Marcus Wild über die „Shopping Meile“ in Wien-Aspern

Lernen von der Seestadt, Teil 2

In der Seestadt geht man neue Shopping-Wege, 023_20190829_(c) Schedl_Workflow Aspern

Für Lerninhalte der Planer- und Developer-Gemeinde ist nun reichlich gesorgt: Denn wir werden in der Post-Corona-Ära rasch sehen, welche Geschäftsideen zukunftsfit waren und welche sich als weniger resilient erweisen. Die Seestadt Aspern in Wien bietet dazu das ideale Lehrbeispiel: Hier arbeitet man schon seit Jahren an der Stimulierung des Lebens im öffentlichen Raum. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Erdgeschoßflächen, die neben der täglichen Versorgung sukzessive immer weitere lebendige urbane Funktionen bieten sollen. In zwei Beiträgen beleuchten wir das Making of: Teil 1 brachte einen Rückblick auf die Entwicklung im vergangenen Jahrzehnt, Teil 2 nun ein Interview mit Marcus Wild, dem Chef der SES, jenem Retail-Developer, der die Shoppingmeile der Seestadt managt.


 

Die als PPP aufgesetzte Wien 3420 aspern Development AG ist schon seit Projektbeginn für den Vertrieb sämtlicher Baugründe des Entwicklungsgebiets zuständig. So konnte sie im Bauplatz-Kaufvertrag mit den einzelnen Bauträgern auch die Errichtung der nötigen Retail- und Community-Räume festlegen. Zur Sicherung der Nahversorgung und zur nachhaltigen Belebung des öffentlichen Raums strebte man in der Seestadt seit 2010 die Kooperation mit professionellen Entwicklern von Einkaufsstraßen und Shopping Malls an, die über entsprechendes Know-How verfügen. Dazu war man auf die Suche nach einem geeigneten Partner gegangen, mit dem man diese Ziele realisieren konnte. Mit der SES Spar European Shopping Centers GmbH, einer Konzerngesellschaft der SPAR Österreich Gruppe, wurde man schließlich handelseins und gründete 2011 als Joint Venture die Aspern Seestadt Einkaufsstraßen GmbH. Wir sprachen mit Marcus Wild, Chef der SES Spar European Shopping Centers GmbH, über die Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre.

Was war die Ausgangslage, als sich die SES 2010 am Call der Seestadt-Gesellschaft für die Entwicklung der Retail-Flächen beteiligte?

Das blickt auf eine längere Vorgeschichte zurück, die bis zu Massimiliano Fuksas‘ Europark in Salzburg reicht, der 1994-97 errichtet wurde. Das war ein unglaublich innovatives Projekt. Niemand plante damals so hochwertige Einkaufzentren wie wir und niemand konnte den Charakter von Stadt so abbilden, wie wir das etwa in Salzburg getan haben. Wir haben offene Räume geschaffen, offene Plätze, wie in alten Städten. Wir haben in der SES ein enorm innovatives Gen, unsere DNA kommt aus dem Handel, wir sind Leute, die schauen, wie man etwas verändern kann, wie man etwas mit Partnern auf Augenhöhe gemeinsam ­ entwickeln kann. Da gibt es bei uns eine lange Historie. Über Massimiliano Fuksas sind wir auch zu Architekt Peter Lorenz gekommen, der dann auch unser Q 19 in Wien geplant hat, das sehr erfolgreich ist. Das war wohl auch ein Grund für die Stadt Wien, an uns heranzutreten und uns zum Call für Aspern einzuladen. Wir haben ja vor allem das Vertrauen von tausenden Einzelhändlern und den Zugang zu ihnen. Wir erarbeiten zudem ständig Innovationen, die relevant sind.

Was ist das Innovative an der Partnerschaft mit der Seestadt-Entwicklungsgesellschaft?

Eigentlich alles. Denn dieses Modell mit unserer Stellung als Generalmieter, der auch die wirtschaftliche Verantwortung hat, gab es bisher in ganz Europa noch nicht. Das Modell an sich ist also schon höchst innovativ. Die Stadt Wien als unser Partner konnte und kann sich auf unsere Erfahrung mit über 2000 Bestandspartnern stützen. Das unternehmerische Risiko, das wir hier eingegangen sind, setzt ja auch eine gewisse Größe voraus, die das tragen kann. Zusammengefasst kann man sagen, dass Mut, Innovationsbereitschaft und der Zugang zu den Shop-Partnern für diese Kooperation ausschlaggebend waren. Wir haben ja auch einen entsprechenden Track Record bezüglich innovativer Konzepte und qualifiziertem architektonischem Zugang. Wir haben in den Gesprächen zudem offengelegt, wie wir unsere Verträge mit Mietern gestalten – diese Offenheit im Umgang miteinander ist eine Grundvoraussetzung einer funktionierenden Partnerschaft.

CEO Mag. Marcus Wild_c_Eva trifft

CEO Mag. Marcus Wild_c_Eva trifft

Dieses Modell mit unserer Stellung als Generalmieter, der auch die wirtschaftliche Verantwortung hat, gab es bisher in ganz Europa noch nicht. Die Stadt Wien als unser Partner konnte und kann sich auf unsere Erfahrung mit über 2000 Bestandspartnern stützen.

Marcus Wild, CEO SES

 

Wie bewerten sie den Erfolg des Unternehmens nach 10 Jahren Laufzeit?

Die Entscheidung, dieses Projekt in der Seestadt zu realisieren, hat sich für unser Unternehmen als absolut richtig erwiesen. Es ist ein gelungener Start in ein neues Geschäftsfeld. Und es hat gerade erst begonnen, denn bis 2030 werden wir ja den größeren Teil der Seestadt erschließen, wo dann auch neue Sortimentsgruppen dazukommen, also etwa Textil, aber auch mehr Gastronomie. Wir stecken inmitten der Planungen dieser Stufe 2.

Wie können andere Städte oder verödungsgfährdete Kernstadtzonen von Ihren Erfahrungen profitieren? Gibt es schon weitere Projekte für Stadtbelebungen durch Handel?

Wir haben bereits einige Anfragen von Städten erhalten, die das Modell Aspern kennengelernt haben. Außerdem betreiben wir ja schon lange auch einige sehr erfolgreiche innerstädtische Einkaufszentren. Von unserer Seite gibt es daher sehr viel Bereitschaft, das aktiv anzugehen. Damit das funktionieren kann, muss es aber auch von Seiten der Stadtplanungen mehr Verständnis für die Bedürfnisse des Handels geben. Die Erfolge, die wir mit unserem Spirit of Retailing erzielen, sind vielleicht auch nicht ausreichend präsent in der öffentlichen Wahrnehmung. Es müsste mehr Verständnis in diesem Bereich entstehen. Stadtplanungen müssten bei solchen Projekten auch sehr langfristig denken und nicht nur bis zur nächsten Wahl. Da schenken Stadtverwaltungen vielleicht auch manchmal Anbietern von Shopping-Konzepten Vertrauen, die nicht so nachhaltig denken. In unserem Bereich geht es aber ganz stark um langfristige Planungen, nachhaltige Konzepte und das Vertrauen der Handelspartner, das all dies voraussetzt.

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