Fragmentos, Studierendenwohnheim António Granjo © Fernando Guerra

Mit dem Umbau einer alten Baustofffabrik in ein Wohnheim für Studierende wurde in einem der traditionsreichsten Stadtteile Portos auch ein neues Gemeinschaftsgefühl geschaffen. Ist es möglich, in die Zukunft zu blicken, ohne die Geschichte eines Ortes außen vor zu lassen? Das Projekt António Granjo beweist, dass dies durchaus funktioniert.


Wenn man durch die engen Gassen der Stadt Porto geht, erinnert immer weniger an das Porto vergangener Zeiten. Der Stadtteil Bonfim gilt allerdings als Ausnahme – und wir sind nicht die Einzigen, die das behaupten: Im Jahr 2020 zählte der Guardian ihn zu den zehn coolsten Vierteln in Europa. Im selben Jahr wurde er von den Time-Out-RedakteurInnen auf globaler Ebene mit demselben Titel ausgezeichnet. Das wirft unweigerlich die Frage auf, was Bonfim in einer Zeit, in der Porto in aller Munde ist, plötzlich auf den Radar neugieriger TrendsetterInnen bringt.

Die Nähe zum historischen Zentrum, in dem mehr los ist als je zuvor, ist vielleicht das logischste Argument. Vielleicht ist es aber auch die gute Anbindung, die für Bonfim spricht – der nahegelegene Bahnhof Campanhã ist auch heute noch der wichtigste Bahnhof von Porto und macht dem zentralen (und fotogenen) Bahnhof São Bento die Hauptrolle streitig. Aber wir können noch weiter argumentieren: Bonfim ist einer der wenigen Orte in der Stadt, an dem man noch die Reste eines gewissen Regionalismus spüren kann. Im 19. Jahrhundert befand sich dort das wichtigste Industriezentrum Portos, das dutzende von Keramikfabriken und Webereien beherbergte, bevor es zu einem Wohn- und Geschäftsviertel wurde. Heute haben hier junge KünstlerInnen ihre Ateliers und Galerien neben Lebensmittelgeschäften, Werkstätten und alten Tascas – typischen Lokalen, die täglich traditionelle portugiesische Gerichte servieren.

Sobald man die Rua António Granjo im Zentrum des Viertels erreicht, wird es leichter, diesen feinen Dialog mit der Vergangenheit zu erahnen. Dort, wo sich einst die Baustofffabrik Acabamentos da Vitória befand – nicht weit entfernt von anderen Industrieanlagen wie der Fábrica de Fiação e Tecidos do Porto, der Fábrica de Tecidos do Bonfim oder der Kartonagenfabrik A Nova Industrial – wurde im September 2022 ein Studierendenwohnheim des französischen Unternehmens Odalys fertiggestellt. „Die Anlage ist nicht nur eine Antwort auf die stark steigende Zahl nationaler und internationaler StudentInnen in Porto, sondern profitiert auch von einem einzigartigen Standort in einem alten, sorgfältig renovierten Industriegebäude“, erklärt Laurent Dusollier, CEO der Odalys-Gruppe.

Studierendenwohnheim António Granjo © Fernando Guerra

Die Deckenhöhe der alten Lagerhallen ermöglichte die Realisierung zweier Wohngeschosse.
© Fernando Guerra

Studierendenwohnheim António Granjo © Fernando Guerra

Die Außengestaltung ergänzt das modulare, nordisch inspirierte Design im Innenraum.
© Fernando Guerra

Studierendenwohnheim António Granjo © Fernando Guerra

Die Farben Weiß, Grau und Orange ziehen sich wie ein roter Faden durch das Projekt.
© Fernando Guerra

Studierendenwohnheim António Granjo © Fernando Guerra

Das Erscheinungsbild wurde neu interpretiert.
© Fernando Guerra

Studierendenwohnheim António Granjo © Fernando Guerra

Der Industrieschornstein bewahrt die Erinnerungen an die Vergangenheit des Gebäudes.
© Fernando Guerra

Das Adaptieren der industriellen Vergangenheit an die Bedürfnisse heutiger Studierender war die größte Herausforderung für das Architekturbüro Fragmentos, als es mit der Renovierung beauftragt wurde. Mit 212 Zimmern und 16 Mehrfamilienwohnungen erfüllt das Projekt nicht nur seinen Zweck, sondern zeugt auch von der reichen historischen Vergangenheit des Gebäudes. Von der Erhaltung des Dachprofils bis zur Renovierung der Fassaden wurde das gesamte Erscheinungsbild neu interpretiert. Trotzdem wird die Erinnerung an das ursprüngliche Gebäude bewahrt. „Die großzügige Deckenhöhe der alten Lagerhallen ermöglichte die Realisierung zweier Wohngeschosse sowie die Aufstockung um ein weiteres, im Dach integriertes Stockwerk“, fügt das ArchitektInnenteam hinzu und betont, wie wichtig es sei, zeitgenössische Elemente wie die zinkverkleideten Mansarden in das alte Gebäude einzubauen.

Die Innenräume hingegen folgen der Philosophie des gesamten Projekts – hier steht Ästhetik nicht so im Vordergrund wie Komfort und Funktionalität. Das modulare, nordisch inspirierte Design passt sich gut an die Bedürfnisse moderner junger Menschen an. Es soll zu Momenten des Zusammenkommens und -arbeitens in den verschiedenen Gemeinschaftsräumen anregen, die sich auf die Rezeption, die Cafeteria, den Fitnessraum, den Lounge-Bereich sowie die Coworking-Spaces verteilen. Bei der Ankunft trennt ein zentraler Weg die beiden Gebäude zur Rua António Granjo hin und ermöglicht den Zugang zu einem neuen Baukörper auf der Rückseite des Grundstücks.

Beton, Ziegel, Metall und kunstvolles Design verstärken die Verbindung zur Vergangenheit, die besonders augenscheinlich wird, wenn man den alten Industrieschornstein passiert. Seine Erhaltung ist nicht nur ein ästhetisches Element, sondern auch... mehr Details in unserer Maiausgabe!

Studierendenwohnheim António Granjo © Fernando Guerra

Der alte Industrieschornstein bestimmt die gesamte Farbpalette des Projekts.
© Fernando Guerra


 


 

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