Textile Transluzenz

Jährlich findet in der Region von Annecy ein Hütten-Festival statt, das jungen ArchitektInnen und StudentInnen ermöglicht, kleine Holzkonstruktionen zu entwerfen und in Selbstbauweise zu errichten. Der Erfolg dieses Festivals führte zu seiner Erweiterung, unter anderem auf das Loire-Gebiet.
In Saint-Germain-Laval, eine kleine Gemeinde westlich von Lyon, gewann das junge Architektenkollektiv BISO15, bestehend aus Quentin Barthe, Martin Gaufryau und Tom Patenotte, den Wettbewerb für eine Hütte am Ufer des Flüsschens Aix. Da sie kein generisches Objekt in die Landschaft stellen wollten, sondern ihnen ein starker Bezug zur Umgebung wichtig war, verbrachten die Architekten einige Tage vor Ort. Im Dickicht der Bäume entschieden sie sich, mit einem zweigeschossigen Türmchen in die Vertikale zu streben, das mit der ausgesprochen kleinen Grundfläche von 1,70×3,10 Metern auskommt. Im Erdgeschoss finden die BesucherInnen eine Bank mit meditativer Aussicht auf den Fluss, eine Leiter führt ins Obergeschoss, wo man sich auf einer Plattform austrecken kann; auch hier eine Öffnung, diesmal im Dach, mit Blick auf Baumkronen und Himmel.
Das Architektenkollektiv war von japanischer Architektur inspiriert und ganz besonders vom Begriff des „Ma“, das in der fernostasiatischen Ästhetik gleichzeitig Zeit und Raum umfasst. In der Architektur definiert es den Zwischenraum und den Übergang von innen nach außen. So hatten sie die Idee, aus Übergängen ein architektonisches Thema zu machen, indem sie die konventionellen Charakteristika der Bauteile umkehrten: Die Tür und das Fenster bestehen aus opaken Stoffen, die zur Seite geschoben werden können, wenn man eintreten oder einen Blick nach außen werfen möchte, während die Wände des Pavillons mit durchscheinenden Stoffen bekleidet sind. So sieht man im Inneren die Umrisse der Bäume und wie sich deren Schatten als Chimären der äußeren Realität auf dem Stoff abzeichnen. In der Nacht kehrt sich das Schattenspiel um, ... mehr dazu in unserer Juniausgabe!

Für die Holz-Textil-Konstruktion hat sich BISO15 von japanischer Architektur inspirieren lassen.
© Vincent Pelletier-Wassmer