Kirschapelle von Doris Dockner in der Südsteiermark

Zwischen Himmel und Erde

Kirschkapelle © Croce & Wir

Der Klapotetzhügel im Harkampschen Weingarten ist eine archaische Kultstätte. Architektin Doris Dockner krönte sie mit einer filigranen Kirschkapelle voll Poesie.


Der Ort ist magisch. Zwischen Reben thront das Weingartenhotel Harkamp über der bukolischen Landschaft des Südsteirischen Hügellands. Heinz Harkamp, ein leidenschaftlicher Koch, betreibt es in zweiter Generation. Nach und nach ließ er alle 26 Zimmer modernisieren. Dabei vertraute er Architektin Doris Dockner, die jedem Raum mit Naturfarben und speziellen Bädern individuellen Charme verpasste. Bruder Hannes Harkamp produziert hervorragende bio-dynamische Weine und Sekt. Das 90jährige Jubiläum der Harkampschen Gastfreundschaft wollte die Familie mit einer Kapelle würdigen. Wieder wandte sie sich an Dockner, die schon der Kirche im burgenländischen Neuhaus dank einer Glaswand hinter dem Altar zu völlig neuartiger, lichter Spiritualität verholfen hatte. Auch diesmal war die Beziehung zur Natur zentral. Der Bauplatz ist ein Kraftort erster Güte: Der Klapotetzhügel mit seinem Wäldchen war schon zur Jungsteinzeit eine Kultstätte. Die präshistorischen Scherben, die man in der Erde fand, integrierte Dockner in das gläserne Kreuz der Kapelle.

Ich habe mich von den hohen Eichen inspirieren lassen: Ich wollte mit der Kapelle eine Verbindung zwischen Himmel und Erde schaffen.

Doris Dockner

„Man sollte das Gefühl haben, die Messe mitten im Weingarten zu feiern.“ Damit die Kapelle mit dem Wald verschmilzt, ist sie nun bis zu 8,30 Meter hoch. Nicht überall, sondern unregelmäßig, wie die Bäume.

Der Grundriss hat die Form einer Herzkirsche. Das steht für Herzensqualität – und verweist auf den Hl. Valentin, dem die Kapelle geweiht ist. Auch auf den Kirschbaum, der neben ihr wächst. Die Form ermöglicht, den ovalen Glasaltar mit einer gebogenen Rückwand bergend einzufassen: Zarte Stahlsteher umschreiben die Herzform. Sie bilden schmale Pfeiler, zwischen die einzelne Gläser geklemmt sind.

Kirschkapelle © Isabella Marboe

Kirschkapelle © Isabella Marboe

Trotz heftiger Stürme und exponierter Lage ging kein einziges zu Bruch. Einige sind purpur, gelb oder blau: Sie malen farbige Lichter auf den Boden, der mit bunten, geschliffenen Flußsteinen aus dem Tagliamento belegt ist. Zum Weingarten und zur Wiese hin bilden die runden Herzhälften zwei Tore: Wie ausgestreckte Arme breiten sie sich aus, definieren einen Vorbereich und heißen alle willkommen. Jeder dieser 2,47 Meter hohen Türflügel wiegt 820 Kilo. Trotzdem sind sie leicht zu öffnen.

Das Dach erweist dem Hl. Urbanus, Patron der Weinbauern, seine Referenz. Es besteht aus einer schräg geneigten Stahlscheibe, in die mit dem Laser Weinblätter gefräst sind. Diese lassen das Sonnenlicht tänzelnd einfallen und harmonieren mit dem Blattwerk des Waldes dahinter. Eine neun Millimeter zarte Plexiglasschicht hält alle trocken. Die Details entwickelten Tritthart & Herbst Architekten, gefertigt wurde die Kapelle von Schlosser Andreas Pfingstl: Dieser transportierte Stahl und Glas mit Traktor und Bagger Stück für Stück auf die Baustelle und schweißte die Kapelle vor Ort händisch zusammen. Pfarrer Krystian Puska weihte sie ein. Mehrmals pro Woche geben sich Brautpaare hier nun das „Ja“-Wort. 

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Kirschkapelle Decke © Isabella Marboe

Kirschkapelle Decke © Isabella Marboe

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