Produkte: Sie bestehen aus Bio-Zutaten von lokalen ErzeugerInnen und werden nach traditionellen Rezepten zubereitet.

Das Architekturbüro hat sich demnach einem sachlichen, unkomplizierten Entwurf verschrieben, der architektonisches Denken und handwerkliches Können sowie modernste Technologie und traditionelle Bautechniken und -materialien in den Fokus rückt und miteinander verbindet.

Die ArchitektInnen haben von Anfang an eine Parallele zwischen ihrem Entwurfsprozess und dem des Brotbackens gezogen, da beide von derselben Leidenschaft für Authentizität zeugen. Dies lässt sich an der Verwendung natürlicher Materialien oder Zutaten und dem Interesse an handwerklichem Können erkennen.

Eine Herangehensweise, die im Gegensatz zu vorgefertigten architektonischen Konzepten und den heute üblichen ultra-verarbeiteten Lebensmitteln steht. Während des gesamten Entwurfs- und Bauprozesses waren Einfachheit und Authentizität das Motto, angefangen bei der Gestaltung des Raums.


L’Artisan des Pains Oubliés © Lorenzo Zandri

Der Wunsch nach Authentizität lässt sich in der architektonischen Umsetzung wiedererkennen.
© Lorenzo Zandri

Das 171 Quadratmeter große Erdgeschoss des neu errichteten Wohngebäudes öffnet sich zur Straße hin durch ein großes, wandhohes Fenster und ermöglicht Einblicke bis tief ins Innere. Das Lokal ist in zwei funktionale Bereiche unterteilt – die Verkaufstheke mit einem angrenzenden Essbereich im vorderen Teil und den transparent gestalteten Raum zur Brotherstellung mit einem zentralen, massiven, mit Ziegeln verkleideten Holzofen im hinteren Teil. So wird es KundInnen wie PassantInnen ermöglicht, das Ballett der BäckerInnen jenseits des Essbereichs mitzuerleben und einen Blick auf die Backwaren vom L’Artisan des Pains Oubliés zu erhaschen, was im Deutschen HandwerkerIn der vergessenen Brote bedeutet.

L’Artisan des Pains Oubliés © Lorenzo Zandri

Die ausgewählten Materialien und Farbwahl ziehen sich wie ein roter Faden durch die Räume.
© Lorenzo Zandri

L’Artisan des Pains Oubliés © Lorenzo Zandri

Die Bäckerei öffnet sich zur Straße hin und ermöglicht Einblicke bis tief ins Innere.
© Lorenzo Zandri

L’Artisan des Pains Oubliés © Lorenzo Zandri

Der massive Holzofen befindet sich im hinteren Teil der Bäckerei.
© Lorenzo Zandri

L’Artisan des Pains Oubliés © Lorenzo Zandri

Die Auswahl fiel auf Materialien, die, ähnlich wie Brot, von Hand bearbeitet werden können.
© Lorenzo Zandri

Auch bei der Auswahl der zu verwendenden Materialien ließ sich das ArchitektInnen Team von einer „back to basics“-Haltung leiten: schlicht, traditionell, mit zeitgemäßer Neuinterpretation, handgefertigt oder durch fast vergessene Handwerkskunst hervorgehoben. Auf diese Weise werden die Materialien in den Vordergrund gerückt, die eine ganz eigene Geschichte über das Projekt erzählen.

   MEHR DAZU IN DER AUSGABE


 


 

Banner 6/2023

Das könnte Sie auch interessieren

Newsletter Anmeldung

Wir informieren Sie regelmäßig über Neuigkeiten zu Architektur- und Bauthemen, spannende Projekte sowie aktuelle Veranstaltungen in unserem Newsletter.

Als kleines Dankeschön für Ihre Newsletter-Anmeldung erhalten Sie kostenlos ein architektur.aktuell Special, das Sie nach Bestätigung der Anmeldung als PDF-Dokument herunterladen können.