Streckhof mit Schnapsbrennerei, (c) Juri Troy

Alles, wie es einmal war, nur ein bisschen mehr: Mit viel Fingerspitzengefühl und einem schlauen Konzept entwarf Architekt Juri Troy ein Ensemble für eine junge Familie, in dem Zwischenräume und Räume einen gleichen Stellenwert bekommen.


 

Weiterbauen

In der Hügellandschaft des mittleren Burgenlandes liegt ein kleiner gewachsener Ort, der für die Gegend nicht typischer sein könnte: Entlang der klassischen Hauptstraße reiht sich Haus an Haus, genauer gesagt Streckhof an Streckhof. Manchmal fehlt auch einer: Vergessen, verfallen, verloren. So rücken die einstigen Nebengebäude, Schuppen und Stall, die in der zweiten Reihe rückseitig in die offenen üppigen Obstgärten und Felder auslaufen, in den Fokus des Interesses. Auch für ein junges Wiener Paar mit Kind, das den Bestand zu schätzen wusste und sich zu einem ungewöhnlichen Bauprojekt entschloss. Architekt Juri Troy erkannte die Qualität der zweiten und dritten Reihe hinter den Haupthäusern an der Straße. Hier ist noch das Flair der letzten 100 Jahre mit ursprünglichen, traditionellen Bauformen spürbar. So auch in dem von der Großmutter geerbten Streckhof der Familie, die sich dort eine eigene Bleibe schuf. Seit vielen Jahren brennt der Bauherr hier aus den Früchten des eigenen Gartens den eigenen Schnaps.

 Streckhof mit Schnapsbrennerei, (c) Juri Troy

Der Bestand bot zwei Hofbereiche, ein weiterer sollte mit einem Neubau entstehen. Der erste Plan, sich in den Hof des Haupthauses zu integrieren, wurde verworfen, um die besondere Qualität des Bestehenden nicht zu verlieren. Der zweite Gedanke, das existierende Wirtschaftsgebäude umzubauen, scheiterte an der einfachen Bausubstanz, die sich zum Ausbau nicht wirklich eignete, aber unbedingt erhalten bleiben sollte. So entschieden sich die Bauherren für den Bau eines weiteren Gebäudes, der Hofstruktur folgend und perfekt in die Umgebung gefügt. So eröffnete sich auch die Möglichkeit, in der alten Scheune eine eigene Schnapsbrennerei einzurichten.

Das Schöne an diesem Projekt ist, wie sich hier alles umdreht - die Rückseite zum Beispiel erfährt eine neue Nutzung.

Juri Troy

Gekonnt kompakt

Die große Herausforderung lag darin, den Neubau in harmonische Relation zu den ehrwürdig gealterten Gebäuden zu setzen – Anmutung, Material, Typologie und Oberflächen mussten daran ausgerichtet werden. Nach der Lösung musste nicht lange gesucht werden: Die typische Struktur der alten Scheunen – Holzwände zwischen Schottwänden und Ziegelpfeilern – war die Basis für das neue Einfamilienhaus. Die Gebäudehülle ergibt sich komplett aus diesem archaischen Bauprinzip, nur anstelle der Tore wurden raumhohe Fensterläden vorgesehen, die entweder die Räume großzügig nach vorne und nach hinten komplett öffnen, oder sich schließen und damit einen geschlossenen Baukörper erzeugen. So entstehen multifunktional nutzbare Bereiche, abgrenzt von Schiebefaltelementen. Auch der Grundriss lehnt sich an die Tradition an: In die äußeren Schottwände sind einerseits die Küchenzeile mit Speis und Abstellräumen, andererseits eine großzügige Sofalandschaft und zusätzlicher Stauraum integriert, in der Mitte – gegenüber dem offenen Kamin – verläuft die Treppe nach oben. 

 Streckhof mit Schnapsbrennerei, (c) Juri Troy

Um diesen zentralen Block verläuft eine Sitzbank, die küchenseitig Teil des Essbereichs ist und wohnzimmerseitig auch als Bücherregal fungiert. Im oberen Geschoss liegt ein offener Aufenthaltsbereich, der als Bibliothek und Arbeitsraum genutzt wird. Von hier aus kann man alle Balkone betreten, die hinter den Faltläden in der Laibung der Öffnungen liegen und so tief sind wie die Mauern stark. Angrenzend gibt es ein Kinder- und ein Gästezimmer mit eigenem Bad dazwischen, auf der anderen Seite ist das Elternschlafzimmer, ebenfalls mit eigenem Bad, das in die Möblierung integriert ist. Eine Besonderheit ist die im Giebel sieben Meter messende Raumhöhe, die das Elternschlafzimmer und den Arbeitsbereich überspannt. Über die beiden kleineren Schlafräume führt eine kleine Treppe zu einem Dachboden mit Technik- und Stauraum sowie einem mittleren Raum, der als Yoga-Raum mit schönem Ausblick genutzt wird.

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