Schwimmbad

Vor dem Panorama von Albis und Sihlwald verwandelt Illiz architektur eine unterirdische Truppenunterkunft in ein Schulschwimmbad. Man agiert mit klarem Konzept und verliert weder Kosten noch Nutzen aus den Augen.

Publikumsliebling

„Ganz Erlenbach hat wohl dafür gestimmt“, meint Architektin Petra Meng mit leisem Lächeln im Gesicht. An diesem Spätsommertag steht sie wieder einmal vor dem „Bau des Jahres 2016“. Für ihr Schwimmbad am südöstlichen Rand eines Schulcampus‘ wurde illiz architektur mit dem Publikumspreis der Branchenplattform „swiss-architects“ ausgezeichnet. Auch auf der gegenüberliegenden Seite des Zürichsees hat man unlängst ein Selektives Vergabeverfahren für sich entschieden, wurde mit der Instandsetzung und Umnutzung des Leimbacher Hallenbads beauftragt. Dass man dort wie da, an der so genannten „Goldküste“, in der etwas zu malerischen 5000-Seelen-Gemeinde Erlenbach reüssiert, hat mit einer bestimmten Haltung zu tun.

Zunächst aber zum Büro mit seltsamem Namen. Der stammt aus der gemeinsamen Studienzeit an der RWTH Aachen.

Schwimmbad

Bereits damals haben Petra Meng, Sabrina Mehlan und Stefanie Wögrath beschlossen, irgendwann ein gemeinsames Büro zu gründen. Klingt „illiz“ noch heute nach purer Phantasie – der das Wort auch entstammt – wurde der frühe Beschluss nach zehn Jahren Realität: seit Studienbeginn haben sie sich nicht aus den Augen verloren; auch nicht als Sabrina nach Wien ging, Stefanie mit einem Fulbright-Stipendium an die UC Berkeley, Petra hingegen nach Zürich. 2008 gewannen sie dann gleich ihren ersten Wettbewerb für das Kinderbetreuungszentrum Maria Enzersdorf und gründeten illiz architektur. Heute haben sie 19 Mitarbeiter, das Portfolio reicht von kleineren Umbauten bis zum Unterwerk und Netzstützpunkt Oerlikon der ewz – einem „Millionenprojekt“. Spezialisiert sind sie auf Infrastrukturbauten – in zwei Architekturkulturen. Das erfordert eine besondere Bürostruktur, denn illiz architektur ist weder ein Zürcher Büro mit Zweigstelle in Wien, noch hat man am Wiener Henriettenplatz das Hauptquartier aufgeschlagen. De jure handelt es sich sogar um zwei getrennte Firmen: Es war unmöglich, eine Versicherungsagentur zu finden, die sich der in Österreich üblichen Nachhaftung von 30 Jahren annehmen wollte. De facto arbeitet man an den Projekten gemeinsam, hält Video-Konferenzen ab, nutzt Instant Messaging und ist ständig auf der Suche nach neuen Screen-Sharing-Tools, um visuelle Ideen auszutauschen. Natürlich trifft man sich auch regelmäßig, bespricht die gemeinsame Linie, denn im Alltag erfüllt jeder spezifische Aufgaben – die Hierarchien sind flach. Mit einer eigenen Mischung aus konzeptioneller Neugier und dem Blick fürs Wesentliche konnten sie – in enger Zusammenarbeit mit den Ingenieuren der Pöyry Schweiz AG – das Schwimmbad nach zwei Jahren Planungs- und Bauzeit fertigstellen.

Alternativkonzept

Die Frequenz im Bad ist hoch, das kleine Becken für rund 20 Schüler ausgelegt. Es misst 16,66 x 8 Meter – ein Drittel der olympischen Masse. Wo die Grundstückspreise 5000 Franken pro Quadratmeter erreichen, bedarf jedes Bauwerk einer soliden politischen Basis. Weil die Kapazitäten der Nachbargemeinden jedoch erschöpft waren, entscheid sich die Seegemeinde – mit vielen besorgten Eltern – zum Neubau. Schließlich stand mit der stillgelegten, unterirdischen Truppenunterkunft eine adaptierbare Infrastruktur zur Verfügung. Illiz architektur überzeugte 2012 mit einem Alternativkonzept, das heute ganz selbstverständlich erscheint: Die gläserne Badehalle thront über dem Wiesenhang; zwei rohe Betonmauern mimen die Gestalt der ehemaligen Bunkerzugänge und legen auf Straßenniveau einen lichten Eingangsbereich frei.

Schwimmbad

Bei dieser kostengünstigeren Variante wurde eine stählerne Hubwanne in die Bestandsstruktur eingehängt; Technikräume für Haus und Pool verbleiben in der dunklen Kaverne. Mit einer variablen Wassertiefe von maximal ein Meter siebzig lässt sie verschiedene Nutzungen zu: auch Pensionisten und Vereine baden hier.

Vom verglasten Vorraum gelangt man über die getrennten Schülergarderoben in die Tiefe der Anlage, über den Barfußgang zu den Duschen und weiter über eine Treppe, die man bereits vom Foyer aus erblickt hat, nach oben. Die Einheit aus Alt und Neu war Teil des Konzepts. Da steht eine Pilzstütze im Umkleideraum, die Betondecke ist nur überstrichen, die neue Tragstruktur nahtlos angeschlossen. Es ist ein bisschen wie beim hässlichen Entlein, wenn sich der triste Bunker im fröhlichen Spiel grüner Wandfliesen wandelt: je höher man steigt, desto heller wird der Farbton von jeweils neun, auf einem Netz verbundenen „Pixel“. Ganz oben mischen sich Seerosentöne hinzu. Auch das Durchschreiten war ein wesentliches Entwurfsthema: ganz pragmatisch reihen sich die Funktionsräume, programmatisch steigt man aus gedämpfter Atmosphäre in die lichtdurchflutete Schwimmhalle hinauf. Wer wollte den kostbaren Ausblick über den See noch missen? (...)

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