Kiubo, Graz © Paul Ott

Für couragierte Ideen und pionierhafte Immobilien braucht es auch Rahmenbedingungen, die Experimente zulassen. Obwohl es diese derzeit nicht gibt, entstehen dank gegenseitigem Vertrauen und innovativer Geister herausragende Wohnprojekte.


Jakob Dunkl fällt mit der Tür ins Haus: „Allgemein gibt es in Österreich nicht besonders mutige Bauträger.“ Der Mitinhaber von querkraft architekten nimmt sich kein Blatt vor den Mund, führt im selben Atemzug aber auch die limitierenden Rahmenbedingungen an: „Mit kleinen Ausweichräumen zum Arbeiten oder für die gelegentliche Übernachtung von Patchworkkindern würden 7 m2 als Zimmer genügen – wobei natürlich auf keinen Fall alles einfach nur kleiner werden darf! Solche Räume sind aber beispielsweise im geförderten Wohnbau in Wien nicht erlaubt.“ Auch die Stellplatzverordnung gehöre überarbeitet. „Ein Stellplatz kostet so viel wie ein Kinderzimmer“, rechnet Dunkl vor. „Und würde es nicht genügen, nur einen gewissen Prozentsatz einer Wohnhausanlage barrierefrei zu bauen? Bei immer kleiner werdenden Grundrissen werden die Gänge und Bäder überproportional und das Konzept des günstigen Wohnraums geht dann auch nicht mehr auf.“

Gewerbehof Seestadt Aspern, Wien © WirtschaftsagenturWien

Der Gewerbehof Seestadt Aspern - eine bewusst feinkörnige Verschränkung mit dem Quartier auf vielen Ebenen.
© WirtschaftsagenturWien

Was alles möglich ist, wenn man es nur zulässt, zeigte immerhin die IBA Wien, in deren Rahmen beachtliche neue Ansätze umgesetzt wurden, z. B. zur Mischnutzung und zur Umsetzung der sozialen Dimension: Die Loftflügel von der EGW Erste gemeinnützige Wohnungsgesellschaft, der Wiener Städtischen und StudioVlayStreeruwitz schaffen dank eines offenen Raumgerüsts höchstmögliche Nutzungsflexibilität und forcieren eine Mischnutzung aus Arbeit und Wohnen – vom Großraumbüro bis zur 50 m2 Einheit ist alles möglich. Während das Erdgeschoss mit einer Raumhöhe von 4 m Platz für kleinteilige Kreativwirtschaft bietet, können die fünf darüberliegenden Geschosse mit einer Raumhöhe von 2,8 m sowohl für Wohnen als auch zum Arbeiten genutzt werden. Ein ähnliches Konzept findet sich bei der HausWirtschaft (Architekturplanung von einszueins), hier sollen Kleinunternehmer in einem Haus Flächen zum Wohnen wie auch für ihr Gewerbe vorfinden.

Eine Mischnutzung strebt auch der Gewerbehof in der Seestadt Aspern an. Dort haben sich gleich fünf Bauträger und Investoren – von gemeinnützig, kommunal bis gewerblich – zusammengetan, um bauplatzübergreifend einen Nutzungsmix zu schaffen (Bauträger: Aphrodite, ARE, EGW, Schönere Zukunft, Architektur: B18 Architekten, HNP architects, M&S Architekten ZT, simon und stütz architekten). Herauskommen soll kein zufälliges Nebeneinander von geplanten 270 Wohnungen mit neuen Wohnraumtypologien, Sammelgarage, Nahversorgung und einem Gewerbehof mit bis zu 250 Arbeitsplätzen, sondern eine bewusst feinkörnige Verschränkung mit dem Quartier auf vielen Ebenen. Noch ein Beispiel: Eine „Agora der Vielfalt“ oder ein „Dorf in der Stadt“ wurde im Projekt Gleis21 im Sonnwendviertel realisiert. Die anmietbaren Multifunktionsräume, die Musikschule, Solidaritätswohnungen, ein Grätzelkaffee und ein Kunstkollektiv fördern das Miteinander und brechen mit anonymen aneinandergereihten Masseneinheiten – ein vorzeigewürdiges Ergebnis aus einer Partnerschaft des gemeinnützigen Bauträgers Schwarzatal, realitylab und einszueins architektur.

Das Ganze geht noch radikaler. Wenn man will und die Politik es zulässt. Es sei zurückerinnert an das Modell Steiermark...

Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil von ARCHITECTS 2023. Der Volltext ist ab Seite 52 zu finden.


 

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