Esch-Belval

Vom ehemaligen Industriestandort zum modernen Stadtviertel

Hochofenterrasse Belval © Le Fonds Belval

Esch-Belval ist ein ehemaliger Industriestandort im südlichen Teil von Luxemburg in der Nähe von Esch-sur-Alzette. Das Gebiet ist historisch für seine Stahlindustrie bekannt, die eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung der Region gespielt hat. In den vergangenen Jahren ist hier ein neues, modernes Stadtquartier entstanden, das die Umgebung neu belebt.


Belval © Le Fonds Belval

Alte Gebäudeteile bewahren die Erinnerungen an den ehemaligen Industriestandort.
© Le Fonds Belval

Mit dem Bau der ersten Hochöfen im Jahr 1909 wurde der Beginn der Stahlindustrie in Belval eingeleitet. Mitte des 20. Jahrhunderts galt Belval mit einer Fläche von 100 Hektar als eines der größten stahlproduzierenden Zentren in Europa. Die Industrie hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der angrenzenden Stadt Esch-sur-Alzette und der umliegenden Region: Sie bot Tausenden Menschen Arbeit und machte die Region damit wirtschaftlich stark von der Stahlproduktion abhängig.

Neben dem Erfolg hatte die Region allerdings auch mit einigen Problemen und Verwerfungen zu kämpfen, darunter massiven Energiekrisen. Auch hatte das Stahlwerk tiefgreifende Auswirkungen auf die Umwelt, die Emissionen belasteten Boden und Luft, weitere Umweltprobleme kamen dazu. Zwischen 1965 und 1979 wurden die sechs Hochöfen durch drei neue Öfen ersetzt. In den Folgejahren jedoch rutschte die Stahlindustrie in Belval in eine Rezession, da viele Stahlwerke in Europa mit dem zunehmenden Wettbewerb durch kostengünstigere ausländische Hersteller konfrontiert waren. Zwischen 1995 und 1998 wurden die letzten beiden Hochöfen stillgelegt, der dritte wurde verkauft, abgebaut und nach China transportiert. Diese Ereignisse markierten den Niedergang und die Flächenreduzierung der Stahlindustrie in Belval, die alle nicht mehr benötigten Gebäude und Flächen aufgab. In den frühen 2000er Jahren beschloss die luxemburgische Regierung, den verlassenen Teil des Geländes zu sanieren und in ein modernes Stadtentwicklungsviertel umzuwandeln. In Zusammenarbeit mit Arcelor Mittal, dem Eigentümer des Stahlwerks, gründeten sie die Entwicklungsgesellschaft Agora, die den neuen Campus plante und entwickelte.

Der Masterplan umfasst 120 Hektar Land und ist in fünf Schlüsselbereiche unterteilt: Belval Sud und Belval Nord, die eine Reihe von Wohneinheiten mit begleitenden Einrichtungen bieten, Park Belval mit Raum für Freizeitaktivitäten, Square Mill, das Geschäftsviertel, und nicht zuletzt die Hochofenterrasse. Hier befindet sich unter anderem der Campus der Universität Luxemburg, der zahlreiche internationale Studierende anzieht und mit einer Vielzahl von Lern- und Freizeitaktivitäten zur kulturellen Szene beiträgt.

Universität Maison du Savoir © Le Fonds Belval

Den Wandel zum modernen Bildungsstandort symbolisiert das Universitätsgebäude Maison du Savoir.
© Le Fonds Belval

Der Abbruch des alten Stahlwerks von Belval nahm mehrere Jahre in Anspruch. Die ersten Abrissarbeiten begannen Anfang der 2000er Jahre, sie dauerten etwa ein halbes Jahrzehnt. Einige Gebäude, die dem Abriss entkommen konnten, wurden erhalten und in die neue Bebauung integriert. Neben dem Stahlkonzern Arcelor Mittal waren mehrere andere Unternehmen an den Abrissarbeiten beteiligt, darunter die in Luxemburg ansässige Firma Paul Wurth, die sich auf die Planung und den Bau von Gebäuden und Infrastrukturen unter Berücksichtigung nachhaltiger Entwicklung spezialisiert hat. Dieses Unternehmen war auch für wichtige Studien zum Erhalt der beiden Hochöfen verantwortlich, die auf dem Gelände verblieben sind und einen zentralen Komplex bilden.

Es ist schwierig, die genaue Menge des beim Abriss entstandenen Abfalls zu schätzen, da sie von den spezifischen Materialien und Strukturen abhängt, die abgerissen wurden. Angesichts des Projektumfangs ist allerdings davon auszugehen, dass mehrere hunderttausend Tonnen Abfall erzeugt wurden. Solche bei Bau- und Abbrucharbeiten anfallenden Abfälle sind ein internationales Problem, sie haben weltweit enorme ökologische, wirtschaftliche und soziale Auswirkungen. Allein in Europa werden 30 Prozent des Abfallaufkommens nur durch Bau- und Abbruchaktivitäten verursacht, nachzulesen im 2020 Global Status Report for Buildings and Construction.

In Luxemburg und der Großregion sind die Auswirkungen aufgrund des schnellen Bevölkerungswachstums, das zu einem erhöhten Ressourcenverbrauch führt, noch größer. Infolgedessen wird eine beträchtliche Menge an Abfällen erzeugt, wobei 82 Prozent auf Bau- und Abbruchabfälle entfallen. Als gebräuchlichste Entsorgungsmethode gilt die Deponierung, doch aufgrund der begrenzten Flächen und Infrastrukturen besteht die Gefahr, dass die vorhandenen luxemburgischen Deponien schnell überfüllt werden. Gegenwärtig exportiert Luxemburg ca. 16 Prozent seiner Bau- und Abbruchabfälle, wodurch deren Auswirkungen auf die benachbarten Gebiete verlagert werden (Daten für Luxemburg zur Verfügung gestellt vom Umweltministerium). Die hier angeführten Ergebnisse stammen aus einer viermonatigen Sondierungsstudie, die im Rahmen der Masterarbeit von Simona Popova an der Universität Luxemburg durchgeführt wurde. Die Forschung konzentrierte sich auf die Gewinnung materieller Ressourcen, die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Abfallerzeugung und die ökologischen, geografischen und wirtschaftlichen Auswirkungen von Bau- und Abbruchabfällen in Luxemburg.

In Anbetracht der Größe und des Umfangs des Belval-Projekts kann es in diesem Kontext nicht ignoriert werden. Das neue Belval würde von einer umfassenden Strategie für den Umgang mit Abfällen und die Minimierung von Abfällen aus Bau- und Abbrucharbeiten profitieren... mehr in unserer Maiausgabe!


 

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