Gangoly Kristiner Architekten und O&O Baukunst, Wohnhaus Rosalie, Wien © David Schreyer

Manchmal spürt man, um eine berühmte Redewendung des deutschen Langzeitbundeskanzlers Helmut Kohl zu zitieren, den Mantel der Geschichte im Moment seines Vorbeistreifens. Manchmal erkennt man eine Zeitenwende erst im Rückspiegel der Jahre.

Als am 15. September 2008 die Bank Lehman Brothers zusammenbrach und kurz darauf die Finanz- und Immobilienkrise Schockwellen um die Welt sandte, wurde dies von praktisch allen BeobachterInnen unmittelbar als erschütterndes Wende-Ereignis empfunden. Die wirklichen Folgen zeigten sich erst später. Darunter ein globaler Wohnbauboom ungekannten Ausmaßes, bedingt vor allem durch die Niedrigzinspolitik infolge der Finanzkrise, kombiniert mit einem bis heute nicht nachlassenden Bevölkerungszuwachs in den meisten Großstädten weltweit.


 

Welche Rolle das Jahr 2024 spielt, wird man vielleicht erst in einer Generation bemessen können, doch es deutet sich an, dass dieses Jahr das Ende der Niedrigzinspolitik und damit auch den Endpunkt der historischen Betongold-Ära markieren könnte. Das in Zeitlupe zusammenfallende Kartenhaus des SIGNA-Firmenimperiums ist das aufsehenerregendste Signal dafür, doch nicht das einzige.

Im Dezember 2023 meldete mit Colindo Immobilien ein Investor am Wiener Zinshausmarkt Insolvenz an. Colindo hatte sich auf Ankauf, Sanierung und Weiterverkauf von Zinshäusern spezialisiert. Ein renditeträchtiges Modell, solange die Zinsen gering blieben – und eines, das nach deren Anhebung sehr schnell aufhörte zu funktionieren, weil man nun auf den zu teuer eingekauften Projekten und Grundstücken sitzen blieb.

Ein weiteres Signal, dass der Betongoldesel Wohnbau seine Freigebigkeit einstellte, waren die neuen Kreditvergaberichtlinien (KIM), die die Finanzmarktaufsicht (FMA) bereits im August 2022 erließ. Seitdem müssen KreditkundInnen mindestens 20 Prozent an Eigenkapital für die Wohnbaufinanzierung einbringen, und die monatlichen Kreditraten dürfen 40 Prozent des Haushaltseinkommens nicht überschreiten. Für viele bedeutet das ein Hindernis auf dem Weg zum Eigenheim und eine besonders verschärfte Situation für schon bestehende Kreditnehmer, die auf variablen anstatt auf fixen Zinssatz gesetzt hatten. Dies trifft vor allem die HäuslbauerInnen und KleinanlegerInnen, mit Auswirkungen auf den Einfamilienhausbau und den niedrigpreisigen großvolumigen freifinanzierten Wohnungs-Neubau, wie es ihn etwa in den transdanubischen Bezirken Wiens in großer Zahl gibt. Hier fällt ein großer Teil des KundInnensegments weg, weil sie keine Kredite mehr bekommen. Dazu kommen die seit Jahren rapide ansteigenden Bau- und Energiekosten, die sowohl Investoren als auch die gesamte Baubranche nervös machen. So nervös, dass im Februar von Wirtschaftskammer und Bau-Gewerkschaft ein 100.000-Euro-Eigenheim-Bonus zur „Ankurbelung der Wirtschaft“ vorgeschlagen wurde. Eine Idee, die sofort und zu Recht reichlich Kritik und Kopfschütteln erntete, denn angesichts der seit Jahren andauernden Diskussion um Bodenversiegelung und Zersiedelung stellt eine solche Einfamilienhaus-Initiative eine groteske Kehrtwende dar.

Gerner Gerner Plus und M&S Architekten, Lebenscampus Wolfganggasse, Wien © Daniel Hawelka

Im Lebenscampus Wolfganggasse richten sich die Angebote an alle Generationen.
© Daniel Hawelka

Wie sieht die Lage im geförderten Wohnbau aus?

Der befindet sich zwar in einem gewissen politischen safe space, hat aber mit denselben Kostensteigerungen zu kämpfen.

Die Tiroler NHT etwa musste angesichts der gleichzeitigen Steigerung von Zinsen und Energiekosten 26 Millionen Euro an Eigenmitteln einbringen, um ihre Mietpreise zu stabilisieren. Andererseits, sagt der neue NHT-Geschäftsführer Johannes Tratter, bekomme man aufgrund der geänderten Marktlage jetzt Grundstücke angeboten, die man vor wenigen Jahren nicht bekommen hätte.

In Wien eilte die Landesregierung den gemeinnützigen Bauträgern rettend zur Hilfe und beschloss im Oktober die Novelle der Neubauverordnung...

Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 4/2024. Der Volltext ist ab Seite 64 zu finden.


 

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