MEDIA REVIEW

Sozialinfrastrukturen rund um den Globus

Kinder und Jugendliche finden in Schulen einen Ort des sozialen Austauschs, an Sozialeinrichtungen für ältere Generationen in Stadt und Land hingegen mangelt es oft.


 

Die vorgestellten Publikationen zeigen Möglichkeiten und Herausforderungen bei der Schaffung von Sozial- und Bildungsräumen für Jung und Alt in verschiedensten Weltregionen: von Europa, über Asien bis nach Südamerika.

Eine Auswahl von Klara Jörg

 

Was kann eine Schule mehr als ein Ort der Lehrinhaltsvermittlung sein? Darüber diskutierten AkteurInnen in Österreichs Architekturlandschaft schon im Jahr 2018 bei einem Symposium zum Thema urbaner Mehrwert von Schulen. Nun erschien die Ausgabe UM_BAU 31 Stadtbaustein Schule: Dichte Nutzung, urbane Vernetzung, herausgegeben von der Österreichischen Gesellschaft für Architektur. Eingeleitet von der schriftlichen und bildlichen Keynote des Symposiums von Herman Hertzberger, besprechen die AutorInnen das Potenzial der Nachverdichtung und Mehrfachnutzung von Schulen im urbanen Umfeld, der Schaffung von Quartierszentren für alle AnwohnerInnen sowie die geschichtliche Entwicklung des Planungsstandards im Österreichischen Schulbau und in den Nachbarländern. Jeremy Hoskyn beispielsweise erforscht hier das Bauen im Bestand von Schulen in Zürich und Maik Novotny erörtert die Entwicklung des Campusmodells im Wiener Schulbauprogramm und dessen Potenziale sowie Herausforderungen.

 

Österreichischen Gesellschaft für Architektur
UM_BAU 31 Stadtbaustein Schule: Dichte Nutzung, urbane Vernetzung
128 Seiten, Deutsch, Birkhäuser Verlag, € 19,95

Während in österreichischen Schulen mithilfe des Campusmodells oft Kinder von der Krabbelstube bis zur Oberstufe unter ein Dach gebracht werden, wird der Sozialraum für andere, vor allem ältere Menschen, in Architektur und Stadtplanung oft vernachlässigt. Das Kopenhagener Architekturbüro von Dominique Hauderowicz und Kristian Ly Serena – dominique + serena – erforscht Möglichkeiten altersgerechter Planung im öffentlichen Raum und hat mit der Publikation Age-Inclusive Public Space ein Sammelwerk zur Inspiration herausgebracht. Als Dialog zwischen den beiden Architekturschaffenden und weiteren Mitwirkenden ist das Buch äußerst ansprechend gestaltet und bringt LeserInnen das Thema der Planung für ältere MitbürgerInnen aus unterschiedlichen Fassetten näher. Beiträge aus akademischer Forschung, historische Entwicklung sowie aktuelle Fallbeispiele wechseln sich ab. Somit schafft das Buch nicht nur Aufmerksamkeit für ein bisher wenig beleuchtetes Thema, sondern gibt Einblicke in eine Vielzahl spannender Projekte rund um den Globus.

Dominique Hauderowicz und Kristian Ly Serena
Age-Inclusive Public Space
240 Seiten, Englisch, Hatje Cantz Verlag, € 32,00

Ebenso geografisch weit voneinander entfernt und dennoch in einem Buch vereint sind die Architekturbüros 51N4E und Rural Urban Framework (RUF) in The Things Around Us herausgegeben von Francesco Garutti. Die Arbeiten beider Büros zeichnen sich durch ein neues Verständnis der Rolle von ArchitektInnen im Rahmen der planetaren Verstädterung aus. Die Entwürfe sind geprägt von einer ortsspezifischen Projektentwicklung, wobei diese nicht nach dem Bau endet sowie auch der Kontext nicht an der jeweiligen Stadt- oder Ortsgrenze. Die Ergebnisse verdeutlichen in verschiedenen Maßstäben die Notwendigkeit des Einbezugs von AnwohnerInnen, des Bestehenden sowie den kreativen Umgang mit Normen und politischen Kräften. Gespräche über die Hautplatzgestaltung in Tirana (Albanien) von 51N4E oder dem Nachbarschaftszentrum in Ger, einer Siedlung nomadischer Zelte in Ulaanbaatar (Mongolei) von RUF bringen die Entwurfspraxis der Büros näher.

Francesco Garutti
The Things Around Us
232 Seiten, Englisch, JOVIS Verlag, € 26,00

Mit der Entwurfspraxis in Universitäten setzten sich die Luzern Talks jährlich auseinander, im Speziellen mit der Pädagogik in Architektur. Building For Architecture Education, herausgegeben von Marc Angélil, Heike Biechteler, Dieter Dietz und Johannes Käferstein von der Hochschule Luzern, sammelt die Beiträge des Symposiums von 2019, in dem es speziell um die Gebäude ging, in denen Architektur gelehrt wird. Nicht zuletzt geprägt von der Pandemie untersucht die Publikation als sogenannter „Polylog“ den Einfluss des physischen Umfelds auf Architekturvermittlung. Ausgehend von der Aulabesetzung der Universität Sao Paolo im Jahr 1979, versammelt das Buch Essays zur Debatte der zukünftigen Universität und erforscht die Potenziale damit verbundener Architekturvermittlung sowie Talks des Symposiums.

Marc Angélil, Heike Biechteler, Dieter Dietz und Johannes Käferstein
Building For Architecture Education Architekturpädagogiken Lucerne Talks
212 Seiten, Deutsch, Englisch und Italienisch, Park Books, € 38,00

Als ebenso ikonischer Ort des sozialen Austauschs in Brasilien ist das Museu de Arte de Sao Paolo – kurz MASP – der Architektin Lina Bo Bardi bekannt. Das Werk der italienischen Meisterin, die den Großteil Ihres Schaffens in Brasilien realisierte, ist geprägt von dem Streben nach kultureller sowie sozialer Verankerung der Bauten in der Gesellschaft. Bo Bardi entwickelte mit ihren bekannt farbenfrohen Skizzen sowie Texten ein umfassendes Werk, von Architektur bis hin zu Ausstellungs- sowie Möbeldesign. Geprägt ist dieses vom Interesse des Prozesses der Aneignung und einer sozialen Überzeugung: Räume, die offen für Überraschungen sind und sich den Nutzern öffnen. Einen umfangreichen Überblick über ihr Schaffen gibt Lina Bo Bardi – Habitat, herausgegeben von José Esparza Chong Cuy, Julieta González, Adriano Pedrosa und Tomás Toledo, das ihm Rahmen einer umfangreichen Rückschau auf das Schaffen der Architektin im MASP erschienen ist und eindrucksvoll das Leben und Werk der vielseitigen Architektin näherbringt.

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