Wie Pflanzen unser Denken und Handeln auf revolutionäre Art und Weise verändern können

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Das Leben des Pflanze © Das Leben der Pflanze 1906 | Public Domain

In diesem Sommer habe ich den italienischen Neurobiologen Stefano Mancuso in Florenz interviewt, wo er an der Universität im Fachbereich Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt und Forstwirtschaft als Professor tätig ist und zudem ein unabhängiges Forschungszentrum in einer alten Fabrik leitet, die heute ein Zentrum für Forschende und Kreative ist. Er steht außerdem einer von der italienischen Regierung eingesetzten Kommission vor, die untersuchen soll, wie die italienischen Städte für eine nachhaltigere, weniger kohlenstoffintensive Zukunft umgestaltet werden können, in der Pflanzen und Menschen in wesentlich besserer Weise koexistieren. Gleichzeitig hat er eine Vielzahl von Büchern mit Titeln wie „The Nation of Plants“, „Brilliant Green“ und dieses Jahr „Tree Stories“ veröffentlicht.


Bereits in den ersten Minuten meines Gesprächs mit Stefano Mancuso erzählt er mir, welch große Hoffnungen er in Kunst und Architektur setzt und dass ein humanistischer Ansatz ein sinnvoller Weg sein kann, um die akute Krise in der Geschichte zu überstehen, in der wir zu zögern scheinen und am Rande der Katastrophe stehen. Um die aktuelle Situation der Klimakrise zu verstehen, so sagt er, haben wir zwar genügend Daten und Wissen. Aber wir haben dennoch Schwierigkeiten, ihre Bedeutung, ihre Folgen oder auch nur die Begrifflichkeiten zu erfassen. Und hier liege das Potenzial eines Wissens, das nicht nur rational, wissenschaftlich und „in-sich-selbstdenkend“ ist.

Genres wie das Geschichtenerzählen, die Poesie, die bildende Kunst und die Architektur sowie die Berührung mit dem Spirituellen, Emotionalen und Philosophi­schen können uns helfen, zu begreifen, was Wissenschaft und Daten allein nicht verständlich machen können. Hier sind Stefano Mancusos Geschichten: Lange Zeit haben wir unsere Heimat – den Planeten – als eine Art Hintergrund betrachtet, als einen stabilen Hintergrund, auf den wir uns verlassen konnten, der uns mit unendlichen Ressourcen versorgte und es uns ermöglichte, uns auf die Produktion zu konzentrieren.

Dies führte zu einer Vorstellung von „Natur“ als etwas, das „da draußen“ war, weit weg von uns, fast nicht in unserem Blickfeld. Und die meiste Zeit ganz unten in der Hierarchie, obwohl sich alle Lebewesen zu jedem Zeitpunkt der Geschichte auf der gleichen „Stufe“ befinden. All dies hat zu einer gewissen „Pflanzenblindheit“ geführt: Wenn keine anderen Menschen oder (großen) Tiere mit uns im Wald sind, glauben wir, wir seien allein. Wenn ein Reh in der Ferne auftaucht, haben wir nur ein Reh im Blickfeld, nicht aber ein Reh und Pflanzen, Bäume und Büsche und so weiter.

Wir haben Schwierigkeiten, unsere Aufmerksamkeit auf die „Natur“ als lebende Organismen zu lenken. Heute gibt es natürlich eine Verschiebung des Horizonts: von der Produktivität zur Bewohnbarkeit der Lebensbedingungen, vom Wachstum zum Gedeihen. Der stabile Rahmen war eben doch nicht so stabil, und wir müssen unsere Sensibilität gegenüber der Umwelt kultivieren, von der Blindheit zur Pflege und Reparatur übergehen.

Das gilt auch für die Architektur: Wenn man baut, neigt man dazu, die Bauarbeiten zu erledigen und danach Elemente der Landschaftsgestaltung wie Bäume, Grünpflanzen und Blumen hinzuzufügen. Den „Hintergrund“ in den „Vordergrund“ zu rücken, würde bedeuten, die vorhandenen lebenden Organismen zu berücksichtigen und die Architektur an das anzupassen, was bereits vorhanden ist...

Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 10/2023. Der Volltext ist ab Seite 22 zu finden.

Pflanzen der Heimat (Tafel 71) © Fitschen, Jost; Schmeil, O. 1913 | Public Domain

Die „Natur“ als lebende Organismen.
© Fitschen, Jost; Schmeil, O. 1913 | Public Domain


 

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