Nachruf auf den Tiroler Architekten

Hanno Schlögl 1944-2020

Naturparkhaus Längenfeld © Günter Richard Wett

Mit Architekt Hanno Schlögl, geboren 1944 in Hall in Tirol, Studium und Diplom bei Roland Rainer in Wien, seit den 1970er Jahren mit Bürositz in Hall tätig, vielfach ausgezeichnet, vielfach aktiv in öffentlichen Kulturgremien und Jurien, der am 3. 12.2020 nach schwerer Erkrankung starb, verliert die Tiroler und die österreichische Architekturszene eine ihrer besten und lautersten Persönlichkeiten.


 

Hanno Schlögl hat quantitativ nicht „viel“ gebaut, aber jede seiner Realisierungen, zum Teil in Partnerschaft mit verschiedenen Kollegen, zuletzt vor allem mit Daniel Süss, jeder seiner Bauten erbrachte eine modellhafte, vorbildliche Lösung der gestellten Aufgabe, des Umgangs mit Ressourcen im weitesten Sinn. Wie er selbst formulierte, ging es ihm stets darum „Gebäude zu errichten, die sich jenseits ihrer geforderten Funktion noch für weitere Nutzungen eignen – und nicht nur um Bedürfnisse zu erfüllen, sondern um der Universalität einer Idee nachzuspüren.“ Sein herausragendes Können zeigte sich besonders bei Umbauten, Transformationen, Revitalisierungen oder Zubauten von qualitätsvollen historischen und modernen Baubeständen – vom Salzlager Hall, von den Stationen der Innsbrucker Nordkettenbahn, der Erweiterung des Tiroler Landhauses im Stadtkern von Innsbruck, bis etwa zur komplexen Intervention in der Wiener Kärntnerstraße für den Swarovski-Store…

 

Verleihung des Tiroler Landespreises für Kunst an Hanno Schlögl, 2019 (c) Land Tirol

Verleihung des Tiroler Landespreises für Kunst an Hanno Schlögl, 2019 (c) Land Tirol

In allen Projekten gelang es Schlögl, dem selbstgestellten Anspruch zu genügen, 'mit reduzierten formalen Mitteln ein hohes Maß architektonischer Dichte zu erreichen'.

Otto Kapfinger

 

In all diesen Projekten gelang es ihm, dem selbstgestellten Anspruch zu genügen: „mit reduzierten formalen Mitteln ein hohes Maß architektonischer Dichte zu erreichen“. Und in engster, gestalterisch-geistiger Resonanz zur gegeben Bausubstanz jeweils ein neues, räumlich-dialogisch reichhaltiges GANZES zu formen. Eine weitere Besonderheit war die Affinität dieses Architekten zur zeitgenössischen bildenden Kunst, die in fast allen seinen Realisierungen als wesentlicher Teil der Konzeption integriert ist – die Liste der beteiligten Künstlerinnen und Künstler liest sich wie ein „best of" der österreichischen Szene. Die engste Beziehung hatte er wohl zu Heinz Gappmayr, einem international akklamierten Proponeten der visuellen Poesie, der kritisch-didaktischen Erforschung und Reflexion der Bedeutung von Schrift für unsere Kultur, in all ihren Ambivalenzen...

Schlögl + Süß, Leitstelle Tirol, Innsbruck (c) WikiCommons, Coautorin

Schlögl + Süß, Leitstelle Tirol, Innsbruck (c) WikiCommons, Coautorin

Die Stellung von Architekt Schlögl innerhalb der „jüngeren“ Gruppierung der Tiroler Kolleginnen und Kollegen illustriert eine Episode, die ich selbst am Rande mitverfolgen konnte: 1999 plante die damals schon ökologisch innovativ engagierte Sennerei Zillertal in Mayrhofen die Errichtung einer großen Molkerei und Käserei, die zugleich als offene Schaukäserei angelegt war – damals noch ein ziemliches Novum. Über Kontakte mit „architektur und tirol“ (aut) und Arno Ritter wurde eine Handvoll der besten Teams der damals aufstrebenden, an den bekannten M-Preis-Märkten profilierten Tiroler Szene zu einem Wettbewerb eingeladen. Soweit ich mich erinnere, war auch Hanno im Gespräch, verzichtete dann aber, weil die übrigen Teilnehmer ihn aufforderten, als einziger Fachjuror (!) – neben dem Bauherrn – bestmöglich im Sinn der Sache zu agieren und diese Konkurrenz zu entscheiden. Das Ergebnis war modellhaft, anspruchsvoll und imagemäßig wie auch wirtschaftlich erfolgreich.

Vor fast zehn Jahren konnte ich für ihn mit dem Grafikteam Haller&Haller eine Werkmonografie redigieren und gestalten – ebenfalls ein nachhaltiges Erlebnis des konzentrierten, völlig uneitlen, in jedem Detail sachlich präzisen Teamworks. Nach der Buchvorstellung im aut schrieb ich meine Eindrücke in einem Email an ihn, an Arno und einige aus dem Auditorium: „...gut in wien zurück - ein nachtrag zum abend gestern: für mich sehr überraschend und anregend, so viele interessante und interessierte leute zusammen, eine schöne feier, ungezwungen für ein buch zweier kollegen, in einer größeren runde sehr unterschiedlicher, aber durchwegs in der verschiedenheit wohlwollender individuen... anbei noch ein paar gedanken, entstanden auf der rückfahrt im zug: ich habe den umbau der taxis galerie innsbruck als ein schlüsselprojekt von schlögl&süss bezeichnet und gestern auch kurz angesprochen, die doppelseite vom großen neuen ausstellungsraum, eingesenkt unter dem hof, ist ja nicht ganz zufällig genau in der mitte des buch-volumens... als ich diesen raum vor vielen jahren erstmals sah, reagierte ich so:  was für ein vorlauter eigensinn der architektur, den neutralen white cube an der stirnseite mit dieser betonwand zu stören! und die glasdecke (damals abgeklebt) ist ja auch irgendwie zuviel, sie wird wohl zumeist schwarz abgedeckt sein, um den neutralen kunstraum zu erreichen, und wird nicht auch die sichtbetonwand unten oft temporär weiß verkleidet?...

Foyer der Galerie im Taxispalais (c) Galerie im Taxispalais

Foyer der Galerie im Taxispalais (c) Galerie im Taxispalais

später fand ich mich damit ab, dass es als minimaler signifikant der interventionsidee der architektur doch wichtig dazugehört, und dass so der raum – wie ich dann im buchtext schrieb – eben bloß sehr schwierig bzw. anspruchsvoll zu bespielen sei... aber diese aussage war im freud‘schen sinne eher noch eine unbewusste, etwas unscharfe dialektik. erst nach der lektüre von jacques lacan wurde mir inzwischen die wichtige ‚offene ambivalenz‘ dieser wand klar: die betonwand ist der wesentliche stein das anstosses, der ‚eckstein, den man sofort automatisch verwirft‘, der essentielles an dieser stelle anrührt. denn die wand schneidet in die tiefe des alten, in die tiefe der tradition des gebauten ortes, und zieht diese hinauf in die neuere, vielfach verdrängte zeitgeschichte vor die fassade des ehemaligen gauhauses, vor die in direkter nachbarschaft gegebene, sichtbare präsenz des totalitarismus, der auf den fundamenten der tradtion darunter ruht.

die betonscheibe zeigt massiv auf diese kontinuität, sie steht aber zugleich dazwischen, als partielle grenzmauer zwischen uns und diesen realitäten, als symbol der verdrängung, als zeichen des unhintergehbaren bruches der ‚zivilisierten‘ modernität, der immer noch offen ist, immer noch präsent in uns – die folie also, vor der sich auch jede heutige kunst in ihrem anspruch als aufklärndes, kritisches agens von ‚wahrheit‘ stellen muss, stellen müsste.... doch diese markierung ist gottseidank nicht pathetisch inszeniert, sie ist doch eher lakonisch, fast nebenbei wie ‚passiert‘. man kann sie auf den architekten, auf die architektur als ‚makel‘ verschieben – aber es ist ein akt, der aus dem ‚ungewollten‘ viel subtiler erst manifest wird, so als hätte nicht ein entwerferisches ego das signiert und uns didaktisch ‚vorgehalten‘, sondern als sei erst infolge der genügend weitreichenden kritischen vertiefung des gesamten entwurfsprozesses diese lesart gleichsam ‚anonym‘ entstanden... ich wollte das mit euch noch teilen, als rest-traum von gestern, und es ist sicher keine überstiegene interpretation, sondern einfach die aufgezeigte möglichkeit, an solchen dingen, wenn sie aus einer profunden vorbedingung kommen, unter umständen das und auch noch was ganz anderes zu verspüren….“

Schlögl + Süß, Hypo Tirol, Innsbruck (c) WikiCommons, Simon Legner

Schlögl + Süß, Hypo Tirol, Innsbruck (c) WikiCommons, Simon Legner

Adieu lieber, hochgeschätzter Hanno, dein Vorbild hat viele inspiriert – und wird absolut als Maßstab weiterwirken. Herzlichen Dank für alles!

Otto Kapfinger

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